Bobby
Bobbys Blog
Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 3 Jahren - 03.02.2021
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WÖRTERBUCH PARFUMO - DEUTSCH (Teil 2)

Hier ist die Fortsetzung zum Entschlüsseln der rätselhaften Parfumosprache. Es ist quasi eine Auftragsarbeit geworden: Die Kommentare zu Teil 1 haben mir fast alle Stichwörter für Teil 2 geliefert. Praktisch! Ebenfalls danke für die ganzen Pokale! Ich habe sie in Farbe ausgedruckt und bei uns im Eingangsbereich über die Kommode gehängt. Macht ganz schön was her!

Jetzt aber los:


19. Angekommen (Kommentarüberschrift): Codewort für die weit ververbreitete Fehleinschätzung, den letzten perfekten Duft für sich gefunden zu haben. Diese Ankomm-Sehnsucht zum Ende der Parfüm-Odyssee findet ihren Höhepunkt im Fetisch um den sagenumwobenen ->heiligen Gral. Ich glaube nicht daran. Der erste Parfumo, der WIRKLICH angekommen ist, der diesem einen, perfekten Duft über Jahre hinweg treu bleibt und nur zum Spaß hier ab und zu milde lächelnd ein paar Kommentare überfliegt, der möge sich bitte bei mir melden. Dann schreibe ich das hier um und fresse zusätzlich 1-2 Besen.

Die Motivation fürs Ankommen-Wollen ist aber durchaus nachvollziehbar, und zwar gleich doppelt:

A) Es würde enorm Geld einsparen! Selbst wenn man schlussendlich (unglücklicherweise) bei einem "Amouage" ankommen würde, müsste man ja trotzdem "nur" etwa 2 Flakons pro Jahr für insgesamt knapp 500€ kaufen, was sicherlich weniger ist, als mancher hier für Enttäuschungen, Irrtümer, Blindbuys und Proben im Laufe eines Kalenders so auf den Tisch, in den Wind oder in die ->Bucht schießt und legt. Bitte jetzt mal ganz Peter-Zwegat-mäßig schmerzhaft-ehrlich zusammengerechnet! (und ja, auch Porto kostet Geld, und ja, auch zig Pröbchen für "nur" 4 Euro das Stück kosten Geld, und ja, auch der 30ml Flakon zusätzlich im Einkaufswagen, der für Gratisversand sorgt, kostet Geld UND ZWAR MEHR ALS DER VERSAND GEKOSTET HÄTTE).

B) Es würde einem Seelenruhe verschaffen! Kein angespanntes Gesuche, kein nervöses Gefollow und Gesouke mehr, keine Statements und Kommentare mehr lesen und schreiben, nichts mehr hektisch kaufen, bestellen, tauschen, testen oder konsumieren. Nur noch im Hier und Jetzt den perfekten Duft genießen, für immer. Und ewig. Tag für Tag. Nur den einen. Selben. Elenden. Öden. Nervigen. Oh, wait...


20. Bucht, die: meint den Onlinemarktplatz Ebay, der nach der San Francisco Bay Area benannt ist. Die Nutzer dieser zwanghaft lustigen Umbenennung des Online-Krämers vermute ich unter notorischen Instant-Witzbolden, die immer alles "um die Ecke" zwangsformuliert haben müssen. Die können sich mit solchen Stanzen durch einen kompletten Tag phraseln, ohne einen einzigen selbst und spontan erzeugten Satz von sich gegeben zu haben; sie sagen z.B. mittags zuerst "Mahlzeit", wollen dann "Mensen gehen", sich dort das Tagesmenü "schießen" um danach ins "Gulaschkoma" zu fallen bevor sie "für kleine Königstieger gehen". Wenn sie etwas verleihen sagen sie "Wiedersehen macht Freude!", wenn sie einen begrüßen heißt es "alles Klärchen?" und wenn sie sich (endlich) wieder verabschieden hört man "Tschö mit Ö!". Wegen all dieser und anderer anstrengender, verquälter Schwachsinnsformulierungen wünsche ich mir manchmal, es gäbe einen zweiten Turmbau zu Babel und man würde sie dann einfach alle nicht mehr verstehen müssen. Es heißt einfach nur EBAY, gottverdammt!!

