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vor 4 Monaten - 08.01.2024
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Vom Mainstream zum Einzigartigen: Mein Weg von Designer und Nische zu Indiedüften

Es ist nun schon gefühlt eine Ewigkeit her als ich meinen letzten Blog auf Parfumo geschrieben habe. Der Grund hierfür war schlichtweg eine komplette Umstrukturierung meiner Sammlung und das Entdecken neuer Späheren.

Vor etwas über einem Jahr bestand meine Sammlung primär aus Nischendüften von Marken wie: Xerjoff, Tiziana Terenzi, Clive Christian und Roja und ein paar Flakons von Louis Vuitton. Meine Sammlung hatte zu diesem Zeitpunkt auch Ihren Zenit erreicht mit fast 120 Flakons. Das Aussuchen des ‚‚SOTD" war häufig mehr eine Qual als ein freudiges Erlebnis. Nach mehrmaligen Erlebnissen dieser Art keimte in mir der Entschluss auf ich muss meine Sammlung verkleinern. Ich fing an zu selektieren nach Richtungen und beschloss Düfte die sich ähnlich sind auszusortieren und nur die für mich besten zu behalten. Als erstes erwischte es in meiner Sammlung die zahlreichen Xerjoffs und Tiziana Terenzis. Hier gab es wirklich sehr viele sich ähnelnde Düfte. Am Ende dieser Selektion innerhalb meiner Sammlung waren nun noch circa 60 Flakons übrig. Dies waren insbesondere Düfte von Roja, Clive Christian und Louis Vuitton. Es vergingen nun wieder circa 3 Monate. In dieser Zeit verwendete ich natürlich viele Düfte häufiger was bei mir dazu führte das mir die Düfte von Louis Vuitton langweilig erschienen im Vergleich mit meinen Clive Christian und Roja. Kurze Zeit später waren auch alle Louis Vuitton Flakons verkauft und meine Sammlung nahe an den 50 Flakons. Nun verging wieder Weile und wie der Zufall es so wollte kaufte ich von ein paar Flakons in meiner Sammlung Backup Flakons, falls es einen Duft nicht mehr geben sollte. Hierunter zählen zum Beispiel Roja Elysium, Diaghilev, Nüwa, Sultante of Oman, Sweetie Aoud, Britiania, Clive No1 Men, 1872 etc. Natürlich musste ich meine Backup Flakons testen um zusehen ob die Düfte so riechen wie sie sollen. Leider taten Sie dies nicht. Bei Roja war dies besonders gravierend. Zum Beispiel mein Elysium Parfum war ein Flakon von 2017 und meiner neuer Flakon von 2022. Für mich zwei sehr unterschiedliche Düfte. Die Haltbarkeit war nicht mehr gut und es roch mehr für mich unangenehm nach Synthetik Ambra und Moschus. Auch die Flüssigkeit im Flakon war viel heller bei meinem neuen Flakon. So ein gravierender Unterscheid kann nicht durch die Reifung der Öle innerhalb dieser Zeit auftreten. Diese gravierenden Unterschiede der Farbe und des Geruchs musste ich leider bei allen neueren Rojas feststellen. Bei Clive Christian gab es auch wahrnehmbare Unterschiede aber nicht so deutlich. Dieses für mich wirklich erschreckende Ereignis führte dazu, dass ich alle Backup Flakons verkauft habe und einige Düfte aus Frustration komplett verkauft habe. Am Ende dieser Odyssee hatte ich bloß noch 28 Flakons in meiner Sammlung. Ich war ehrlich gesagt in diesem Moment etwas ratlos, denn ich hatte keinen Plan wie es weitergehen könnte. Nach ein paar Tagen entschloss ich es die Klassiker von Marken wie Guerlain, Grossmith, Chanel, Dior zu testen. Leider wurde ich auch hier enttäuscht und meine Erwartungen wurden nicht erfüllt. Wie es der Zufall so wollte bot mir eine Parfuma an eine Abfüllung aus ihrem Mitsouko aus den 90er Jahren zu machen. Ich dachte mir testen kann ich es Mal. Besonders mit Blick auf ihre Aussage der ist etwas ganz anderes als ein neuer Mitsouko. Ein paar Tage später konnte ich diesen Mitsouko testen. Ich war wirklich überwältigt von diesem Duft. Dieser war wirklich etwas ganz anderes als der neue oder auch andere Klassiker. Diesen fehlte allen Tiefe oder das gewisse Etwas. 

