Bobby
Bobbys Blog
vor 2 Jahren - 16.01.2022
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WÖRTERBUCH PARFUMO-DEUTSCH (TEIL 4)

ALzD (Kürzel): "Aus Liebe zum Duft" ist der Firmenname einer der bekanntesten (und ältesten) Online-Parfümvertriebe.

Beliebt ist ALZD vor allem wegen der Verfügbarkeit seltener Nischendüfte, aber auch dem Verkauf von recht günstigen 2ml- Duft-Proben ab 4 Euro. Leider vor allem wegen letzteren ist ALZD einer meiner absoluten Endgegner, wenn ich versuche sparsam zu sein... Manchmal denke ich fassungslos: "Hättest du damals gedacht, wie viel Geld Du irgendwann dort lassen würdest, ALZDu zum ersten Mal auf dieser Seite warst?!".

Naja: Zum Glück weiß ich es nicht genau. ALZD verkörpert jedenfalls für mich am besten das, was ich meine persönliche "Parfümsucht" nennen würde.

Dabei ist es fast schon unlogisch, dass es so weit kommen konnte, da es einem der Web-Auftritt der Seite wirklich nicht gerade leicht macht: Als Pionier-Internet-Parfümerie gestartet, gestaltet sich die Navigation auf der Homepage für heutige Maßstäbe doch etwas mühselig. Das fängt schon im Menü an: Es gibt den Reiter PARFÜM und es gibt MÄNNER. Was soll ich denn jetzt anklicken, wenn ich Männerparfüm suche?

Sowas kann mich schon mal zum Grübeln bringen.

Es geht dann weiter mit einer recht umständlichen Filterfunktion, außerdem springt man immer mal wieder plötzlich unfreiwillig auf der Seite nach ganz unten, und schließlich ist auch noch der Bezahlvorgang eine einzige Herausforderung, nicht in erster Linie, weil man eine Datenschutzerklärung, die Nutzungsbedingungen und noch irgendwas drittes anklicken muss, sondern weil man auch die Versandart angeben muss, obwohl es nur eine gibt, weil man außerdem aus irgendeinem Grund nicht einfach auf "bezahlen" klicken kann und noch einiges Spannendes mehr. Jedenfalls scheint die Seite wohl noch nicht für Handys optimiert... Eine Erklärung für diesen Neuland-artigen Kampf mit der Digitaltechnik liefert, so denke ich, das "Gästebuch" der Seite: Die werten Unterzeichnerinnen heißen dort Waltraud, Petra, Heiderose, Roswitha, Ursula, Renate und Birgit und sie schreiben Wörter wie "herzerwärmend", "Packerl", "Volltreffer" (Kriegsmetaphorik!!), "entzückt", "dufte", "flott" und "zauberhaft".

Da ists bis zum Uschi Glas- und Peter Alexander-Film jetzt nicht mehr so sehr weit.

Trotz der genannten Schwächen der Homepage kann ich aber kaum dort "vorbeigehen" ohne etwas zu bestellen, was bestimmt auch an den lyrisch-leckeren Duftbeschreibungen liegt. Beispiel gefällig: "Dieser Duft ist ein holziger Nektar, der um eine cremige Zeder mit Safranakzenten gebaut wurde". Welcher fühlende Mensch bitte kann denn das jetzt nicht sofort testen wollen?

Zwar ist man mit ein paar Proben auch ohne Flakonkauf immer ganz schnell bei 20-30 Euro pro Sendung, aber gegenüber einer wilden blindbuy-Phase, die jeder Parfumo irgendwann zu Beginn mal durchmacht, ist das ja zumindest ein bisschen rationaler. Noch besser ist nur der Parfumo-Souk. Oder natürlich es alles einfach sein lassen.

Aventusvergleiche, die: Es ergibt zwar für die Leser von Rezensionen sehr viel Sinn, bei der Beschreibung eines Duftes andere Düfte zu erwähnen, die z.B. ähnlich wahrgenommen werden, aber die Aventusvergleiche sind wirklich auch nach all den Jahren noch immer inflationär und zeigen eine geradezu absurd-manische Fixierung auf das EINE Parfum, interessanterweise aber meist mit folgender akrobatischer Gedankenverrenkung im Hintergrund:

1) "Ich liebe Aventus."

2) "Das hier riecht so ähnlich wie Aventus."

3) "Deshalb habe ich es gekauft."

4) "Alter, das riecht gar nicht genau wie Aventus."

5) "Deshalb mag ich es nicht."

6) Finde den Fehler...

Aquat, der: Bezeichnung für einen Duft, der versucht, nach Wasser zu riechen. Das ist nicht leicht, weswegen Pierre Bourdon innovativerweise dereinst versuchte, dies künstlich zu erzeugen, indem er für den Klassiker Cool Water Dihydromyrcenol, Ambroxan und Allylamylglycolat zusammenrührte.

