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vor 13 Jahren - 18.09.2011
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Die Hauptstadt der Parfümerie

Ich bin just zurück aus meinem Urlaub und wollte kurz meine Impressionen berichten. Ja, ich habe mich eine Woche in der Nähe von Grasse aufgehalten, der Hauptstadt der Parfümerie.

Um es gleich vorweg zu nehmen. Nein, ich habe weder große Rosen- noch Jasminfelder in Blüte gesehen. Auch keinen Lavendel. Dafür war es wohl leider zu spät. Wobei, Jasmin zumindest soll noch in den Oktober reingehen. Wenn man mit dem Auto durch die Landschaft fährt, bewegt man sich - wenn nicht gerade auf Autobahnen - vornehmlich auf kleinen serpentinenreichen Sträßchen. Die Gegend ist viel bergiger als ich erwartet hatte. Nicht diese sanften Hügel, die man von Provence-Postkarten kennt. Nicht umsonst schimpft es sich Alpes Maritimes. Die Felder sind vor Blicken gut geschützt hinter Hecken und Mauern versteckt. Laut meinem Reiseführer bot in einem der Nachbardörfer sein Anbauer Führungen durch Rosen- und Jasminfelder an. Nur leider haben wir ihn trotz Navi nicht finden können. Aufgrund der hohen Arbeitskosten und der zunehmenden Bebauung der Côte Azur und schwindenden Flächen für den Blumenanbau werden mehr und mehr Blumen aus Billiganbauländern importiert und in Grasse einfach weiterverarbeitet. Auch die Herstellung von synthetischen Aromen sowohl für Parfümerie als auch für Lebensmittelindustrie ist mittlerweile ein wichtiger Zweig in Grasse.

Nun denn, es gibt ja noch Parfümerien zu besichtigen, die da wären Galimard, Molinard und Fragonard. Das sind zumindest die in den einschlägigen Reiseführern erwähnten und in der Stadt auf Plakaten beworbenen. In der Stadt selber gibt es sicher noch den ein oder anderen Alchimisten, aber es gab irgendwie auch noch andere Ausflugsziele, und nicht alle hatten Parfum zum Ziel... Die großen drei - um es kurz zu machen. Bis auf Habanita taugt das ganze Zeug kaum was. Es werden allerorts kostenlose Führungen angeboten, die immer nach ca. 20 min im Shop enden. Werktags (wir waren am Sonntag da) kann man auch den Laboranten beim Zusammenmischen der Duftwässerchen zuschaun. Alte Destillen aus Kupfer und Enfleurage-Rahmen sind lediglich als Ausstellungsstücke präsentiert. Die Destillationen werden nicht im Stadtzentrum, sondern irgendwo außerhalb durchgeführt. Da kommt man als Tourist nicht ran. Und soweit ich es verstanden habe, befassen sich die genannten Firmen nur mit dem Mischen, nicht mit der Gewinnung der Extrakte aus den Rohstoffen. Bei Galimar behauptete die Hostesse (so nannten sich die Führerinnen) gar, dass die Enfleurage-Technik heute noch angewendet wird, was - zumindest auf Galimar - mit Sicherheit nicht zutrifft. Neben den Führungen werden Parfumworkshops angeboten, worauf wir aber verzichtet haben. Zurück zu den Parfums: Es gibt viele Soliflor-Düfte: Rosen, Veilchen, Jasmin, Maiglöckchen, Verveine etc. etc. Man kann sich das so ähnlich wie Occitane vorstellen, nur in größtenteils deutlich weniger ansprechender Verpackung. Daneben gibt es - in ebenso wenig ansprechenden Flakons- "komplexere" Kreationen. Ich habe längst nicht alle probiert. Aber was ich so probiert habe, waren bei den Damendüften klassisch blumige Kompositionen, herrlich langweilig. Einfache Blumenbuketts so ganz ohne Besonderheiten. Es gab dann auch mal Orientalen und sowas, aber nicht wirklich überzeugend, und den aktuellen Trends folgend fruchtig-florale Düftchen, die sich überwiegend sehr leicht, süßlich, künstlich-beerig präsentierten. Auch ein paar Gourmands waren dabei und natürlich frisch-Zitrisches. Viele der Düfte fand ich erstaunlich "dünn" und die Kompositionen simpel-banal. Bei Fragonard werdem zum Schnäppchenpreis Extraits angeboten. Aber man hat den Eindruck, dass sie von der Konsistenz vielleicht gerade mal an ein EdP herankommen. Auch die in den Führungen genannten Konzentrationsangaben schwankten von Hersteller zu Hersteller beträchtlich. Bei Galimard wurden sehr niedrige Zahlen genannt, die mich in keiner Weise verwundert haben. Ach ja, auch Kopien habe ich entdeckt. Galimard vermarktet einen Unisexduft, dessen Namen ich mir nicht gemerkt habe, der eine recht glatte Kopie von Infusion d'Homme von Prada ist (das war auch schon das Highlight des Hauses). Bei Molinard gabe es einen Herrenduft (Molinard pour Homme oder so), der sehr stark an le Male erinnert hat, vielleicht nicht ganz so heftig. Nicht sehr originell. Enttäuschend, dass sich Molinard nicht deutlich positiv von den anderen abhebt. Habanita ist entweder ein one hit wonder oder ein Überbleibsel aus besseren Zeiten. Den Abkömmling Miss Habanita fand ich nicht so prickelnd, Un Air de Habanita schon ganz nett. Wie ich später im Reiseführer las, leben diese Firmen mit Ausnahme von Molinard (und deren Verkaufsschlager Habanita) fast ausschließlich von dem Direktverkauf an Touristen in Verbindung mit diesen - nicht ganz uneigennützigen - Führungen. Ein echter Touristen-Nepp, wenn man so will. Meine Ausbeute war also recht mager - eine Miniatur von Habanita (für eine Vollversion würd ich den zu selten tragen) und ein Vetiver-Cologne zur Erfrischung. Denn Erfrischung konnte man gebrauchen. Es war die ganze Woche über sonnig und warm - 27-30°C und recht feucht.