Trotz dieses erfreulichen Tests machte sich bald Ernüchterung breit bei mir. Leider ist kaum mehr möglich alte Flakons zu kaufen oder die Preise sind utopisch. Das größte Problem ist aber die Gefahr einen gekippten Flakon zu erwischen oder einen Flakon der nur noch 1-2 Jahre aushält bevor dieser kippt.     

In den nächsten Wochen recherchierte ich intensiv was für Alternativen es geben könnte. Leider gestaltete dies sich schwerer als gedacht. Auf den Social Media Plattformen wie Instagram oder YouTube sind nun mal primär Designer und Nischendüfte vorzufinden. Dies liegt auch daran dass offensichtlich der Algorithmus versucht die Meinung der Mehrheit aufzudrängen, oder Ad-Links hervorzuheben, oder Videos mit Kennzeichnung als Werbung. Nach dieser Zeit beschloss ich mir meinen ersten Indieduft zu kaufen. Ich kaufte mir im Souk blind einen Restflakon Areej Malik Al Motia und einen Bortnikoff Amber Cologne. Nach ein paar Tests meiner beiden Neuanschaffungen war für mich klar ich muss mehr in dieser Richtung testen. Die nächsten Monate kaufte ich einige Flakons blind, veranstaltete Sharing und kaufte einige Abfüllungen. An dieser Stelle vielen Dank an alle die mich mit Abfüllungen versorgt haben, teilweise auch von seltenen Düften.

Durch die zahlreichen Indiedüfte die ich in dieser Zeit testen konnte keimte in mir der Entschluss auf auch einen Großteil meiner Sammlung zu verkaufen. Dies führte dazu, dass ich auch meine übrigen Rojas, Clive Christian verkaufte und diese durch Indiedüfte ersetzte. In der Retrospektive betrachtet bereue ich die Entscheidung meine Sammlung nochmals nahezu komplett neu aufzubauen keine Sekunde.

Dennoch habe ich über die Weihnachten Gedanken gemacht warum ich bei den Indiedüften gelandet bin und weshalb ich mit den Düften die Mehrheit auf Parfumo und meinem Umfeld favorisiert nicht mehr klar kam. Ich habe mir etwas Zeit genommen und mir ein paar Gründe notiert weshalb es bei mir und den anderen Düften nicht mehr gepasst hat.

An dieser Stelle führe ich meine Gründe an weshalb sich bei mir dieser Umschwung vollzogen hat. 

