PARFÜM & KLEIDUNG
Der Gedanke, Parfüm und Kleidung zu vergleichen ist nun nicht sehr originell. Trotzdem möchte ich ihn einmal sozusagen zuende denken. Nicht umsonst sind es gerade Bekleidungshäuser wie Armani, Boss, Gucci, Dior oder Chanel, die neben ihren Modelinien auch renommierte Düfte herausbringen.
Auch spricht man ja davon, ein Parfum, genau wie Kleidung, zu tragen. Und so lassen sich in etwa folgende Gemeinsamkeiten zwischen Kleidung und Parfüm feststellen:

Saisonalität
Der Einsatz von Mode wie auch der von Parfum variieren je nach Jahreszeit, Wetter und Temperatur: Im heißesten Sommer einen Wollpullover zu tragen scheint ähnlich unpassend wie ein Zimt-Patchouli-Parfüm im Freibad. Und andersherum: Mit flüchtigem Zitronencologne oder nur im Spaghettitop zum Skifahren? Eher nicht.
Es gibt zudem Übergangsjacken- und Parfüms. Beide sind allerdings akut vom Klimawandel gefährdet, da der ja immer mehr zum Extremwetter tendiert.
Und zuletzt gibt es als Ausnahme zur Saisonalitätsregel seltene Immergeher wie Jeanshosen oder #CKOne.
wechselnde Modetrends
Das Eichenmoos der 70-er passte schön zu großen Hemdkrägen und Schlaghosen. Die Schulterpolster der 80-er haben ihre Entsprechung in den Powerhousedüften dieser Zeit. Und: Trends kommen wieder. Und: Man kann sich den Trends auch verweigern und einfach 40 Jahre lang von Ebayflakons oder Secondhandmode zehren.
Bezüglich aktueller Dufttrends habe ich den Überblick verloren. Da war der Rote-Schrift-Sport-Flanker-Trend, der Oudtrend, der Iso-Molekültrend, der Junge-Leute-riechen-nach-Zuckerwatte-Trend und danach weiß ich dann nicht mehr.

Kollektionen und Flanker
Tatsächlich gibt es vom schwäbischen Erfolgsparfüm #BossBottled zur Zeit 29 Ableger, von Tonic über Sport bis hin zu Oud. Vergleichen lässt sich das mit einer Sneakersammlung oder einer Reihe ähnlicher Anzüge für verschiedene Anlässe. Negativ gesprochen geht es um eine Cashcow, die bis zum Umfallen gemolken wird. Positiv gesehen erhält man als Fan immer neue Anlässe, seine Sammlung zu erweitern. Nehmen wir an, diese 29 Boss-Flanker nebst Apfel-Zimt-Original kosteten im Schnitt realistische 45,- Euro pro Flakon, müsste ich, um sie alle zu besitzen, stolze 1350,- Euro investieren. Dafür bekomme ich aktuell 36 Hugo Boss-Aktien zum Preis von je 37,35 Euro. Jeder entscheide hier nun selbst, welches Geld besser investiert ist...
Anlässe
Es gibt Sportmode und Sportdüfte, Ausgehklamotten und Date-Düfte, Bürokostüme und -Parfüms, Wanderstiefel und Segelschuhe, Weihnachtsparfums und nach-der-Dusche-Düfte, Schlafanzüge und Kuscheldüfte, Skibekleidung und Gartendüfte, kurz: für jeden Anlass etwas.
Tragezeit
Achtung, mal kurz philosophischer deep-shit: Manche sagen, der Reiz des Lebens bestehe in seiner Endlichkeit. Der Reiz von Mode und Parfüms nun ist ebenfalls das Vorübergehende, das Zeitweilige, dass es ermöglicht, eine Laune, Stimmung oder Tagesform damit zu untermalen oder ihr entgegenzuwirken. Für letzteres ein Beispiel: Der Seelenschmeichelduft, der gegen die Prüfungsangst helfen soll oder der spritzige Orangenduft, der den Novemberblues verdrängt. Dieses Situative macht also auch den Reiz von Mode und Kleidung aus und beides ist dadurch flexibler und öfter änderbar als eine Frisur, ein Auto oder der Zustand der körperlichen Fitness. Zudem sind die Tragezeiten annähernd ähnlich: Man entscheidet sich für ein Tagesoutfit, aber wenn man abends noch weggeht, zieht man sich nochmal um. Ebenso wird der dezente daily-scent ggf. abends nochmal durch eine Weggeh-Wumse ersetzt.