Hat es sich trotzdem gelohnt? Unbedingt! Zum einen gab es viel mehr zu sehen und erleben als Parfum - die grandiose Landschaft, die Küstenstädte, malerische Schwalbennest-Dörfer in den Bergen: Tourrettes-sur-Loup, um nur eins zu nennen, die Menschen etc. etc. Und parfumtechnisch hatte man in den Städten natürlich immer die Möglichkeit, mal bei Sephora reinzuschaun, die doch als Mainstreamparfümerie besser sortiert sind als hierzulande Douglas. Da hätte ich gerne noch mehr Zeit verbringen können, wäre ich allein unterwegs gewesen. Die haben da so Dinge wie Habit Rouge EdP einfach so rumstehen (gut!). Jardin des Bagatelles fand ich übrigens grausam. Meine Mutter, die dabei war, konnte ich mit Herba Fresca anfixen. Und Insolence findet sie als Veilchen-Liebhaberin toll. Ich denke, das EdP könnte ein gutes Geburtstagsgeschenk sein. Also, es lohnt sich. Man sollte vielleicht nur nicht erwarten, riesige Blumenfelder zu sehen - jedenfalls nicht zu dieser Jahreszeit. Und nicht verschweigen möchte ich, dass man guten Mückenschutz mitbringen sollte. Angeblich war es aber nur dies Jahr so schlimm.

Was ich euch auch nicht vorenthalten will - wir hatten eine etwas abseits gelegene Ferienwohnung außerhalb von Grasse. Es war bereits etwas ländlich - morgens wurde man von einem Esel geweckt (den ich aber nie leibhaftig gesehen hab). Die Gastgeberin wohnt nebenan. Die pensionierte Lehrerin (oder so) widmet sich seit einigen Jahren in der Tradition ihrer Großeltern wieder dem Anbau von Blumen und experimentiert mit alten Techniken wie der Enfleurage und will diese wieder aufleben lassen. Einen Abend hat sie uns eingeladen, dazuzustoßen. Hinter dem Haus hat sie ein winziges Tuberosenfeld und ein bisschen Jasmin. Feld ist eigentlich übertrieben, es war eher ein Garten. Wir haben mit ihr die Tuberosen geerntet (ich weiß nicht genau, ob es ein Scherz war, dass sie die größte Tuberosen-Produzentin in Grasse ist, ihrer Aussage nach wird es nicht mehr angebaut), danach hat sie uns noch ihr winziges Labor im Schuppen gezeigt, wo sie die Enfleurage betreibt - im Gegensatz zu früher mit pflanzlichen Fetten. Die Technik ist sicher noch optimierungswürdig, die Ergebnisse waren nicht völlig überzeugend, da müsste man mal einen anständigen Verfahrensingenieur ranlassen ;) Das alles ist natürlich auch bio und so ein bisschen esotherisch-anthroposophisch angehaucht (das kann ich eigentlich überhaupt nicht haben). Es war jedenfalls echt toll, das hautnah mitzuerleben. Und ich wer weiß, vielleicht setzt sie damit ja einen Trend.

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