Minimalist

Das Nuit d'Issey EdT ist einer meiner absoluten Lieblingsdüfte. Entsprechend gespannt war ich, wie die Parfum-Version riecht.

Der Hauptunterschied für meine Nase: Das EdT eröffnet "schriller" und zitrischer als das EdP, das von Anfang an weicher und harmonischer riecht. Interessanterweise dreht sich das Ganze im weiteren Verlauf um: Nach einigen Stunden ist die anfängliche Frische beim EdT so gut wie verschwunden, während sie beim EdP sogar noch am nächsten Tag(!) wahrnehmbar ist. Dann ist sie allerdings weniger zitrischer Natur, sondern erinnert ein wenig an Minze plus Anis.

Was ist besser? Schwer zu sagen. Das EdT wirkt unangepasster und individueller. Allerdings besitzt das EdP eine Eleganz, die das EdT nicht aufweist.

Neugierig aufgrund der anderen Kommentare habe ich gestern Ultraviolet Man (UM) getestet. Und es ist wieder einmal interessant, wie individuell verschieden die Wahrnehmung ist. Der Duft ist ungewöhnlich und innovativ, weil er sich von anderen deutlich abhebt. Allerdings hatte ich mit einem techno-futuristischen Einschlag gerechnet und mit einem EdT, das beispielsweise ein Charakter in "Tron" tragen könnte. Auch das Design des Flakons weckt bei mir solche Assoziationen.

Stattdessen erinnert mich UM an einen Sommerabend in einem Straßencafé in Italien. Vor mir steht ein Pfefferminzeis samt einer warmen, mit Puderzucker bestäubten Waffel. Und mein Gegenüber zündet sich gerade eine Zigarette an, deren Rauch sich ein wenig mit dem Minzaroma und der Süße der Waffel vermischt. Da heute kaum noch jemand raucht, ist dieses Szenario auch in der Vergangenheit angesiedelt – was dem Ganzen einen leicht nostalgischen Touch gibt.

Bevor sich jemand vom "Zigarettenrauch"-Aroma abgeschreckt fühlt: Dieses ist extrem dezent und hält sich im Hintergrund. Insgesamt empfinde ich UM als sehr angenehm und harmonisch. Für mich selbst kommt er vorerst nicht infrage. Dazu ist er mir zu weich und zu süß.

Da ich von Nuit d'Issey so begeistert bin (siehe auch den entsprechenden Kommentar), musste ich natürlich auch das länger nicht getragene L'Eau d'Issey pour Homme mal wieder hervorholen. Und, ja - es ist immer noch toll! Zitrisch, frisch, seifig. Ja. Aber da ist noch etwas anderes. Der Duft ist eben nicht so glattgebügelt wie ein beliebiges Duschgel, sondern auch ziemlich "kantig". Ich werde das nicht weiter umschreiben - wer einmal daran gerochen hat, weiss vermutlich, was ich meine.

Genau diese "Kante" polarisiert aber auch durchaus stark. So ist es mir passiert, dass sich beim Tragen von L'eau DIPH eine Frau mit den Worten abwandte, sie könne mich "nicht riechen" - und nur kurze Zeit später hing mir eine andere Frau mit ihrer Nase minutenlang am Hals und konnte überhaupt nicht genug von diesem Duft kriegen. Erstaunlich, oder? Die Wechselwirkung mit der Hautchemie kann hier jedenfalls nicht ausschlaggebend gewesen sein, nein, es muss an der stark unterschiedlichen Wahrnehmung dieses Dufts durch verschiedene Menschen liegen.

Objektiv betrachtet: Der Duft ist einzigartig, qualitativ hervorragend und dabei sogar recht preisgünstig. Warum ich ihm trotzdem keine 100% gebe? Weil er leider ein bedeutendes Manko hat - und das ist die Abhängigkeit von Jahreszeit und Wetter. Bei Aussentemperaturen, die eine Jacke erfordern, ist es eigentlich bereits zu kühl für diesen Duft, da fröstelt es zumindest mich schnell. Andererseits, ein Vorteil dieser frostigen Frische: Es ist ein Hallo-Wach-Duft, der gerade in der Früh jede Rest-Müdigkeit vertreiben kann.

Noch etwas Bemerkenswertes zur Haltbarkeit - nicht auf der Haut, sondern in der Flasche: Mein Flakon ist jetzt über zehn Jahre alt. Da ich ihn schon länger nicht benutzt hatte, fürchtete ich schon, er wäre umgekippt. Aber nein - er riecht noch wie neu. Und auch die Gegenprobe mit einem neuen Flakon in der Parfümerie bestätigte dieses Ergebnis. Dabei wurde er nicht einmal optimal gelagert - es wurde zeitweise relativ warm, und der Lichtschutz war auch mässig. Nicht schlecht!