Geschmackssache
Genau wie die Bewertung von Mode ist die von Parfum subjektiv. Dass dieser Satz überhaupt geschrieben werden muss ist ja eigentlich lachhaft, aber wie oft liest man auf dieser Plattform hier, dass ein Duft eben so oder so sei, keine Diskussion, alle anderen irren sich? Eben...
Wäre die Bewertung objektiv, trügen wir alle die gleichen Klamotten und das gleiche Parfüm. Eine geschmackshomogenisierte Armee gesichtsloser Horrormasken würde auf ewig mit...
OK, ich übertreibe.
dezent vs. auffällig
Parfüm ist meiner bescheidenen Meinung nach am besten, wenn es mit dem Eigengeruch und der Hautchemie verschwimmt und nicht mehr so explizit separat wahrnehmbar ist. Auch Mode kann auf diese Weise ganz hintergründig den perfekten Rahmen für das eigene Auftreten schaffen. Mode dagegen, die um ihrer selbst willen auffällt ist eher peinlich - seien es dicke Goldketten oder knallrote Sneaker, auf Parfümseite entsprechend Gerüche, die zu aufgesetzt wirken, wie ein sehr starker Karamellgeruch, bei dem man sich einfach nur fragt, was der soll, außer nach Karamell zu riechen. Soll das eine Duft-Schnitzeljad sein? Muss ich jetzt noch jemanden suchen, der nach Brathähnchen riecht und dann habe ich gewonnen?!
Hilfsmittel zur Partnersuche
Man kann sich kleiden und parfümieren, um sich selbst wohlzufühlen. Man kann sich aber auch bewusst für andere versuchen attraktiv zu machen. Das kann selbstredend lächerliche Ausmaße annehmen, vor allem aber sollte man nicht den Fehler machen, nur darauf zu setzen. Wer also stundenlang recherchiert, welchem Parfüm das andere Geschlecht vollkommen willenlos ausgeliefert sei, der vergisst, dass das am Ende nur ein Geruch ist, so wie die Kleidung eben eine Körperbedeckung. Außerdem gibt es Outfits, die diesem oder jenem gefallen könnten, ebenso wie Düfte, die dieser oder jener Person gefallen könnten. DAS Aufreißeroutfit schlechthin zu suchen ist aber ebenso vergeblich investierte Lebenszeit wie den einen Pantydropper-Duft finden zu wollen. Ich weiß noch, dass ich bei meiner Suche nach einem "beliebten Duft" zu Beginn meiner Parfumozeit mal bei #fierce hingenblieb. Das war DER heiße Scheiß damals in der Community. Ich saß zuhause mit meinem Proberöhrchen davon und dachte nur: Teppichreiniger? Echt jetzt? Sind Frauen wirklich so?
teuer vs. günstig
Es gibt ganz unscheinbare Outfits, die ein Vermögen gekostet haben. Es gibt ganz simple, geradlinige, einsilbige Parfums für hunderte von Euros. Es gibt gefakte Diamatbesätze und falsche Pelze, penetrante Stinkbomben, generische Billig-Duschgelnebelmaschinen und große Schätze für wenig Geld. Über Geld für Mode und Parfum sollte man nicht sprechen. Es gibt nur eine einfache Regel: Erlaubt ist, was gefällt. Wert und Wert sind nicht das Selbe.
sinnlose Superlative
Hat man schonmal jemand sagen hören, dass er das weißeste T-Shirt, die härtesten Schuh-Sohlen, das bunteste Hemd oder den glattesten Mantel hat? Nein, oder? Warum sollte es dann sinnvoll sein, das starkriechendste, langanhaltenste Parfum zu suchen? Eben. Das sind mal so richtig unsinnige Kriterien, zumal, wenn man sie zu objektiven Qualitätsmerkmalen erhebt.
