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Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 11 Jahren - 18.05.2013
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In der Nische gibt’s keinen Sport

Manche Begriffe sind vergiftet. Für den gemeinen Parfumafficionado ist das Wort „Sport“ an einer Flakonbeschriftung so  nur schwer zu ertragen. Irgendwie weckt es Assoziationen an junge dynamische Menschen mit gesundem Körperbau und regem Sexualleben, die aber vor allem mal keine Ahnung haben. Aber das ist nicht der Grund für die profunde Ablehnung. Daran sind vor allem die unzähligen Mainstreamflanker schuld, denn sie haben den Sportdüften in der Vergangenheit ihr Image von frischer Banalität und einfallsloser Anbiederei eingebrach. Der Parfumliebhaber will von so etwas – zu Recht – nichts wissen. Die erstaunlich große Schnittmenge derjenigen, die von Sportflankern die Nase voll haben, und den Kunden, die dem Massenmarkt gleich ganz den Rücken kehren, stellt die Branche vor ein mittelgroßes Marketingdilemma. Wie also verkauft man diese Düfte, die man nicht beim Namen nennen darf?

Dabei ist Sport an sich auch einer Zielgruppe nicht fremd, die ansonsten findet, dass Schweiß nicht stinken sollte. Mit dem richtigen Sport(ler) lassen sich sowohl Luxusuhren als auch Kaffeemaschinen bewerben. Parfum hingegen nicht – oder nur völlig erfolglos. Im traditionsbewussten oberen Preissegment haben die Marketingköpfe deshalb so lange nicht aufgehört, sich zu (z)erbrechen, bis das Frischewasser wieder frisches Wasser hieß (was natürlich ebenso an Sport denken lässt) oder leichtes Wasser (was nichts mit schwerem Wasser zu tun hat). Der informierte Besucher dieses Portals zögert natürlich weiterhin, sportliche Verdünnungsstufen eines Duftes zu kaufen, nur weil das Ganze jetzt fancy french gebrandet ist. Recht so, kauft man eben Nische.

Der Parfummodenschweinezyklus ist für die klassischen Vollsortimenter traditioneller Duftkunst noch nie ein Problem gewesen. Solange man alle paar Jahre die richtigen Flakons abstaubt, kann man die Launen seiner Kunden bedienen, egal ob jene nun gerade Vetiver, Rose oder Iris heißen. Ab und zu kommen natürlich Trends vorbei, denen man sich nicht verschließen kann – schon gar nicht, wenn man mal ein ernsthaftes Gespräch mit dem Finanzchef der Firma führt. So konnte man nicht nur den Kunden ihre Wünsche nicht abschlagen, die gerne etwas mehr Erlebnis mit nach Hause kaufen wollten und denen man folgerichtig extreme Konzentrationen (extrem teuer) anbot. Andersrum muss das genauso laufen, ist aber viel schwieriger. Leichtigkeit passt nicht zur Kunst, zur melancholischen Rückbesinnung auf halbvergessene Sehnsuchtsorte und zur Reflexion prägender Kindheitserinnerungen. „Im Gedenken an meine Großmutter eau legère“ – geht nicht.

Doch diesen Sommer wird alles anders. Statt noch einmal Kunden an den Frischemainstream zu verlieren, wird nun nicht frisch-wässriges Parfum verkauft, sondern parfümiertes Frischewasser. Das Cologne könnte das neue Oud sein. Wer noch keins hat, braucht jetzt eins. Avangarde ist natürlich etwas anderes – etwa ein guter Sportduft.

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