Jutta96

Jutta96

Rezensionen
Jutta96 vor 7 Monaten 25 5
10
Flakon
9
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
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Nicht viele Düfte schaffen es die Stimmung zu beeinflussen und Gefühle auszulösen. Der Geruchssinn ist direkt mit dem Erinnerungszentrum im Gehirn verknüpft, wodurch bereits erfahrene Erlebnisse durch ein bloßes riechen bestimmter Duftnoten oder Akkorde wieder hervorgerufen werden können. Sei es ein markanter Geruch aus der Kindheit, eine Lieblingsspeise oder irgendein flüchtig wahrgenommener Geruch in der Natur.

So ist es bei Carlisle und mir. Mein damaliger Latein und Englisch Lehrer trug immer einen so wohlriechenden, sehr potenten Holzig/süßen Duft welcher nicht nur meine, sondern auch die Nasen meiner Mitschüler mit seiner Opulenz und Vollmundigkeit betörte. Kaum ein Tag verging, an dem dieser Duft nicht irgendwo im Schulgebäude wahrzunehmen war und so brannte sich diese Dufterinnerung in mein Gedächtnis. Welcher Duft es war fragt ihr euch ? Nun ja wir haben ihn nie gefragt. Es war einfach SEIN Duft, ganz egal wie er nun heisst. Wir alle verknüpften diesen tollen Lehrer mit diesem wohlig warmen, ambrierten, würzigen Duft, der so wunderbar seine Persönlichkeit widerspiegelte wie es kaum ein anderer es konnte.

Zeitsprung 2022

Es klingelt an der Tür und der Mann im gelben Shirt steht mir gegenüber. Ein weiteres Paket hatte den weiten Weg zu mir gefunden. Nach mehreren enttäuschenden Blindkäufen schwor ich mir, dass dies nun das letzte mal war einen Duft ohne vorheriges testen einfach zu kaufen.
Das Paket wurde mit präzisen und sorgfältigen Schnitten geöffnet und in Mitten von Füllmaterial und Luftpolsterfolie lag sie, die schwarze OVP der Marke Parfums de Marly. Ich zog den Deckel ab und zum Vorschein kam ein wunderschöner, pechschwarzer Flakon mit einem Deckel, für den man wohl einen Waffenschein braucht. Kurz um - Luxus Pur. Ich nahm den Flakon in die Hand, entfernte den Deckel, der sich mit einem so zufriedenstellenden klicken vom Flakon löste, das man denken könnte man öffnete die Tür einer Mercedes S-Klasse. Die Nase wanderte gen Sprühkopf um den ersten Hauch des Duftes zu erahnen und bereits da wusste ich schon: Hier erwartet dich DEIN Duft!

Mit zwei beherzten Sprühstössen landete das fein zerstäubte Eau de Parfum auf meinem Handrücken und hinterließ einen öligen Film. Der Duft füllte innerhalb von Sekunden den gesamten Raum und das war der Moment wo ich gedanklich in das Klassenzimmer zurückkatapultiert wurde. Da war er, dieser wohlig warme, süß/würzige Geruch den ich so sehr vermisst hatte. Bingo!

Carlisle startet mit einer feinen Nuance von grünem Apfel, die sich sanft über das Duftgerüst legt und mit seiner frischen Fruchtigkeit den sonst eher schweren Duftcharakter gekonnt aufhellt. Darauf folgen sogleich schon die Hauptakteure im Blockbuster, komponiert von Quentin Bisch. Vanille, Tonka und Muskat geben eine süß/cremige und zugleich würzige Note, die perfekt von Nuancen aus Patchouli und Guajakholz kontrastiert wird. Dieses Hin und Her zwischen cremiger Süße und herber Erdigkeit mit einem Hauch von Leder erzeugt ein betörendes Duftbild. Carlisle schafft es, mMn so gut wie kein anderer Duft auf dem Markt, die Waage aus süß, würzig, blumig, frisch und Holzig zu halten. Er umhüllt den Träger mit einem Mantel aus purem Sexappeal. Carlisle ist Endstation. 10/10. Hier wurde ein zeitloses Meisterwerk geschaffen, das Menschen begeistert und Emotionen hervorruft. Ich ziehe den Hut vor Ihnen Monsieur Bisch, Chapeau!