  1.  In meiner Kindheit war ich von klassischen Düften umgeben. Mein Vater verwendete immer den Bogner Deep Forest und mein Großvater wahr auch sehr klassisch bei seiner Parfüm Wahl. Mein Großvater nutzte immer den Guerlain Vetiver und den Guerlain Habit Rouge EDC. Meine Großmutter hatte auch immer verschiedene Guerlain, Chanel und Dior Düfte. Meine Mutter hingegen ist die einzige Ausnahme sie bevorzugt frische Düfte. Eigentlich alles von Acqua di Parma aus der blauen Reihe. Ich denke die Wahl der Düfte innerhalb meiner Familie hat meinen Fokus ganz klar in Richtung klassische Düfte und klassische Colognes, fern vom Mainstream gelegt.
  2. Ich konnte nie süße Düfte leiden. Leider sind süße Düfte in den letzten 10 Jahren zum Standard geworden.
  3. Fougere und Chypre sind beides Genre in die kaum mehr investiert wird. Besonders Fougere ist ein Genre welches sehr viel mehr Zeit bei der Kreation benötigt als zum Beispiel ein Erba Pura. Auch auf Nachfrage in mehreren Parfümerie wurde mir bestätigt das Fougere und Chypre oder im Allgemeinen klassische Düfte kaum mehr verkauft werden. Die Käufer und Käuferinnen sind eher über 50 Jahre alt. Schaut man sich mal die Releases der Marken im Designer und Nischen-Bereich an fällt sofort auf was für einen geringen Anteil klassische Düfte ausmachen.
  4. Klassische Düfte werden heute oftmals komplett Reformuliert. Leider bedeutet dies sehr häufig den Verlust der DNA.
  5. Es gibt schlimme Verbesserungen wie zum Beispiel in einen Fougere eine große Menge Ambroxan beimengen.
  6. Durch die Verwendung von Synthetik oder Rohstoffen die primär bei großen Firmen gekauft werden riechen sehr viele Düfte sehr ähnlich. Oftmals vermiesten mir auch Ersatzstoffe einen Duft. 
  7. Häufig nervige und aufdringliche Werbung auf Plattformen wie YouTube oder Instagram. Ich muss hier ganz ehrlich zugeben dass es mich extrem nervt wenn ein Duft beworben wird mit der kommt bei den Frauen super an mit irgendwelchem Emoji ADHS, gefolgt von komischen Straßenumfragen. 

Als nächstes möchte ich noch das ansprechen weshalb die Indiedüfte niemals eine größere Bekanntheit erlangen werden.

  1. Die Indiedüfte passen nicht zu der momentanen Ausrichtung in der Gesellschaft. Dies mag sich überspitzt anhören, aber Indiedüfte passen aufgrund ihrer oftmals tierischen Inhaltstoffe nicht in die primäre Ausrichtung der Kosmetik Branche Vegan und ohne tierische Inhaltstoffe. Es würde keinen Tag dauern wenn ein Influenzer einen Indie Duft wie Ensar Oud Tibetan Musk bewerben würde bis in Shitstorm sich über ihn entlädt.
  2. IFRA und EU Richtlinien stellen ein großes Problem dar für Indiedüfte. Eichenmoss, ist hier nur das bekannteste Beispiel. Ebenso das fehlen von Allergietests. 
  3. Sehr häufig sind die Preise zu hoch
  4. Die Düfte gefallen der Mehrheit einfach nicht. Sind wir mal ehrlich nahezu niemand der viel Indiedüfte trägt wird dafür schon Komplimente erhalten haben.
  5. Die Verfügbarkeit ist ein Problem. Es gibt viele Düfte von denen es bloß 100 Flakons gibt 
  6. Möglichkeit die Düfte zu erwerben. Das beste Beispiel hierfür ist Areej Wallimah 2 welcher in weniger als einer Minute ausverkauft war.
  7. Die Düfte müssen häufig importiert werden was Zoll bedeutet und zusätzliche Kosten.
  8. Die Frage der Ethik. Das ist durchaus ein großes Thema welches polarisiert. Ich persönlich verwende zum Beispiel Düfte mit echten Moschus, kann aber wiederum jeden verstehen der dies nicht möchte. Dennoch verstehe ich häufig nicht den Aufschrei deshalb, weil viele der Leute die sich mir gegenüber deshalb negativ geäußert haben Fleisch verzehren oder auch Kosmetik benutzen mit tierischen Inhaltstoffen. Oftmals haben die Leute hier ein gänzlich falsches Bild. Ein Abend im Steakhaus ist wahrscheinlich moralisch verwerflicher als die geringe Menge Moschus in einem Duft.
  9. Häufig sind Indiedüfte Attars. Sehr viele Leute können es sich einfach nicht vorstellen ein Öl zu verwenden
  10. Für Influenzer oder große Shops lässt sich mit Indiendüften kaum Geld verdienen. Es gibt zu wenig Ware oder einfach zu wenig Kapital um Influenzern große Summe zu bezahlen oder Kollaborationen zu machen

Für mich sind Indiedüfte etwas besonderes und die Tiefe und die zuvor nie erlebten Eindrücke bestätigen mich das richtige gemacht zu haben bei der Umstellung meiner Sammlung.

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