"Auf, steigen wir hinab und verwirren wir dort ihre Sprache, sodass keiner mehr die Sprache des anderen verstehe!"

Einfach nur EBAY!!! UND DOUGLAS!!!!



21. Büroduft, der (auch neudeutsch, bzw. eher nichtdeutsch: Officeduft): eigentlich kein Raumduft, sondern ein Parfum, das geeignet ist fürs Auftragen auf den Menschen im Büro. Das kommt aber ungefähr aufs Gleiche raus: Man versucht in erster Linie, sich der räumlichen Umgebung chamäleonartig anzupassen und dabei nicht allzuviel falsch zu machen, und am Ende riecht man dann halt wie ein Teppichshampoo. Am öde-sichersten ist es hierbei, direkt etwas zu kaufen, was "extra fürs Büro" gemacht wurde. Wäre ja irgendwie beruhigend, wenn das da schon so draufstünde, oder? (wie bei SPORT-Düften! Was haben Menschen früher überlegt, was sie beim Sport auflegen soll und jetzt: zack. Steht schon drauf!). Für solch ganz vorsichtige Richtigmacher bietet sich im Büro nun also der "Office for men" an, für den ->Jeremy Fragrance den honorigen Alberto Morillas gewinnen konnte (immerhin Acqua di Gio, Kilian, Amouage...). Keine Ahnung wie diese Kooperation vonstatten ging. Und keine Ahnung wie "O.f.m." riecht. Vielleicht wie ein souveräner, selbstsicherer, supererfolgreicher Alphatier-Business-Checker. Gääääääähn.

Andere schwören im Forum beim Thema Büroduft eher auf Percifal von PdM, was immerhin einen Tick verwegener klingt, denn war Parzival (ja genau, der mit dem ->heiligen Gral) nicht ein gar kühner Recke und galanter Ritter oder wie das damals noch gleich hieß? Immerhin findet ja ein nicht unerheblicher Teil der Deutschen den Partner fürs Leben im Büro! Also könnte man doch ruhig etwas offensiver sein und im Büro einen auf edler Ritter machen (am besten man hält der Angebeteten dann auch ab und zu die Aufzugtüre auf. Dann passt der Duft sogar zum Verhalten. Stark!). Um aber die Bürokollegen nervlich nicht über Maß durch gewagte Experimente zu strapazieren verzichtet man im Office insgesamt eher auf Opoponax, Zibet, Benzol, Birkenteer & Co. und greift stattdessen auf ->generische Düfte mit bescheidener ->H&S zurück. So passt dann am Ende alles zusammen: grauer Schreibtisch, grauer Anzug, grauer Duft.

Punkt.

Dies galt so bis Anfang 2020.

Dann kam der Gamechanger.

Lockdown! Homeoffice!

Was sollte denn jetzt bitteschön plötzlich ein Home-officeduft sein?! Zoom, Teams und Meet verraten ja vielleicht, ob man sich morgens gekämmt hat, aber nicht, nach welchem Flakon man anschließend greift. Das bedeutet eine plötzliche Freiheit bei der Office-Duftwahl. Niemand bekreuzigt sich im Februar 2021 mehr am Kopierer, wenn man eine Weihrauchschwade hinter sich herzieht, niemand tuschelt mehr am Kaffeeautomat, wenn man montags nach torfigem Whiskey-Absolue riecht, niemand guckt mehr irritiert im Konferenzraum, wenn man im Kunstledersessel nach Leder duftet, und deshalb heißt es nunmehr, bei der Arbeit keine ->olfaktorischen Kompromisse mehr einzugehen, sondern das Motto "Powerhouse statt graue Maus" auszurufen! Den neuen Home-Office-Duft trägt man frei von allen Zwängen, großzügig dosiert mit dem Schüttflacon, bis dann in der nächsten Videoschalte im Bildhintergrund das geliebte Haustier leise keuchend verendet.

