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Cristalles Blog
vor 12 Jahren - 14.07.2012
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Eine persönliche Duftreise durch Zeit und Raum (Teil 1)

 

Eine Erfahrung ist wohl uns allen gemeinsam: Das erste bewusste intensive Dufterleben, an das wir uns ein Leben lang erinnern mit einem Gefühl von Wärme, Geborgenheit, Glück:

Ich erwache bei offenem Fenster an einem schönen Sommertag in meinem Kinderbett. Der Duft eines sonnigen Sommermorgens strömt herein und die Vorfreude auf einen fröhlichen Tag mit Toben durch duftend grünes Gras, mit Kirschen-Klauen in Nachbars Garten ist unmittelbar da. Gleich darauf erwarte ich den Duft, der sich wie nichts anderes für mich mit meiner Mutter verbindet: Je Reviens (Worth) wird für mich, so lange ich lebe, der Inbegriff von Sommer sein und das Bild meiner Mutter vor meinem inneren Auge entstehen lassen, die Erinnerung an die Frau wach rufen, die für mich ein bisschen wie der Sommer war, warm und strahlend. Wenn ich jetzt, wo sie nicht mehr lebt, ganz nah bei ihr sein will, dann hülle ich mich in Je Reviens und fühle mich ein bisschen von ihr umarmt.

„Schuld“ an diesem Dufterlebnis ist mein Vater, der einen ausgezeichneten Geschmack besaß – er hat alles, was gut war, mit allen Sinnen genießen können und wollen, Geld für die schönen Dinge des Lebens auszugeben, hat er nie bedauert. Noch vor ihrer Hochzeit hat er meiner Mutter Je Reviens als Extrait geschenkt. Ich erinnere mich an diesen wunderbar weichen, zarten, runden, harmonischen und blumig-pudrig-frischen Geruch. Aber auch mein Vater selbst gab sich nicht mit Allerweltsdüften wie Tabac Orignal oder Irish Moos zufrieden sondern trug Düfte wie Paco Rabanne pour Homme oder Pierre Cardin pour Monsieur zu einer Zeit, wo dies bei Männern noch wirklich unüblich war. Diese Düfte zogen mich magisch an, wenn er morgens im Bad stand und sich mit einem Echthaarpinsel ordentlich einschäumte für die Prozedur einer Nassrasur, die er regelrecht zelebrierte und die er jeden Tag mit dem wunderbar duftenden Aftershave krönte.

Mein eigener Dufthorizont beschränkte sich zu dieser Zeit noch auf Nivea-Creme, Fichtennadelschaumbad und ab und an ein heimlich gemopstes Tröpfchen Je Reviens, Calèche oder Equipage aus den Flakons meiner Mutter.

Hier hören meine Dufterinnerungen aus der Kindheit auch schon auf – aber das Ende meiner Duftreise ist dies natürlich nicht. Die nächste Etappe beginnt im Flugzeug, zarte 14 war ich und tierisch aufgeregt …Fortsetzung folgt

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