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Cristalles Blog
vor 12 Jahren - 15.07.2012
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Eine persönliche Duftreise durch Zeit und Raum (Teil 2)

Anfang der 70er Jahre – ich sitze neben meinen Eltern im Flugzeug, um die große weite Welt kennenzulernen – Vancouver und die Rocky Mountains sind unser Ziel, wo mein Cousin auf einer Großbaustelle arbeitet, einem Staudammprojekt. Er lebt dort mitten im Busch in einem Trailercamp, wo abends die Schwarzbären die Mülltonnen plündern und die Mückenscharen alle 3 Tage mit Tankwagen voll Gift gekillt werden – fast ein ganzes, ewig dauerndes Jahr habe ich die Tage bis zum Abflug einzeln herunter gezählt, und nun endlich, endlich ist es so weit! Mein erster Flug, und dann gleich bis ans andere Ende der Welt. Aus meiner Klasse war noch keiner jemals geflogen, meine Aufregung kannte keine Grenzen. Den ganzen Flug über gucke ich mir die Augen aus dem Kopf – schneebedeckte Berge von oben, Sonnenuntergang über den Wolken, leuchtende Städte bei Nacht, stecknadelgroße Gebilde auf der endlosen See (das müssen riesengroße Schiffe sein!!!), die grandiose Seenlandschaft Nordamerikas und nicht zuletzt die watteweichen Flauschwolken von oben – und irgendwann meine ich, springende Delphine zu sehen, aber da ist wohl meine Fantasie mit mir durchgegangen. Die Lacher hatte ich trotzdem auf meiner Seite.

Trotz dieser Flut an neuen Eindrücken sind 10 Stunden lang für eine 14jährige, und da kann es schon mal eine nette Abwechslung sein, wenn die Stewardess mit ihrem Duty-Free-Wägelchen durch die Reihen schiebt. Neben Alkohol und Zigaretten, die mich gänzlich kalt ließen, gab es auch noch die Abteilung für die Damen – jede Menge Düfte – auch das ein ganz besonderes Erlebnis für mich. Eine Parfümerie hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie von innen gesehen. Zu jener Zeit durfte man die Düfte sogar im Flugzeug testen, was wir dann auch ausgiebig und in aller Ruhe taten. Es ging damals im Flugzeug deutlich beschaulicher zu als heute.

Mein Vater suchte für mich und meine Mutter jeweils einen Duft aus, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie nicht nur ihm sondern auch uns gefielen. Er ging natürlich auch nicht leer aus - für ihn gab’s Zigaretten und einen exquisiten Armagnac. Seine Wahl für mich fiel auf Ma Griffe von Carven. Ich wuchs förmlich um mindestens 10 cm, so erwachsen fühlte ich mich, als ich mein erstes EIGENES Parfum in Empfang nahm und gaaanz vorsichtig auftrug. Es war ein kleines Splash-Fläschchen mit Eau de Toilette, das ich fortan hütete wie einen Schatz und nur in homöopathischen Dosen benutzte, aus Angst, es könnte zu schnell leer werden. Für mich ist und bleibt Ma Griffe der Duft der weiten Welt, es raunt mir Geschichten zu von Abenteuer, Wildnis und sehr glücklichen, bereichernden Tagen.

Die endlosen Weiten des Internets haben mir ein Revival mit einem alten, völlig frischen und unverdorbenen Ma Griffe (EdC) beschert – es weckt diese Erinnerungen, und macht sie so lebendig, als wäre dies alles gestern geschehen. Ich reise tatsächlich durch Raum und Zeit und bin plötzlich wieder 14 Jahre alt. Dieser unerwartete Jungbrunnen war der Auslöser für meine Blog-Artikel.

Auf diversen nachfolgenden Reisen hat mein Vater mir noch andere Düfte geschenkt und immer wieder mit schlafwandlerischer Sicherheit meinen Geschmack getroffen – da waren unter anderem Fidji und Rive Gauche. Auch diese beiden liebe ich noch heute. Meine Duftvorlieben wurden ganz stark durch meinen Vater geprägt. Was hatte ich für ein Glück, dass sein Geschmackshorizont nicht bei Uralt Lavendel und 4711 endete.

Aber natürlich kommt irgendwann für jeden jungen Menschen der Zeitpunkt, wo er sich abnabeln und eigene Akzente setzen will… Fortsetzung folgt, wenn Ihr mögt.

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