22. DNA, die: unverwechselbarer Grundcharakter eines Parfums, einer Marke oder einer bestimmten Linie einer Marke. So gilt z.B. bei Dior homme der vielbesungene "Lippenstiftakkord" (a.k.a. Iris; a.k.a. Möhre) als die DNA der Reihe, gleichwohl sich die zahlreichen ->Flanker (zur Zeit etwa ein Dutzend) durchaus sonst zumindest ein bisschen voneinander unterscheiden. DNA passt auch irgendwie zum Terminus "Duftzwilling" und durch beide Wörter menscheln die Düfte etwas. Schön.


23. Dougletten, die (Plural): Abschätzige Bezeichnung für Mitarbeiterinnen bei Douglas. Eigentlich werden nämlich nur Dinge mit dieser Endung versehen, wie man an Kroketten, Tabletten, Gazetten, Marionetten, Stiefeletten und Servietten unschwer erkennen kann.

Außer den Letten (ich finde, das zählt irgendwie nicht, wenn jemand nur aus Endung besteht) fallen mir lediglich die Soufragetten dazu als menschliche Wesen ein. Das ist doch dann aber für die oft gescholtenen Damen ganz vielversprechend, denn die Soufragetten waren immerhin Frauenrechtler, also natürlich *innen.


24. Duschgelduft, der: obwohl es na klar extrem viele verschiedene Duschgels gibt (Seabreeze von St. Barth, Water Mint von Molton Brown, Ich fühle mich blühend schön von duschdas etc. etc.) herrscht erstaunlicherweise Einigkeit darüber, was mit einem Duschgelduft genau gemeint ist. Faszinierend unlogisch, eigentlich. Uneins ist man sich dann aber in der Frage, ob Duschgeldüfte nun etwas Gutes sind: Für die einen framt der Begriff die prickelnde Verheißung nach frischer Energie, für andere ist er nur ein Reizwort für billig, austauschbar und langweil-aquatisch.

Überkreuz zu Düften, die nach Duschgels riechen, gibt es übrigens auch Duschgels, die nach Düften riechen: z.B. Tom Fords "Oud Wood Shower Gel". Wirklich. Mit dieser Flasche in der Hand kann man besonders im Schwimmbad und ähnlichen öffentlichen Duschorten ordentlich Respekt-Punkte sammeln! Man kann Düfteduschgel und Duschgeldüfte ja auch layern: Erst mit Oud Wood duschen, dann mit Mexx Ice Touch eindieseln. Das beste aus zwei Welten. Geil.


25. Fäkal (Adj.): an Ausscheidungen erinnernde Duftnoten. Hätte ich auch deutlicher formulieren können, aber vielleicht geruht ja jemand gerade zu Tisch zu sein. Betrifft animalische Düfte, meist aus Moschus oder Amber, Zibet, Bibergeil und ähnlichem Drüsenschleim komponiert, aber auch gerne aus Oud, welches mit Kuhstallgeruch bzw. Kuhscheiße verglichen wird (was nicht weiter verwunderlich ist, galt Oud doch lange Zeit als der "neue heiße Scheiß"). Ach und eins noch: Beim "Duft" Stercus von Otto Parisi stammt der Name vom lateinischen Wort für "Kot" ab und daher darf diese Kreation als wegweisend für explizit fäkale Düfte hier nicht fehlen. Entschuldigung! Das wars schon. Wünsche weiterhin guten Appetit.


