Fruityfruity

Fruityfruity

Rezensionen
Fruityfruity vor 2 Jahren 14 6
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Von glücklichen Löchern in der Nase und einem Großen im Geldbeutel
Ich bin spät in die Welt der Düfte eingetaucht. Doch die ansteckende Begeisterung eines Freundes hat dafür gesorgt, dass ich in recht kurzer Zeit ziemlich tief drin war, einen Duft nach dem anderen getestet und das große Ziel des persönlichen "10 von 10"-Topduftes vor Augen hatte. Einige Male war ich ganz nah dran, aber irgendetwas fehlte am Ende immer. Naja und dann kam Burlington 1819 in mein Blickfeld.

Ausgangspunkt meiner Reise waren all die üblichen, auf YouTube so oft in die Kamera gehaltenen, Designerdüfte. Dabei bin ich früh an dem Opening von Bleu de Chanel (EdT) hängen geblieben. Grapefruit und Ingwer mit einer Nuance von Minze - diese Kombination hat mich total begeistert. Doch nach mehr und mehr Ausflügen in die Nischenwelt wurde mir der Duft dann zu generisch, zu simpel und für mich begann die Suche nach einem Parfum, das mir genau diese "Bleu de Chanel-Vibes" liefert, aber zeitgleich aufregender, natürlicher und komplexer ist. Einem Duft, der mir vor Begeisterung den Mund offen stehen und mir keine andere Wahl lässt, als ihn auf der Stelle zu kaufen.

Zum großen Pech meines Geldbeutels, aber zum absoluten Glück meiner Nase, ist dieser Moment dann beim Testen des hiesigen Roja Duftes etwa anderthalb Jahre später eingetreten. Für mich ist das Parfum eine absolute Offenbarung. Es beginnt mit zitrisch-frischer Kopfnote, die sich perfekt ausbalanciert zwischen Bitterkeit und Süße befindet. Zusammen mit der Würze von Ingwer und Kreuzkümmel entsteht hier ein regelrechtes Funkeln in der Nase. Die Herznote bleibt zitrisch, wird aber ganz unterschwellig gespickt mit Zimt, Saffran und Tabak. Wie diese eher schweren Noten in einem an sich zitrischen Duft kurz aufblitzen und Tiefe geben, ist einzigartig. Das Spektakel endet in einer holzigen Basis mit leichten Anteilen von Moschus, Eichenmoos und Vanille, die nicht mehr ganz so aufregend ist, den Duft jedoch auf elegante Weise ausklingen lässt. Für mich und meine Nase ist Burlington nicht nur extrem wohlriechend sondern ein Erlebnis.

Bleibt der Preis und der tut weh. Ich möchte gar nicht in die Diskussion einsteigen, ob die Preisgestaltung von Roja Parfums angemessen ist oder nicht. Fakt ist: Jedes Parfum, von Mexx Man bis Xerjoff XXY im Murano-Glas Flakon, ist ein absoluter Luxusartikel, der nichts mit Grundbedürfnissen am Hut hat. In Zeiten meiner Ausbildung und meines Studiums bin ich mit dem Geld, was ich nun für Burlington hingeblättert habe, fast einen Monat lang über die Runden gekommen. Das ist für mich als sparsamen Menschen heftig. Nichtsdestotrotz habe ich den Duft nunmal gekauft und das bedeutet schlichtweg, dass er mir das Geld wert ist. Ich kann trotzdem jeden verstehen, der das kritisch sieht und diesen Duft für maßlos überteuert hält.

Fazit: Für mich das beste Parfum meiner bisherigen Laufbahn, weil es nicht nur unglaublich schön riecht und meinen Geschmack zu 100% trifft, sondern einem olfaktorischen Erlebnis gleichkommt (das Funkeln und Prickeln in der Kopfnote, das Aufblitzen von tieferen Duftakkorden im Herzen). Das Loch im Geldbeutel wird mich aber ebenfalls noch beschäftigen.

PS: Danke an meinen großartigen Freund, der mich mit auf unsere Duftreise genommen hat.
6 Antworten
Fruityfruity vor 2 Jahren 5 2
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Kurztrip ins Nachtleben Havannas
Ursprung und Idee des Dufts liegen im Havanna der Jahre 1930 bis 1950. In dieser Zeit, zwischen dem spanisch-amerikanischen Krieg und der Revolution, erlebt der Ausbau von Luxushotels, Casinos und Nachtclubs ein rasantes Wachstum. Ein extravagantes und musikalisch goldenes Kapitel der Stadt beginnt.

