Klischee

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Klischee vor 9 Jahren 10 4
Unerwartete Liebe
Wie riecht der Sommer? Für mich definitiv nach Erdbeereis, Meer, lauwarmen Regengüssen auf Asphalt, Gin Tonic, Salz auf der Haut, Bananenmilch und Limettensorbet, nach gegrillten Sardinen, überreifen Bergpfirsichen und Après-Soleil. Auch wenn es sich nicht gerade um meine Lieblingsjahreszeit handelt, so ist sie in olfaktorischer Hinsicht ein fabelhaftes Chamäleon des Facettenreichtums. Sommer ist laut, Sommer ist leise. Immer schwingt eine gesunde Portion Veränderung mit, wenn das just aus dem Winterschlaf erwachte Spaghettiträgertop auf lang ersehntes Hitzefrei stößt. Seit Jahrzehnten versucht die Parfumindustrie immer wieder aufs Neue, dieses einmalige Lebensgefühl in einem easypeasy Flakon einzufangen und will uns das südfranzösische Rivierafeeling schon beim morgendlichen Routinespritzer vermitteln.
Für mich funktioniert dieses sagenumwobene Vorhaben nur bedingt, weil: es geht um die Leichtigkeit des Seins und genau das ist der Haken an der Sache. Simple Perfektion zu kreieren ist kein Ding, das man eben mal locker aus dem von ecrufarbenen Leinen bedeckten Ärmel schüttelt. Reinheit lautet das Stichwort der Stunde, Purismus ohne Kompromisse. Komplexen Winterdüften verzeiht man gut und gerne mal einen klitzekleinen Kompositionsfauxpax, kein Wunder, welche ungeschulte Nase erkennt schon vierundzwanzig Nuancen jenseits von Oud und Amber im Schlaf? Eben. Die meisten Kassenschlager lassen mich kalt, CK One und Davidoff Cool Water sind mir viel zu aquatisch (wobei ich wohl weiß, dass genau das die Absicht dahinter war), Escada-Düfte erinnern mich eher an Fruchtpunsch auf Teeniefeten und Boss Orange riecht man an jeder Ecke (wenn auch angenehm). Dennoch habe ich mich dieses Jahr verknallt - und zwar in einen Everybody's Darling:

Acqua di Gioia von Giorgio Armani ist der Signatureduft einer meiner liebsten Freundinnen, meine Liebe zu dem Wässerchen wurzelt sicher zu nicht geringen Teilen auf subjektivem Boden. Unbeschwert und fröhlich, ein Garant der guten Laune. In der Kopfnote trumpfen spritzige Akkorde von Minze, Zitrone und Wasser auf, die glücklicherweise niemals aquatisch anmuten, sondern viel eher an einen perfekt gelungenen Mojito an der sardischen Lieblingsstrandbar erinnern. Jasmin, Pfingstrose und Rosa Pfeffer bilden eine würzig-florale Basis, die auch noch nach Stunden eine deutlich wahrnehmbare Sillage hinterlässt. Brauner Zucker, Labdanum und Zeder runden die Komposition ab und versprühen einen Hauch Wärme, ohne zu sehr ins Holzige abzudriften. Acqua die Gioia schafft den Spagat, um den sich so viele bemühen. Frisch und fruchtig argiert hier in der ausgewogensten Form. Es ist kein Duft, über den man sich großartig Gedanken machen müsste oder der in die unergründlichen Tiefen der Parfumeurskunst schlittert, Acqua di Gioia funktioniert einfach. Immer.
Und genau das habe ich für Temperaturen jenseits der fünfunddreißig-Gradmarke gesucht!
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