26. Flanker, der (auch Ableger): Remix eines meist erfolgreichen Parfums mit leichter Akzentverschiebung hin zu (*tiiieeeef lufthol*): essence, eau de Toilette, cologne, blue, extract, anniversary, night, gold, eau de parfum, sport, free, limited, dark, intense, summer, collectors edition, eau fraiche, extreme, was auch immer (alles auch untereinander kombinierbar!). So mancher Originalduft, wenn er denn eine Cashcow ist, wird flankiert von locker über 10 Ablegern, die meist auf der gleichen ->DNA basieren und aus einem ähnlichen Flakon in die Welt blinzeln. Dies kann es den Personalern erlauben, die Hälfte der Kreativabteilung ohne Umsatzrückgang zu entlassen. Übrig bleiben ein paar mies bezahlte Knallchargen, die sich dann Flanker-Namen wie CHANEL ALLURE HOMME SPORT COLOGNE SPORT überlegen. Oft handelt es sich leider auch bei den Düften selbst lediglich um Verschlimmbesserungen, so dass Flanker mit Fug und Recht auch als "Abklatsch" übersetzt werden darf. Auf Parfumo kursiert der dazu passende polemische Begriff des Flankerwahns. Viele Flanker werden hier daher schon ausgiebig mit wütenden Statements bombardiert, bevor auch nur eine Menschenseele daran gerochen hat. Ich schätze übrigens, dass "CK One" am öftesten abgeklatscht wurde, bei Parfumo sind stolze 36 (!) Flanker gelistet. Die arme Melkkuh muss schon ganz wund sein...


27. Fragrance, Jeremy (auch Pirouettenmann, der): manischer Youtuber und Influencer, der fremde und eigene Parfums bewirbt und damit eine junge Generation an das Thema Düfte heranführt. Was Polarisierung, Niveau und Erfolg betrifft, ist er zweifellos der Dieter Bohlen der Parfumwelt.

Dieser Erfolg sei ihm von ganzem Herzen gegönnt, auch wenn ich fast körperliche Schmerzen empfinde, wenn ich sehe, wie er, in schierer Ermangelung passender Worte, immer und immer und immer wieder den Flakon in die Kamera hält, als ob man dadurch endlich ein bisschen darüber erfahren würde, wie der Duft denn nun eigentlich riecht. Darum geht es ihm aber offensichtlich gar nicht und deshalb haben bereits die Namen der einzelnen Youtube-Streifen nichts mit dem zu tun, was mich an Parfüm interessiert: "8 Preis-Leistungs-Sillage-Biester", "20 Top-Crowdpleaser-Cheapie-Flakons zum Feiern", "Top 10 complimentgetter Partydüfte zum Geldsparen mit riesengroßem Sprühkopf", "15 geilste Beeindruck-Preis-Leistungs-Frauen mit guter Haltbarkeit" um nur einige zu nennen. Seitdem ich die Werke von JF kennenlernen durfte, schätze ich jedenfalls noch viel mehr als zuvor, dass die meisten hier auf Parfumo BEGRÜNDEN können, warum sie einen Duft gut oder schlecht finden. Jeremys zahlreiche Jünger (wir reden tatsächlich von Millionen internationaler Follower auf Tiktok und Youtube) kaufen meistens blind, was er da so anpreist, um dann in Scharen auf Parfumo sein Loblied zu wiederholen, noch bevor der Blindbuy zuhause angekommen ist. Woran erkennt man diese Jeremy-Klone hier auf Parfumo? Woran erkennt man überhaupt die Auswirkungen von JF auf Parfumo? Hier sind die Top 5-Merkmale, an denen... meine Güte, jetzt fang ich auch schon damit an. Jedenfalls daran:

[ ] Völlig unmotivierte, sprunghafte und kurzfristige Bewertungsanstiege diverser ->generischer Designerdüfte in den 8-er oder sogar 9-er Bereich.

[ ] Bei ALLEN Düften wird reflexartig gemimimit, dass sie trotz 26 Sprühern nur hautnah und nach 3 Stunden gar nicht mehr wahrnehmbar seien (man sagt der Jugend ja geschärfte Sinne nach, aber das gilt ganz offenbar nicht für den Geruchssinn).

[ ] Denglisch-Murks wie Pantydropper, Complimentgetter, Performance, Batch, Beastmode, blabla in den Statements und Kommentaren.

[ ] Von unterschiedlichen Nutzern wörtlich identisch wiederholte Übernahmen aus Js Videos unter einem Dufteintrag, z.B. "geilster verruchter sexy bad boy Ausgehduft ever" etc.