Mainstream vs. Nische
In Köln sieht fast jeder Einwohner so aus, als wäre er eine zum Leben erweckte Schaufensterpuppe von H&M. Jede Form von optischer Abweichung hebt man sich für Karneval auf. In Berlin dagegen gibt man sich noch richtig Mühe, ganzjährig nischig rumzulaufen. Bei Parfums gilt zumindest eine Gemeinsamkeit diesbezüglich: Mainstream kann zwar langweilig sein, aber anders ist nicht unbedingt besser. Bzw: Dass Millionen Menschen einen Duft mögen, heißt manchmal überraschender Weise halt auch, dass er gar nicht so schlecht ist.
Herren, Damen, Unisex
Diese drei bilden eine unauslöschliche Einteilung von Mode und Parfüms, auch wenn gerade die dritte Kategorie die ersten zwei irgendwie wieder infrage stellt und auf einige immernoch irritierend wirkt, diversity hin- oder her. Richtig mutig ist es aber, sich selbst explizit etwas fürs andere Geschlecht zu kaufen: Es gehört schlicht Chuzpe dazu, sich als Mann einen lilanen Flakon mit Blütendeckel ins Bad zu stellen oder als Frau Boxershorts mit Eingriff zu tragen.
Dupes
Zara, H&M, Asos und Primark, sie alle kopieren die große Laufstegmode aus Paris und wasweißichwohersonstnoch. Jedes Portemonnaie kann sich auf diese Weise den Duft oder den Stoff der großen weiten Welt leisten, wenn auch, modisch gesehen, in schwitzigem Polyestergewebe oder, olfaktorisch, als Bückware bei Lidl.
Meine Theorie: Genau deswegen muss im nächsten Jahr dann eine neue Modelinie entworfen werden, damit man sich erneut (für zumindest kurze Zeit) vom Pöbel abgrenzen kann.
Bei den Düften sind es auch immer im Nachhinein die teuren, erfolgreichen Meilensteine, die unweigerlich eine großes Gefolge von Klonen hinter sich herziehen. Uneinholbar hierbei ist vermutlich Aventus.
Und in der Modewelt? Vielleicht Grace Kellys Hermès-Tasche? Günstigster Preis eines Dupes dafür zur Zeit: 59,95 Euro. Ein Original, (second hand!) für 217.751,30 Euro. Ganz so groß sind die Preisunterschiede bei Parfüm nun zum Gück nicht... Zum Vergleich: Aventus original 165,- Euro und der günstigste Dupe Eclat 700 VIP für 23.95.
online vs. offline
Düfte muss man testen, Kleidung muss man anfassen und anprobieren. All dies geht am Besten in einem sogenannten "Geschäft", die Älteren werden sich erinnern. Allerdings ist der Onlinekauf von Mode doch deutlich risikoärmer, da man ja doch fast alles rückstandslos retournieren kann. Nicht so Düfte: Der Blindbuy ist nach wie vor eine wilde, irrationale Aktion, die finanzielle Unabhängigkeit ebenso dokumentiert wie sanft flackernden Wahnsinn.
Klassiker
Das Kleine Schwarze oder Shalimar von Guerlain? Zeitlose Stilikonen, unvergessen und immernoch gern gekauft und getragen. Kann man nicht ignorieren, da oft zitiert, verändert, variiert. Muss man nicht haben, aber fühlt sich cool an. Man steht plötzlich in einer Reihe mit Audrey Hepburn (das Cocktailkleid!) oder Marilyn Monroe (Chanel Nr.5!) oder Steve McQueen (Persol Sonnenbrille!) und bildet sich kurz ein, dass diese Menschen nicht aufgrund von Talent so berühmt wurden, sondern nur aufgrund dieses Duftes oder Kleidungsstücke, dass man quasi die Grenze zwischen Alltag und Glamour durch eine simple PayPal-Überweisung überwinden könnte.