Die Rede ist hier von der 77% Version. Zu der neueren Version kann ich keine Aussagen treffen.
5 Antworten
Jutta96 vor 2 Jahren 6 1
10
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Ambergris in Höchstform
„Wer würde wohl denken, dass die feinsten Damen und Herren sich an einem Wohlgeruch laben, den man aus dem ruhmlosen Gedärmen eines kranken Pottwals holt! Und doch ist es so. Der graue Amber wird von manchen für die Ursache, von anderen für die Folge mangelnder Verdauung gehalten, an der Wale mitunter leiden. Wie eine solche Dyspepsie zu kurieren wäre, lässt sich schwer sagen, es sei denn, man gibt dem Patienten drei, vier Bootsladungen Rhabarberpillen ein und verzieht sich dann schleunigst aus der Schusslinie […] Ich behaupte: Wenn der Pottwal seine Schwanzflosse hochschleudert, verströmt er ebensoviel Wohlgeruch wie eine Moschusparfümierte Dame, die in einem warmen Salon ihre Röcke rascheln lässt.“ Auszug aus dem Buch von Herman Melville: Moby Dick Kapitel 92 - Ambergris

Um diesen mysteriösen Stoff ranken sich seit Jahrhunderten wenn nicht sogar Jahrtausdenden die wildesten Geschichten. So bezeichnete man Ambra im Kaiserreich China bis etwa 1000 n. Chr. als „lung sien hiang“, als das „Speichelparfüm der Drachen“, da man glaubte, dass die Substanz aus dem Speichel von Drachen stamme, die auf Felsen am Rande des Meeres schliefen. Im Orient ist Ambra noch heute unter diesem Namen bekannt. Erst 1574 folgerte der flämische Botaniker Carolus Clusius als erster aus Einschlüssen von Tintenfischschnäbeln im Ambra, dass dieses aus dem Verdauungstrakt von Walen stammt. Dies blieb aber lange Zeit wenig beachtet. Erst später, als man bei der Schlachtung von Pottwalen frische Ambra im Darm einzelner Tiere entdeckte, wurde Clusius‘ Aussage bestätigt
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Aber nun zum Duft:
Für mich startet er mit einer ordentlichen Portion Gewürzen in Form von Kardamom und Pfeffer. Diese Würze ist aber keinesfalls naserümpfend stark, eher ebnet sie den Weg für das olfaktorische Erlebnis was noch folgen wird. Der Hauptakteur in diesem Meisterwerk von Vincent Micotti ist nämlich, wie könnte es auch anders sein, das natürliche Ambergris. Laut YS-Uzac enthält der Ambre Bleue eine großzügige Menge der kostbaren Walausscheidung. Nach etwa fünf Minuten tritt eine hell strahlende, aquatische, leicht animalische Note hinzu die unweigerlich vom Ambergris kommen muss. Die exotischen Harze, die laut Duft Pyramide enthalten sind nehme ich ebenfalls stark wahr. Diese halten alle Duftnoten bildlich gesprochen, mit ihrer klebrigen Eigenschaft zusammen und bewirken somit, dass die Gewürze und das leicht animalische Ambergris zu keinem Zeitpunkt unangenehm für die Nase werden. In der Basis verbergen sich Leder, Oud und Weihrauch, die aber nicht überhand gewinnen, sondern vielmehr ein würdiges Fundament für das königliche Ambergris bilden. Alles in allem bleibt zu sagen, das der Ambre Bleue durch die verwendete Menge an Ambergris den gesamten Duftverlauf über einen natürlichen aquatischen Eindruck vermittelt, bei dem anfangs die Gewürze und zum Ende hin die dunklen Holznoten, sowie Leder und Weihrauch eine eher untergeordnete Rolle spielen. Gehüllt wird das ganze dann in einen warmen harzigen Umhang der alle Duftnoten umschließt. Meiner Meinung nach haben wir es hier mit einem Meisterwerk der Parfümskunst zu tun, das einer geübten Nase viel Freude bereiten kann.
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