[ ] Einige wenige vom Guru tief enttäuschte Aussteiger ("Jeremy hat doch gesagt: yippiehjuhu.... aber menno! In echt riecht das total buhuhubää...").

Während Letzere zu entdecken beginnen, dass Duft ganz persönlich wahrgenommen wird, und dass daraus der Reiz einer Plattform wie Parfumo entsteht, werden sich die anderen hier wahrscheinlich schnell langweilen. Macht nichts: Ihr uns ja auch.


28. Generisch (Adj.): Unter generischen Produkten versteht man Gattungsprodukte, die keine besonderen eigenen Merkmale aufweisen und deshalb austauschbar sind. Solche Parfüms werden also nicht bewusst kreativ kreiert sondern fast schon automatisch generiert, was leider Gottes Generationen degenerierter Düfte und -> Flanker zur Folge hat. In der Musikwelt spricht man von "generischem Gedudel", wenn eine Art "typische Fahrstuhlmusik" keinem Komponisten eindeutig zuzuordnen ist und das Stück nach dem Motto "kennste eins, kennste alle" funktioniert. Man scheint sie zu kennen, weil sie nur auf Gefälligkeit poliert und einem so ähnlich schon 1000 mal begegnet sind. ->Olfaktorisches Gedudel nun ist für viele alles, was aquatisch ist, aber auch ->Duschgeldüfte, Zitrusfreshies o.ä.

Für mich ist die Pyramide GRAPEFRUIT - KARDAMOM- SANDELHOLZ generisch. Keine Ahnung, warum.



29. Heiliger Gral, der (vgl.->angekommen): damals wie heute Symbol für die Erfüllung aller Sehnsüchte - hier der Sehnsucht nach dem perfekten Duft. Der Gral verspricht quasi Erlösung von der Sammelsucht. Denn man beachte unbedingt: Einzahl! Also nicht "die 78 Grale", sondern der eine Gral. Das Foto habe ich übrigens von eBay, was ja wohl bedeutet, dass man den heiligen Gral in der Bucht schießen kann. Wenn das der Parzival noch erlebt hätte! Dem Guten wäre vieles erspart geblieben...


30. H&S, die: Schlicht die Abkürzung für Haltbarkeit ("wie lang") und Sillage ("wie doll") und damit die wichtigsten Marker der ->Performance, für einige offensichtlich das Wichtigste an Düften überhaupt. Das Kürzel kommt meist in Statements zum Einsatz und erklärt sich durch die Zeichenbeschränkung dieses Formats. Parfumos, die Düfte nicht nur nach H&S beurteilen, setzen diese Kennzahl in stiller Übereinkunft darüber, was wirklich zählt, erst ANS ENDE ihres Kommentars.


31. Ich kann nicht riechen, aber (feststehende Formel zu Beginn eines Kommentars), gerne auch "Ich habe keine Nase, aber", "Ich kann jetzt nicht wirklich die einzelnen Duftnoten herausriechen, aber", oder: "Bitte verzeiht, wenn ich zu dem Duft an sich nichts schreiben kann, aber".

Eigentlich eine ganz sympathische, klassisch- rhetorische Bescheidenheits-Formel und manchmal aber halt leider auch die traurige Wahrheit.

32. kippen (Verb, meist als Partizip: gekippt): Verderben eines Duftes durch zu langes Aufheben. Auch Seen können durch zuviele Algen kippen und beides riecht dann wirklich schlecht. Bei Düften sind's nicht die Algen, sondern ausgerechnet die teuren Parfümöle, was natürlich ungerecht ist. Man könnte einwenden: "Ein Duft, den man so lange angebrochen lässt, dass er kippen kann, der war wohl auch nicht der Bringer, um den ist's doch dann auch nicht mehr schade, oder?" Stimmt aber nicht ganz, da einige bereits nach wenigen Monaten über den ->Maggi-Jordan gehen. Bei einer größeren Sammlung also fast schon ein Standardproblem. Außerdem können auch geschlossene Flakons kippen. Und umkippen auch, aber der ist jetzt so flach, den verkneif ich mir. Passt auf jeden Fall jetzt nicht nur alphabetisch gut zu:


33. Maggi, das: die charakteristische Duftnote ->gekippter (blumiger) Parfums. Erstaunlicherweise riechen die unterschiedlichsten Düfte gekippt relativ ähnlich. So wie mit Maggi eben auch alles sehr ähnlich schmeckt. Parfumos, denen das schonmal passiert ist, kann man einen üblen Streich spielen, indem man ihnen Maggi unters Essen mischt: Direkt Re-Trauma!


34. Niche, the: = Nische, die, bloß auf englisch. Hört sich niechiger an als bloß Niesche. Klingt in deutschen Sätzen aber nach Sprachfehler, wie Fich essen (vorher Chuppen abmachen!) und erinnert mich an Berti Vogts. Was macht der eigentlich heute? Letzter Eintrag bei Wikipedia: "Ende Februar 2007 wurde er für sechs Jahre in den Kirchenvorstand seiner Heimatgemeinde St. Dionysius in Kleinenbroich gewählt". Läuft bei ihm.


35. Olfaktorisch (Adj. von lat.: olfacere = riechen): "riechtechnisch" oder "geruchsmäßig" auf Gümnasum-Sprache, ist aber dennoch nicht nur zum Angeben da: Da man in Kommentaren ständig übers Riechen schreibt, braucht man halt auch mal ein Synonym, sonst wirds langweilig.


36. Omaduft, der (oder auch: Opaduft, der): natürlich nicht Omas und Opas Eigengeruch, sondern der ihrer Parfums. Bedeutet nur halt für jede Generation etwas anderes, weswegen das Wort ziemlich unklar und relativ bleibt. Man muss eigentlich im Userprofil nach Hinweisen aufs Alter des Nutzers suchen um zu wissen, was er meint. Für mich z.B. sind Opadüfte die klassischen Zitrone-Lavendel-Eichenmoos-Brecher aus den 70-ern, mit weiteren Symptomen wie Koriander, Bibergeil, Labdanum etc. Bei Omadüften ist es meistens das Neroli, was einfach zwingend an 4711 erinnert - tatsächlich bei meiner Oma und ihrer Generation DER unhinterfragte Immergeher (ein Wunder, dass sie damit nicht auch noch gekocht hat!).


37. Patch, der (nein, nicht batch, Patch): Abkürzung, die von terminlich stark eingebundenen Menschen genutzt wird, die schlicht die Zeit nicht haben, Patchouli zu schreiben und vermutlich sonst auch bei Knobi, Caipi, Vegi, Fuffi und Öffis mächtig Endungen sparen. Ich persönlich mag ja die immer als "erdig" deklarierten Patch-Düfte gar nicht allzusehr (liegt aber eher daran, dass sich in der Nähe oft Rose und ähnliches aufhält...), ich bevorzuge eher Zit-Noten, aber auch Veti, Kaff, Zed und Mosch. Und von der Zeit, die ich gerade mit dem Weglassen der lästigen zweiten Worthälften gewonnen habe, werde ich irgendwann im Alter profitieren: Reisen, Essen gehen, neue Hobbys ausprobieren (hier Notiz an mich selbst: evtl. Laubsägearbeiten?!).


