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Magenas Blog
vor 8 Jahren - 18.05.2016
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Mitsouko Teil 2

Ich habe die Nachricht von seinem Tod erhalten


Mit ihr in der Hand sitze in der Abenddämmerung auf einem Stein am Ufer des Flusses.
Hier sucht mich niemand, da ich normalerweise Angst vor der Strömung habe.
Aber jetzt ...


Ich reiße ein Stück von der Nachricht ab, die mir heimlich von einem Reisenden zugesteckt wurde
und deren Inhalt mich sogar kurz aufschreien ließ.
Ich werfe es in den Fluss und sehe dem weißen Stück Papier so lange nach,
bis ich es nicht mehr ausmachen kann.


Ein leichter Wind weht durch die Zitronenbäume hinter mir,
ihr Duft schmeckt wie die heimlichen und erstickten Schreie in meine Hand.
Nun bin ich verstummt.
Nichtmals räuspern kann ich mich.
All mein ich ist mit ihm gegangen, nun ist mir alles genommen.
Schau mich an ... was ist denn übrig von mir?
Ich werde nie wieder singen ...


Ich habe sein Lachen noch im Ohr, das so seltsam melodisch klang, wie seine Sprache.
Und wie oft er mich zum Lachen brachte.
Eine Regung, die ungeheuerlich und neu für mich war,
da ich sie nie so herzhaft zur Schau trug
wie in den Stunden mit ihm. Mit ihm ...
ER .... er lachte mit offenem Mund und zeigte seine Zähne.
Unerhört und doch so schön anzuschauen.
Ich werde nie wieder lachen ...


Nun ist er fort und mit ihm all meine Geister.
Ein weiteres Stück übergebe ich dem Fluß ... nun habe ich nur noch ein kleines
Stückchen der Nachricht in den Händen. Ich betrachte es und sehe nur noch das Wort
GEFALLEN ... gefallen ... gefallen .,.. gefallen.
Ein unausprechliches Gefühl quält mich tief in meiner Brust.
Doch weinen kann ich nicht ...


Ich schließe die Augen und erinnere mich an den Tag, wo wir uns begegneten.
Er saß auf einer Mauer und schenkte mir einen Pfirsich.
Er hielt mich für ein junges Mädchen. Mein wahres Alter verriet ich ihm nicht.
Auch nicht, dass ich längst einem Anderen gehörte ...


Oh ... ! Mein Kimono hat grüne Moosflecken vom steinernen Ufer.
Ich werde mich mit gesenktem Kopf neben den Wegen schleichen.
Ich übergebe das letzte kleine Stück der Nachricht dem Fluß.
Mit ihm bewegt sich nun der Rest meines Seins in die Schwärze des Nichts.


Mein kleines Päckchen Kleidung habe ich gut verschnürt.
Es riecht nach dem Garten meiner Mutter.
Ich sehe nun auch sie vor mir, wie sie dort kniet und den Jasmin für Vaters Tee trocknet.
Auch sie sind schon lange dort, wo er nun angekommen ist.


Ein letzter Blick zurück.
Das Kloster erwartet mich.
Ich habe nichts mehr zu verlieren.
Außer meinem Schweigen.

-- Mitsouko --


Frei erfunden nach dem Roman von Le Bataille, den ich nie las.
Was für ein melancholischer Duft!
Edit: im Drydown könnte es die Großmama oder Inspiration von Chanel Nr.5 sein.

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