im Schrank verstaubt
Jeder hat die Kleidungsstücke, die man, Marie Kondo zum Trotz, niemals trägt und dennoch aufbewahrt. Und so ist es mit Düften: Es gibt immer diesen einen Flakon, der einfach nicht leer werden will. Wegwerfen? Verkaufen? Verschenken? Geht irgendwie nicht, weil man sich den Fehlkauf insgeheim nicht eingestehen will. Irgendwann kommt schon der Anlass, wo man das tragen wird! Die Hochzeit der eigenen Urenkel vielleicht oder die Inauguration der ersten US-Präsidentin oder das jüngste Gericht oder so etwas in der Art eben.
jemand anderes trägt das Gleiche
Das komische Gefühl, wenn man jemandem gegenübersteht, der den gleichen Mantel oder den gleichen Rock trägt. Das komische Gefühl, wenn man jemandem gegenüber steht, der genauso riecht wie man selbst. Komisch: weil man ja einerseits einzigartig sein und seine Persönlichkeit durch Kleidung und Duft unterstreichen möchte. Komisch: weil andererseits natürlich auch etwas Anerkennung mitschwingt: Guten Geschmack hast du da! Ist ja auch immerhin meiner.
Erinnerungsmedium
Ein Duft kann einen in einer Zehntelsekunde viele Jahre zurückkatapultieren. Das unerwartete Auffinden von Kleidungsstücken aus einer anderen Lebensphase ebenfalls: Man denke an ein Kleid, das man im Urlaub trug, oder gar das Hochzeitskleid, oder der Konfirmationsanzug, ein Lieblingsjogginghose etc. Das Ganze funktioniert bei Düften besser, das hat irgendwas mit dem Stammhirn zu tun, das gleichzeitig für Gerüche und Erinnerungen zuständig ist. Am besten würde es funktionieren, wenn man ein altes Kleidungsstück hinten im Schrank findet, das immernoch nach dem Parfum von damals duftet.
Hach.

der ewige Rentnercode
#4711 ist ein universelles Erkennungszeichen unter Menschen, die der Arbeitswelt verdienter Maßen den Rücken kehren durften und jetzt beige Funktionskleidung tragen.
Soweit so klar. Frage bloß: Wird sich dieser Code auch irgendwann mal ändern? Es muss doch eigentlich so sein, dass man die Duft- und Bekleidungsmoden seines Lebens mit ins Alter nimmt, oder? Werden Rentner also dereinst #Diorsauvage tragen und New Balance Sneaker?
Fazit:
Kleidung und Mode haben zahllose Entsprechungen. Diese nachzuvollziehen kann dazu beitragen, absolute Aussagen über Parfüm zu relativieren. Beides, Kleidung und Düfte, sind "nur" ein Spiel. Sie werden subjektiv wahrgenommen und dienen dem erweiterten Ausdruck des eigenen Geschmacks und der Persönlichkeit.
Und falls mir mal wieder langweilig ist, suche ich dann nach Parallelen von Parfüm zu Essen und von Parfüm zu Möbeln.
Und genau wie bei Kleidung kann sich auch der Geschmack verändern. Oder eine bestimmte Lebensphase (wie z.B. die Schwangerschaft) braucht Pausen von bestimmten Klamotten (engen Jeans z.B.) / Duftpausen
Ich hatte in jeder Schwangerschaft einen Duft, den ich hinterher nie wieder tragen konnte.
Deine Themenwahl ist sehr inspirierend, denn zu überlegen, welchen Duft man tragen könnte, um adäquat seiner Standuhr gegenüber zu sitzen, welche den Big Ben Klang nachempfindet, macht Freude . Da kann man dann einen London duft auflegen von Burberry oder Penhaligon's... hoffentlich passt das dann aber auch zu den anderen Möbelstücken ringsherum. Und dem Blick durchs Fenster bzw in den Kamin ... wer sich harmonisch ein- bzw auszurichten versteht, ist hier klar im Vorteil ;-)
Bin da ganz bei dir!
Schöner Beitrag. Hat Spaß gemacht deinen Blogpost zu lesen!
So soll es sein.
Falls 4711 NICHT mehr Rentnerpsrfüm ist: Wie hält sich die Firma dann noch?
Zumindest die, die ich kenne ;-)