38. Performance, die: In einer durchoptimierten, materialistisch-kapitalistischen Leistungsgesellschaft wie der unseren muss selbst ein Parfum performen, was ihm hauptsächlich durch -> H&S gelingt. Kommt glaube ich aus der Werbesprache, die versuchte, Männer für Kosmetika zu gewinnen: zuerst performten Rasierer, Deos und Duschgels (und Alpecin oder wie das hieß), am Ende dann auch Düfte. Man versuchte uns Männer für das ganze Cremezeug mit Adjektiven wie "schnell, stark, laut, Chrome, scharf, Titan, unzerstörbar, unerbittlich, präzise, präzise, präzise" zu gewinnen. Als ob wir so berechenbar und primitiv wären! Da fällt mir ein: Ich muss unbedingt zeitnah ein paar neue Titanium-endless-Controll-Blades für meinen Maximum-Precision-Triple-Speed besorgen. Egal. Wo waren wir? Richtig: Manche Düfte nun performen analog zu ihrem Besitzer: Es gibt Blender-Düfte für Blender, die mit ihrer Kopfnote einen auf dicke Hose machen und dann, wenns drauf ankommt, versagen. Und es gibt leise Vertreter für stille Gewässer, mit dafür umso längerem Atem und einer späten Schönheit im Drydown. Manche Düfte performen aber auch genau umgekehrt zur Performance ihres Trägers: Da strampelt sich ein "sport eau fraiche" auf der faulen Haut eines Couchpotatos ab, oder ein Landschaftsgärtner trägt einen ->Büroduft, ein Nichtraucher genießt Tobacco Vanille und ein Vegetarier testet sich durch die Zoologistreihe.

In jedem Fall aber beginnt die Aufführung mit dem Aufsprühen und endet mit dem letzten erriechbaren Duftrest auf der Haut. Und dann: Applaus! und "Zugabe!" Und manchmal auch: Pfiffe! und "Geld zurück!!".


39. Schockverliebt (Adj.): sofortige extreme Zuneigung zu einem Duft. Direkt 10/10. Das Beste, was man über die Erstbegegnung mit einem Parfüm schreiben kann. Ist aber wie im echten Leben noch keine Garantie für eine dauerhafte Beziehung. Menschen haben ja auch irgendwie Kopfnoten und können damit einen guten ersten Eindruck erzeugen. Liebe auf den ersten Blick heißt aber noch nicht, dass man seinen Signaturemenschen gefunden hat, den ->heiligen Gralsmenschen, bei dem man ->angekommen ist und mit ihm zusammen sein möchte bis er ->vintage ist und ->kippt . Ok, ich hab mich jetzt in dieser Analogie irgendwie verheddert. Schnell zum nächsten Punkt:

40. Vintageduft, der: eine Art Sammlerstück: Der Duft ist zwar nicht mehr erhältlich, aber man hat vorausschauend gehortet oder nach langer Suche auf dem Flohmarkt zugeschlagen (und die kleinen Rotzlöffel schön runtergehandelt) und dann hat man eben ein Vintageparfum, das ist doch wunderbar. Aber die Probleme fangen leider jetzt erst an: Soll man es benutzen und damit Allergien und Kleidungsverfärbungen (durch mittlerweile verbotene, aggressive Inhaltsstoffe) riskieren? Oder soll man noch mehr davon sammeln für die (aber höchst wahrscheinlich verständnislosen) Erben, die nach dem Dahinscheiden des Parfumos alles zurück auf den Flohmarkt tragen oder es sogar in die Tonne treten? Oder soll man die Schätzchen als Investment im Tresor wegschließen bis sie womöglich ->kippen? Schwierig.


41. Wurde zuletzt von xy vermarktet, es (Information unter einem Dufteintrag): Ein gar unheilvoller Trigger, der jeden, der dies unter seinem Lieblingsduft liest, aufschrecken lässt: was heißt denn hier ZULETZT vermarktet??? Wer vermarktet ihn denn JETZT??!! In diesem Moment??? Niemand??? Steht er alleine, unvermarktet, womöglich frierend am dunklen Landstraßenrand und weint bitterlich in sich hinein? Die Formulierung zieht ja nämlich deshalb so schlimm an den Nerven, da sie an True-Crime-Content gemahnt: "Der Junge wurde zuletzt von Nachbarn auf dem Weg zur Schule gesehen". Da läuft's einem doch kalt den Rücken runter. Schlimmer ist nur noch: "Die Suche nach dem Jungen wurde eingestellt", respektive: "Die Produktion wurde offenbar eingestellt". Da hilft dann wirklich nur noch ->Vintage bunkern.

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