Leider dominiert aber am Ende der bei mir verhasste Lavendel den Duft, und der ist damit, wie alle blumigen Aquaten, leider ein ->Kopfschmerzkandidat für mich.

Der perfekte Aquat würde nun natürlich nach NICHTS riechen, da Wasser auch keinen Eigengeruch hat. Also was passiert? Aquaten riechen nach allem, nur nicht nach Wasser. Dafür nach jeder nur erdenklichen Assoziation, die man zu Wasser haben kann, wie etwa Algen, Moos, Seerosen, Salz, Haarshampoo, Sonnenmilch, Fisch, Seife, Pommes mit Mayo, Regen im Kaffee, Duschgel im Abfluss.

Zwei Häkchen muss man als Parfumeur bei der Herstellung eines Aquaten setzen, dann ist man mit der Checkliste auch schon durch:

1) Hauptsache der Flakon ist blau oder türkis

2) Hauptsache der Name enthält wahlweise die Wörter eau, acqua, water, bleu, blue, blu, bleue, ocean, sea, mare, marine, sailing, voyage, atlantique, pacifique, rain, cool, pool, spa, island oder costa. Wer ganz besonders dick auftragen will, kombiniert auch noch, also in etwa "Eau ocean spa" oder "Blue island pool" bzw. "Costa acqua marine" etc.

Lange Rede, kurzer Sinn: Der wirklich allerbeste Aquat wäre schlussendlich natürlich... Wasser.

Nur Wasser.

Einfach ganz authentisch abgefüllt in einen, sagen wir, Zahnputzbecher-artigen Flakon. Ich hab dahingehend übrigens schon ziemlich konkrete Marketingpläne, die sich im wesentlichen um das Zentrum einer gigantischen Gewinnspanne drehen.

Baccarat Rouge 540, Eau de Parfum (Duft). Beginnen wir mit einem Zitat aus den Parfumo-Rezensionen: "Ich frage mich ob BR540 das ausdrückt was man möchte wenn man Nischendüfte trägt, nämlich Individualität, Exclusivität, Stil, etc. Ich bin mir nicht sicher ob BR540 alles das noch bietet".

Berechtigte Frage, werte Nutzerin, sehr berechtigte Frage...

Baccarare Rouge 540, von zeichensparenden Menschen, wie oben gesehen, auch BR 540 genannt, ist ein 2016er-Duft aus dem Hause MFK. Offiziell als unisex gelabelt, fasziniert er doch in erster Linie (jüngere) Frauen. Das Marketing, also die Grundlage des Hypes, erfolgte vor allem über Tiktok, wo die Influencerinnen ihren Schwerpunkt auf zwei "Argumente" legten, nämlich dass der Duft

A) "reich", bzw. "nach Geld" riecht und

B) man ihn "entweder hasst oder liebt". Solcherart geframt klingen dann auch die Rezensionen, hier eine auf Douglas.de: "Mein absoluter „Signature Fragrance“! Riecht nach purem Luxus und Geld. Entweder man liebt oder hasst ihn. Bei mir ist’s klar. :-)".

Ja nee, is klar.

Der Hashtag #baccaratrouge540 ist auf Tiktok mittlerweile fast 60 Millionen Mal angesehen worden (sagt man das so?). Dass Rihanna den Duft angeblich mag, ist dabei dann ja mittlerweile eher eine Reminiszenz an die ältere Generation; dass wiederum der Lieblingsdupe ("Cloud") von Ariana Grande kommt, passt schon eher in die eigentliche, junge Zielgruppe.

Im Baccarat-Hotel auf der 5th Avenue nervt zumindest BR540 nun mittlerweile seit einigen Jahren als Raumduft mit seiner "Überdosis von allem", wie sein Schöpfer Kurkdjian selbst zugibt, der es gleichwohl selbst als sein "Meisterwerk" bezeichnet hat.

Fast 1600 Bewertungen auf Parfumo und gut drei Kilometer Kommentartexte für Euch knapp zusammengefasst, ist mein Eindruck schlussendlich der folgende:

Was für Männer Aventus, ist für Frauen BR540.

Nämlich: Eine Projektionsfläche für fast alles, was dieses Leben für uns bereit halten kann, von ganz großer Liebe über Reichtum, Erfolg und Eleganz bis hin zu unerfüllten Sehnsüchten, Enttäuschung, Desillusion, Frust, Duftblindheit, Jahrmarkt, Katzenpisse und Puff. Achja und Zahnarzt. Muss ja auch manchmal sein. So ist das Leben.

Großes Kino also in kleinem Glase.

