Mikayla
Mikaylas Blog
vor 10 Monaten - 19.07.2023
53 32
Virtuelle Nasen: Wie künstliche Intelligenz die Duftwelt revolutionieren kann

Virtuelle Nasen: Wie künstliche Intelligenz die Duftwelt revolutionieren kann

Ein Start-up namens Osmo aus den USA hat eine künstliche Intelligenz entwickelt, die sozusagen über einen eigenen Geruchssinn verfügt. Diese innovative Technologie soll dabei unterstützen, neue Düfte zu erschaffen.

Ein Parfum, das einen intensiven Duft mit sanften floralen Noten einfängt, ähnlich dem Geruch von gekochtem Jasminreis. Ein anderes erinnert an die Frische der Meeresluft und die zarte Schale einer Wassermelone. Ein weiterer Duft riecht nach Safran mit einem Hauch von Leder und schwarzem Tee. Doch was, wenn diese Parfums nicht natürlichen Ursprungs sind, sondern auf speziell von einer künstlichen Intelligenz entwickelten Molekülen basieren? Bevor ein Mensch sie überhaupt wahrnehmen konnte, wurden diese Düfte bereits durch ein Computermodell vorhergesagt.

Ein Lavendelfeld als inspirierende Quelle für einzigartige Duftkreationen
Die Essenz der Natur einfangen: Ein duftendes Lavendelfeld als inspirierende Quelle für aromatische Duftkreationen

Osmo: Von Google Research zum eigenständigen Unternehmen

Die Parfumwelt unterliegt dem stetigen Einfluss neuer Innovationen: Künstliche Intelligenzen werden eingesetzt, um neue Düfte zu entdecken und zu entwickeln. Bisher gestaltete es sich jedoch schwierig, Computern das Konzept von Gerüchen zu vermitteln. Doch dies könnte sich bald ändern. Das Start-up Osmo, das aus der Forschungsabteilung von Google hervorgegangen ist, hat es sich zum Ziel gesetzt, mithilfe von KI in den nächsten Jahren originalgetreue und einzigartige Gerüche für Produkte wie Shampoos, Lotionen und Kerzen zu erschaffen. Unter der Leitung des Neurowissenschaftlers Alex Wiltschko konnte Osmo bei einer ersten Finanzierungsrunde 60 Millionen Dollar einsammeln. Dabei erhielt das Start-up maßgebliche Unterstützung von Google Ventures und Lux Capital.

Herausforderungen in der Duftindustrie und Osmos Lösungsansatz

In der Duftindustrie stehen Hersteller vor zahlreichen Herausforderungen. Natürliche Ressourcen werden knapp, Wetterextreme durch den Klimawandel beeinflussen den Anbau von Pflanzen. Die Gewinnung tierischer Duftstoffe geht oft mit Tierquälerei und der Bedrohung der Artenvielfalt einher. Osmo verfolgt daher einen alternativen Ansatz: Statt synthetische Varianten von Düften zu verwenden, soll die KI Düfte originalgetreu nachbauen. Die künstlichen Düfte sollen nicht nur eine vergleichbare oder sogar bessere Duftqualität als ihre natürlichen Gegenstücke aufweisen, sondern auch biologisch abbaubar  und für Allergiker geeignet sein. Kunden können ihre individuellen Duftwünsche an Osmo herantragen, die dann maßgeschneiderte Düfte chemisch entwickeln und zur Lizenzierung bereitstellen. Den Computern soll sozusagen eine eigene 'Nase' gegeben werden.

Unsere Nase kann die Parkinson-Krankheit früher als jede andere Diagnose erkennen, Alzheimer, COVID-19 und Krebs erschnüffeln. Warum können das unsere Computer nicht? Computer haben den Geruch nicht verstanden, weil wir keine Karte davon hatten. Bis jetzt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit haben wir eine Karte des Geruchs.