Ich war vorgewarnt, aber schliesslich muss man mitreden können. Also habe ich auch diesen - inzwischen wirklich berüchtigten - Duft getestet.

Interessanterweise stellte ich jetzt fest, dass ich ihn schon längst kenne - denn man riecht ihn wirklich an allen Ecken und Enden. Jetzt weiss ich auch, was für süssliche Schwaden immer unser Treppenhaus eingenebelt haben, nachdem irgendwelche Gören samt Oberchecker-Freunden aus der Ey-Alder-Fraktion das Haus verlassen haben.

Geruch: Wie ein kritischer Störfall in einer Gummibärchenfabrik. Für die Bevölkerung bestand allerdings zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr.

Ich habe es nicht ausprobiert - aber ich glaube, der Unterschied zwischen einer gerade geöffneten Tüte Gummibärchen und "1 Million" ist wirklich marginal. Etwas ätherischer, was aber vor allem am Anfang am Alkohol liegen dürfte.

Damit es es natürlich der perfekte Dufttrack für die Nacht im Club.

Primäre Zielgruppe: Gerade volljährige Jünglinge, denen noch kein richtiger Bart wächst, die jeden Satz entweder mit "Ey", "Alder" oder "Mann" beginnen oder einer Kombination dieser drei Worte und die sich bevorzugt die Birne mit Wodka Red Bull zuballern. Sekundäre Zielgruppe: 16-jährige Tussis mit gefälschten Ausweisen, mangels Erfahrung mit Feinspachtel aufgetragenem Makeup, Polyester-Minis von H&M und wackligem Gang auf Deichmann-Plastik-Stilettos.

Dass der Duft bei der Zielgruppe so beliebt ist, verwundert mich dabei überhaupt nicht. Im Gegenteil, er ist absolut perfekt für diese designed: Einerseits sind diese Jugendlichen noch Kinder - und die stehen bekanntlich wahnsinnig auf Süsses. Andererseits wollen sie schon erwachsen sein... und EDT benutzen wie die Grossen!

"1 Million" schlägt hier die Brücke: Süss, harmlos und unmaskulin und doch schon ein richtiges "Parfum" in einem schicken Goldbarrenflakon! Denn: Kinder stehen auch auf auffällige und geschmacklose Verpackungen.

Obwohl ich dazu keine Zahlen habe, kann ich mir vorstellen, dass sich 1 Million nicht nur gut verkauft, sondern dass es auch "funktioniert" - also so abschlepptechnisch gesehen. Denn: Vor einem Typen, der so "süüüüüüüss" riecht muss niemand Angst haben. Auch keine 16-Jährige.

Dass sich dieser Duft für erwachsene Männer und Frauen damit von selbst verbietet, sollte klar sein. Es sei denn, man verkehrt in der (vermutlich sehr überschaubaren) Gummibären-Fetisch-Szene.

...so lautet die etwas gewählter formulierte Übersetzung einer von "Jeremy Fragrance" auf Youtube zum Geruch von Chanel PE befragten jungen Frau. O-Ton war glaube ich "Riecht wie eine alte Oma".

Und, so leid es mir tut: Ich muss hier hier teilweise zustimmen.

Ich habe den Duft seit Jahren in der Schublade und nun wieder einmal daran geschnuppert. Der Duft ist sicherlich hochwertig komponiert, interessant, komplex... und so weiter. Aber letzlich verknüpft man mit nichts so sehr wie mit Düften auch bestimmte Bilder und Assoziationen. Und mir geht es da inzwischen genauso wie der Frau auf Youtube: PE riecht irgendwie nach einer älteren Dame... und zwar einer, die sich von oben bis unten ohne Rücksicht auf Verluste einparfümiert hat, und mit dieser Duftwolke bei ihrem Spaziergang durch die Stadt alles im 30-Meter-Umkreis olfaktorisch plattwalzt. :-)

Der Duft könnte für mich vielleicht funktionieren, wenn er besser dosierbar wäre. Leider führt sogar ein extrem vorsichtiger, kleiner Sprayer schon dazu, dass ich von diesem Duft für Stunden geradezu erschlagen werde. Er ist für mich einfach nicht vernünftig dosierbar. Woran liegt es? Vielleicht sind meine Rezeptoren für die floralen Noten in PE zu empfindlich? Wer weiss.

Davon abgesehen wirkt der Duft auf mich zu frisch und clean - in einer Art und Weise, die man mit einer frischen Rasur assoziiert. Was ihn IMHO merkwürdig und aufgesetzt wirken lässt, wenn man eben nicht gerade frisch rasiert ist, sondern vielleicht sogar Bart trägt. Das schränkt die Verwendbarkeit entsprechend ein.

40% kriegt er trotzdem noch. Trotz allem wirkt der Duft qualitativ hochwertig. Aber für mich ist er nichts.