8. Zeichen, Teil I

Es ist nicht sinnvoll, den Versuch eines Formulierens einer kompletten etwaigen Semiotik der Parfumerie zu unternehmen, was auch nicht sehr weit führen könnte, da überhaupt erst gefragt werden muss, ob denn überhaupt ein Zeichensystem vorhanden ist, bzw. angewandt wird.
Aber es ist durchaus sinnvoll, im gedanklichen Annähern an eine Ästhetik der Parfumerie, mal nach der semiotischen Potenz zu fragen.
 
HÄ? Wovon schreibt die da?
 
Das klingt vielleicht erstmal nach unterirdischem böhmischen Dorf.
Aber Semiotik ist etwas ganz simples, allerdings eher denen bekannt, die sich mit geisteswissenschaftlicher Theorie beschäftigen oder große Fans von Umberto Eco sind (das ist nämlich der bekannteste gegenwärtige Star-Semiotiker).
 
Also: Semiotik ist die Lehre von Zeichen. Wie sie funktionieren, entstehen und benutzt werden.  
Ein Zeichen ist z.B. ein Straßenschild. Wenn dieses gelbe Karo mit weißem Rand am Straßenrand steht, dann bekomme ich eine Information, wenn ich es wahrnehme. Das Schild selbst hat keinen eigenen Zweck, ist nur Überbringer einer Nachricht. Diese kann ich verstehen, wenn ich eine Ahnung der Straßenverkehrsordnung habe. Abstrakt nennt sich das: Zeichensystem.
Ein Wort ist auch ein Zeichen. Statt eines gelben Karos gibt es eine Kombination bestimmter akustische Signale, zum Beispiel „Stuhl“. Das Wort „Stuhl“ ist kein Stuhl. Ein Wort hat selbst und für sich genauso wenig Zweck, wie ein Verkehrsschild, sondern ist Träger einer Information… also ein Zeichen. Das Zeichensystem heißt in diesem Fall „Sprache“ und ist ein verdammt komplexes!
 
Ein Zeichen ist etwas, das auf bestimmte Weise für ein Anderes steht: "aliquid stat pro aliquo".
 
Kunst geht mit Zeichen um. Literatur ist beispielsweise die Kunstart, die das Zeichensystem Sprache künstlerisch benutzt. Die bildende Kunst geht auch mit Zeichen um: Wenn ich einen gelben, ausgemalten Kreis mit zentrierten Strichen darum male, ist das keine Sonne, sondern ein Zeichen für Sonne. Ein Piktogramm (das sind z. B. solche WC-Schilder mit Mann/Frau darauf) betont den Zeichencharakter maximal, während ein Portrait oder eine abstrakte Farbfläche die Zeichenhaftigkeit nicht als wichtigstes Merkmal vor sich hertragen.
 
Die Semiotik der Musik hingegen ist nicht so einfach ersichtlich und auf der Hand liegend klar. Bei dieser Kunstart fiel schon mehrmals eine Nähe zur Parfumerie auf und auch diesmal gibt es wieder Ähnlichkeiten. Die theoretische Greifbarkeit beider wird an den gleichen Stellen glitschig.  Weder die Semiotik der Musik noch die der Parfumerie ist linguistisch, aber der wissenschaftliche Werkzeugkoffer der Semiotik entstand hauptsächlich in der Linguistik. Demnach ist dieses Werkzeug nicht 1:1 und unmittelbar anwendbar. Und bei beiden Künsten muss zunächst erstmal gefragt werden, ob überhaupt Zeichen Anwendung finden.
 
Die nächsten Fragen in diesem Blog werden also sein:
 
Gibt es ein Zeichensystem des Geruchs?
Wenn ja, verwendet die Parfumerie Zeichen?
Wenn ja, welche, wie und weshalb? 

 

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Notiz: Manchmal wird Fehlendes nicht vermisst. Im Fall NEC vermisse ich, was fehlt.

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