Was will man mehr?

Sogar die elende Batchdiskussion haben die Damen eifrig von den Aventusjüngern übernommen, genauso wie die Jagd nach Dupes und Clones, wohl weil das Original, wie schreibt man dann so "schön", eine schlechte P/L hat, also auf gut Deutsch teuer ist, genau gesagt nämlich 215 Euro für 70ml.

Aber hey - wie riecht das Zeug denn nun überhaupt?

Also jetzt außer nach Geld und so...

Objektiv-technisch gesehen sorgt Ethyl Maltol für beißende Süße, wohingegen mineralisches Ambroxan (mal wird auch Ambra ausgewiesen, mal auch Ambergris) für Animalik sorgt, was zwei seltene Gegenspieler und damit ggf. ein Grund für die Faszination sind.

Fürs subjektive Empfinden lassen wir aber doch lieber zuletzt nochmal die Kommentare auf Parfumo sprechen:

"Ein Gemisch aus Leukoplast, Wundgaze und sterilem Verbandmull", bzw. "billige Zuckerwatte (meine Tochter (7 J) trägt ihn manchmal deshalb gerne", oder auch: "Katzenurin", bzw., schmerzlicherweise dieses Thema dann noch etwas ausführlicher:

"Also ich komme mit nem’ Eimer Zuckerwatte und meiner Katze zum Zahnarzt. Sie pinkelt in die Ecke und beim begutachten meiner Zähne tadelt mich der Zahnarzt, ich solle nicht soviel Zuckerwatte essen".

Ich schwöre, ich hab das nur kopiert und wieder eingefügt.

Und jetzt kann ja dann aber auch jeder selbst entscheiden.

Darf in keiner Sammlung fehlen (Phrase): Aha.
Direkte Gegenfrage: Warum genau eigentlich nicht?
Kommt dann sonst...
a) ...die Alle-müssen-genau-gleich-langweilig-riechen-Polizei und ahndet die Tatsache, dass Alberto Morillas sein fünftausendstes Bergamotte-Zeder-Tonkabohne-Genericum nicht auch in deinem Badschrank parken durfte als eine Ordnungswidrigkeit? Oder gar Straftat?
Oder ist da wohl...
b) ...jemand ein bisschen arg sendungsbewusst unterwegs und will uns glauben machen, sein Geschmack sei nun Gesetz für alle?
Viel sinnvoller wäre doch die Kategorie "muss in jeder Sammlung fehlen". Da hätte ich wirklich ein paar Vorschläge...
Aber Polemik beiseite: Was man in diesem Leben und auf dieser Welt tatsächlich besitzen MUSS sind eigentlich nur zwei Düfte, da sie nunmal einfach die besten Düfte aller Zeiten auf diesem verdammten Planeten sind: Aventus und BR540. Kauft sie euch NOCH HEUTE.
Na los, los.

Duftbrief, der: Synonym für eine Sendung mit Duftprobe oder Flakon, den ein Parfumo dem anderen zuschickt.

Früher sprühte man ja seine Liebes-Briefe direkt mit Parfüm ein und ich finde, genau so klingt das Wort "Duftbrief" irgendwie, und diesen Brauch könnte man eigentlich dann auch wieder einführen. Aber natürlich jeder Duft für sich immer in separaten Briefumschlägen, sonst hat man nach langer, geduldiger Suche im Souk endlich jemanden gefunden, der den gesuchten Traumduft (sagen wir Oligarch pour homme) vertestet, und dann sprüht dieser Jemand einem aus purer Freundlichkeit noch ein paar Stöße von Manceras Aoud Black candy auf den Bogen und das ist dann zwar zweifellos innovativ gelayert, aber halt trotzdem nicht sehr hilfreich.

"Dunkel und kühl gelagert": Versprechen im Souk. Sicher, am Ende unserer Tage erwartet uns das alle, aber hier ist etwas anderes gemeint, nämlich die qualitätsverheißend wertige Beschreibung im Souk, die den gutsituierten Qualitätsparfumo ohne Zögern gerne zugreifen lässt. Man ahnt sofort: Da pfuscht kein Anfänger rum, da wirft einem kein banausiger Amateur irgendwelche halboffenen Fläschchen gekippter Mogeldüfte in den Umschlag, hier nicht.

Vielmehr wird direkt nach der Anfrage über die Kontaktfunktion nämlich per Satellit eine Bluetooth-Anfrage an die Smarthome- K.I. übermittelt, die den gut gepanzerten Parfümkeller unter dem Anwesen des anbietenden Parfumos bewacht. Der hauseigene Duftsommelier zieht sich daraufhin Samthandschuhe über und gleitet auf schmutzreduzierenden Galoschen durch das aufwändig heruntertemperierte Kellergewölbe.