Nun war ich damals nicht live dabei als Mafiabosse wie Santo Trafficante Jr. in La Habana ihr Unwesen trieben. Wenn ich jedoch den gleichnamigen Duft in der Nase habe, dann fühlt es sich für mich stark danach an. Aber der Reihe nach:

Ich habe im letzten Jahr einige Kreationen der 19-69 Linie testen können und war mir dabei nie so sicher, was ich von ihnen halte. Der Ansatz ist stets kreativ, aber die Ausführung - Beispiel Purple Haze oder Female Christ - ist nicht immer meins. La Habana habe ich dann kürzlich in einer kleinen Nischenparfümerie testen können und wusste recht schnell, was ich von ihm halte: Ich bin begeistert.

Da ist diese verruchte Rauchigkeit, die genau zu meiner Vorstellung des Nachtlebens in Havanna passt, gleichzeitig aber auch eine sinnliche Wärme und Weichheit. Diese beiden Seiten werden durch den sehr gekonnten Einsatz von Aldehyden und Ambroxan zusammengehalten - wirklich wahrnehmen kann ich die synthetischen Bestandteile des Parfums jedoch nicht. Im Duftverlauf wechseln sich Rauchigkeit und Weichheit ab, bis es nach sehr guter Haltbarkeit und guter Sillage dann in seinem holzig-harzigen Grundton endet. Die Karamell- und Vanillenoten sind vorhanden, ohne den Duft jedoch ins gourmandige zu schieben.

Fazit: Ein toll umgesetzter und meisterhaft komponierter Duft für alle, die schon immer mal einen Ausflug ins Rauchige unternehmen wollten, sich jedoch nicht getraut haben. Günstiger ist eine Reise in das Nachtleben Havannas nicht zu bekommen.
2 Antworten
Fruityfruity vor 2 Jahren 8 1
9
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Was ist Kunst?
Wer sich mit dieser Frage beschäftigt, landet schnell bei allgemeinen Begriffsdefintionen, in denen Worte wie "schöpferisch" sowie "kreativ" vorkommen und die einen Prozess beschreiben, der ein Kunstwerk als Ergebnis hat. Mit einer wirklich zufriedenstellenden Antwort hat das nichts zu tun, was man an stets hochemotional geführten Diskussionen auf allen Spielfeldern der Kunst sehen kann - von dem neuen Musikalbum bis zur Drahtskulptur in der Pinakothek der Moderne. Denn im Kern interessiert uns nicht das "wie" sondern das "warum". Fragen wir "Was ist Kunst?" meinen wir meistens "Was soll Kunst bezwecken?". Geht es um die Schöpfung von Schönheit (wobei man natürlich erneut an einer klaren Definition scheitert) oder weit darüber hinaus mit Kunst als einem Mittel zur Selbstdarstellung des Menschen, das berührt, anregt oder auch erschüttert?

Diese Fragen stellen wir uns auch im Zusammenhang mit Düften. Was ist denn eigentlich deren Zweck? Sollen die nur schön riechen, also vielen und einschließlich mir selbst gefallen oder sollen die berühren, anregen oder gar erschüttern? Meine Antwort darauf ist: Alles ist wahr und alle Sichtweisen sind zulässig. Alle, die meinen bei dieser Frage einen Absolutheitsanspruch zu formulieren, sind vorallem eines: Snobs!

Für mich ist alleine der Fakt, dass mich Layton zu derlei Gedanken anregt, aussagekräftig genug, um diesen Duft als Kunstwerk zu bezeichnen. Nein, dieses Parfum erschüttert nicht und es reizt mit seiner olfaktorischen Komplexität auch keine Grenzen aus. Es ist gefällig und dabei von unglaublicher Schönheit. Der frische grüne Apfel in der Eröffnung, der im Drydown langsam von einer Welle aus samtweicher Vanille und floralen Noten umspült wird und dann auf einem Bett von holzig-süßen Akkorden endet, ist für mich eine absolute Freude. Dazu kommt eine toll ausbalancierte Sillage mit sehr guter Haltbarkeit.

Fazit: Ein Duft, der seinen Nischencharakter nicht zwangsläufig mit seinem komplexen Charakter, aber dafür mit seiner gewaltigen Schönheit rechtfertigt.
1 Antwort