Alex Wiltschko

Gerüche zu kreieren ist aufgrund der Vielfalt der Rezeptoren in unserer Nase eine komplexe Aufgabe. Selbst geringfügige Unterschiede wie die Anzahl der Kohlenstoffatome können darüber entscheiden, ob ein Geruch nach Rosen oder nach faulen Eiern wahrgenommen wird. Um sich dieser Herausforderung zu stellen, speiste das Team von Osmo einen Algorithmus mit Daten zu über 5.000 verschiedenen Geruchsmolekülen, die neben ihrer Struktur auch Informationen darüber enthielten, wie der Mensch den Geruch wahrnimmt. Die KI nutzte dabei ihre Fähigkeit, Muster zu erkennen und Gemeinsamkeiten zwischen der chemischen Struktur von Substanzen aufzudecken, die einen ähnlichen Geruch haben.

Als nächstes wurde der KI ein Datensatz von 400 Molekülen präsentiert, die zwar entworfen, aber noch nie hergestellt worden waren. Die KI sollte allein anhand ihrer Struktur vorhersagen, wie diese Moleküle für den menschlichen Geruchssinn wahrnehmbar wären. Um die Vorhersagen der KI zu überprüfen, wurden 15 menschliche Probanden herangezogen. Das Resultat: In etwa 53 Prozent der Fälle konnte die KI den von Menschen wahrgenommenen Geruch erraten. 

Das Team betrachtet dies als Erfolg, obwohl das System noch eine Einschränkungen aufweist. So können zwei Moleküle spiegelbildlich zueinander sein, jedoch unterschiedliche riechen. Im September 2022 wurden die Ergebnisse der Untersuchungen auf bioRxiv veröffentlicht. Aktuell wird die Arbeit von einem wissenschaftlichen Fachjournal überprüft.

Künstliche Intelligenzen: Die Zukunft der Duftwelt wird von innovativen Technologien geprägt
Künstliche Intelligenzen: Die Zukunft der Duftwelt wird von innovativen Technologien geprägt

Osmo in der medizinischen Forschung: Revolutionäre Ansätze in der Stechmückenabwehr

Osmos KI bietet jedoch nicht nur Chancen für die Parfumindustrie, sondern auch für die medizinische Forschung. Das Unternehmen arbeitet an der Entwicklung eines neuen Mittels zur Stechmückenabwehr, um die Ausbreitung von durch Mücken übertragbaren Krankheiten wie Malaria einzudämmen. Da in den letzten Jahrzehnten nur wenige wissenschaftliche Studien über Mücken-Abwehrmittel veröffentlicht wurden, stieß Alex Wiltschko auf einen Bericht der US-Regierung aus den 1940er-Jahren. In dieser Studie wurden etwa 19.000 verschiedene Duftstoffe auf ihre Wirksamkeit bei der Abwehr von Mückenstichen getestet. Die Ergebnisse führten schließlich zur Entwicklung des Wirkstoffs 'Deet'.

Bei Osmo wurden nun diese historischen Daten digitalisiert und in die KI eingespeist. Anschließend wurden 400 neue Moleküle der KI zur Bewertung vorgelegt. Das Ergebnis: Über 10 dieser Moleküle zeigten eine stärkere Abwehrwirkung als 'Deet' oder andere herkömmliche Mittel. Diese Moleküle sollen nun auf Hautverträglichkeit und biologische Abbaubarkeit geprüft werden.

Künstliche Intelligenz: Eine Revolution für die Duftwelt?

Darüber hinaus verfolgt Osmo noch ein anderes Ziel: die Integration von Geruchstechnologie in Smartphones. Alex Wiltschko und sein Team arbeiten an neuen Technologien, die es Handys ermöglichen sollen, ähnlich wie Musikerkennungs-Apps, Gerüche zu erkennen und digital zu übertragen. Jedoch bedarf es zur Verwirklichung dieser Vision noch weiterer Entwicklungs- und Forschungsarbeit.

Wir haben einen langen Weg vor uns, aber wir machen heute die ersten Schritte. Es hat 100 Jahre gedauert, unseren Sehsinn zu digitalisieren, und wir werden den letzten menschlichen Sinn, unseren Geruchssinn, in einem Bruchteil der Zeit digitalisieren.

Alex Wiltschko

Wie steht ihr zur Verwendung von künstlicher Intelligenz in der Duftindustrie? Seid ihr begeistert von den Möglichkeiten oder steht ihr dem Thema eher skeptisch gegenüber?  

Bildquellen: Pixabay.com, iStock (NicoElNino, salihkilic)

Aktualisiert am 19.07.2023 - 05:03 Uhr
53 Antworten

Weitere Artikel von Mikayla