Auf diesem Niveau machen eben Kleinigkeiten den Unterschied.

Nur das Nachtsichtgerät und die jahrzehntelange Erfahrung sorgen für die notwendige Orientierung im weitverzweigten Tunnelsystem. Zu helles Licht könnte grüne Düfte vorzeitig keimen lassen, heißt es.

Vor dem entsprechenden Safe angekommen, wird fachmännisch der Code eingegeben und der angefragte Duftflakon dann äußerst sorgfältig, aber dennoch zügig dem Humidor entnommen. Während der Hubschrauber bereits mit laufendem Rotor auf dem Dach wartet, wird vom Hausherrn höchstpersönlich noch ein letztes Mal der Batch gecheckt, die Temperatur gemessen und der Füllstand digital ermittelt. Dann wird versiegelt und ab geht's in den ->Wunschversand.

Kopfschmerzkandidat, der: körperlich schwer erträglicher Duft. Es gibt die, von dem einem schlecht wird und die, von denen man Kopfschmerzen bekommt. Erstere sind für mich etwa diverse Animalik-Unfälle, letzere eher alles, was mit Blumen schiefgehen kann, jenseits von Parfüm aber auch Getränke und inzwischen vor allem auch Menschen. Man sagt das viel zu selten: "Alter, wirklich schön, dass es dir gutgeht und danke auch für dieses "Gespräch" oder was das da gerade war, aber du bist für mich mittlerweile leider echt ein Kopfschmerzkandidat".

Nette Beigabe, die: Gratisprobe, die einem ->Duftbrief beiliegt. Natürlich ist hierbei nicht die Beigabe nett, sondern der Absender. Keine Frage. Es ist aber ein bisschen wie beim Trinkgeld: Wenn alle es machen, ist es dann überhaupt noch ein Zeichen von Aufmerksamkeit? Nun, ich persönlich denke schon, denn es kommt vor allem darauf an, WELCHE Beigabe es ist. Eine 2 Jahre alte Mainstreamlangweiler-Probe aus der Parfümerie? Oder eine liebevoll ausgesuchte, zum Adressaten passende, eigens abgefüllte Rarität? Manchmal ist auf diese Weise die Beigabe besser als die Bestellung, daher bin ich insgesamt ein großer Fan davon. Manche Parfumos sind ja so cool und checken sogar die Merkliste des Bestellers, um ihm eine Freude zu machen. Das ist nun wirklich mindestens "nett"!

Neu, nur kurz angesprüht (Anmerkung im Souk). Ich sag mal so: Was würde jemand, der so etwas schreibt, wohl sagen, wenn er oder sie im Restaurant ein Getränk serviert bekommt mit den Worten "Neu, nur einen Schluck weggetrunken"? Oder er kauft bei H&M einen 3er-Pack Unterhosen und an der Kasse murmelt der Verkäufer etwas von "Neu, nur ganz kurz getragen"? Oder er kauft bei Rossman eine Packung Klopapier und... naja und so weiter. Das Wort NEU hat nunmal eine Bedeutung, im Sinne von es bezieht sich auf ein eng definiertes Phänomen aus der sogenannten "Realität": Nicht benutzt. Quasi gar nicht benutzt. Letztlich völlig unbenutzt.
Geht doch.

Wunschversand, der: verheißungsvolles Versprechen in Soukangeboten: im Glas? Im Plastikzerstäuber? Mit der Puderquaste? Versichert? Mit Nachweis? Gepolstert? Gepämpert? Alles möglich! Aber Achtung: Das bedeutet dann auch unterschiedliche Endpreise, teilweise bis auf den unrunden Cent genau und präzise kalkuliert.
Einige Parfumos bieten sogar "Brieftaube" "Drohne" und "Fahrradkurier" an.
"Persönlich vorbeibringen" habe ich noch nicht gesehen, fände ich aber mal spannend.

[Die Marke xy] und ich werden keine Freunde mehr (feststehende Phrase). Wenn man eine Marke immer wieder testet, sie einen aber einfach nicht überzeugen kann. Warum nur versucht man es dann aber immer wieder? Ich persönlich kann das Beispiel von mir und Mancera mal so beantworten: Gute Namen, schöne Flakons, verlockende Duftpyramiden und vielversprechende Kopfnoten haben mich die Marke trotz wiederholter Enttäuschung öfters testen lassen. Oder noch schlimmer Bond No.9: Das klingt immer alles so lecker... und am Ende sitz ich dann wieder vor einem riesigen Haufen mit künstlichem Obst und muss zuhause 2 Tage lüften. Bei aktuell um die Null Grad rum.
Der Winter und ich werden auf diese Art und Weise natürlich auch keine Freunde mehr...

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