NarcisseNoir

NarcisseNoir

Rezensionen
NarcisseNoir vor 10 Jahren 39 7
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Die zweite Offenbarung
Als Mitte der 80iger Jahre die Reihe „Jean Patou - Ma Collection - Parfums D'Epoque 1925-1964“ veröffentlicht wurde, war es für mich eine Offenbarung. Joy, Mille, ok, die waren mir bekannt, haben mich aber damals nicht sonderlich begeistert (das ist heute gottseidank anders, man lernt ja dazu). Aber die anderen, alten, legendären Patou-Düfte, insbesondere aus den 20- und 30igern, die keiner mehr kannte? Die waren nun eine absolute Entdeckung für mich. 12 großartige Düfte, darunter Klassiker, wie Chaldée (1927), Divine Folie (1933), Normandie (1935), Vacances (1936) und vor allem Colony (1937). Was für ein Genuss! Unbeschreiblich.

Es gab damals eine Miniaturensammlung in Form eines Albums, die ich immer noch besitze (leider sind einige Flakons vom vielen Schnüffeln nun teilweise schon bis zur Hälfte leer) und die ich hüte, als wäre es der heilige Gral.

Umso begeistert und gespannt war ich, als ich erfuhr, dass die neuen Besitzer das Hauses Patou (nun befreit aus dem Würgegriff von Procter & Gamble, deren einziges Interesse an der Marke nur die Gewinne aus dem ewigen Bestseller Joy waren), das große Parfum-Erbe dieses für seine Zeit so richtungsweisenden Couturiers wieder neu beleben möchten.

Im Dezember 2013 war es endlich soweit: Chaldée wurde - gemeinsam mit den wesentlich später, lange nach Patous Tod lancierten, aber für ihre Zeit so wichtigen Düfte Eau de Patou (1976) und Patou pour Homme (1980) - in der neuen Reihe „Jean Patou - Collection Héritage“ wiederveröffentlicht.

Und das erste, von mir getestete Ergebnis dieser Neuedition musste natürlich der noch „Original-Patou“ Chaldée sein, nun verantwortet unter der Regie des neuen Hausparfumeurs Thomas Fontaine.

Als es 1927, kreiert von Henri Alméras, lanciert wurde, war Chaldée der Duft eines (und des damals angeblich ersten) Sonnenöls, tatsächlich! Kurz darauf wurde es, aufgrund des großen Erfolges, anscheinend auch als separates Parfum angeboten. Chaldée ist Sonne pur: nach dem leicht zitrischen Beginn, in der Mitte sehr helle, strahlende, aldehydische Blumenakkorde, anschließend abgerundet durch eine animalisch, würzig und vanillige Basis, die das Ganze sehr sinnlich und erotisch erdet. Absolut suchtgefährdend. Wie Chanel No. 22, L'Heure Bleue und Shalimar von Guerlain, in sich perfekt ergänzender Kombination. Meine persönliche Kurzimpression: duftgewordene, sinnliche Erotik, Visionen von braungebrannten Körpern in leidenschaftlicher Umarmung in den Dünen eines Strandes der Provence, kurz vor Sonnenuntergang.

Der Vergleich zwischen der 30 Jahre alten 80iger-Wiederaufauflage und der heutigen Neuorchestrierung von Thomas Fontaine, fällt absolut zu Gunsten der aktuellen Version aus. Klar, 30 Jahre (auch in Dunkelheit und gut geschützt) können einfach einen Duft verändern. Er „arbeitet“ nun mal über die Jahre, wie guter Wein. Die damalige Eau de Toilette-Version hatte außerdem eine geringere Konzentration als die aktuelle Eau de Parfum-Variante. Und diese wirkt viel facettenreicher und komplexer als der Dufteindruck der alten 80iger Edition, die ich heute doch als wesentlich flacher als die Fontaine-Version empfinde. Aber, beide Editionen haben unmissverständlich den gleichen Duftakkord, jeweils in leicht unterschiedlicher Instrumentierung (bei Fontaine natürlich auch bedingt durch die aktuellen IFRA-Regularien). Gemeinsam ist beiden außerdem die sehr gute Projektion und Haltbarkeit, zumindest auf meiner Haut.

Was Thomas Fontaine hier leistet, ist, meiner Meinung nach, perfekte Arbeit, absolut meisterhaft. Einer der bedeutenden Duftklassiker des letzten Jahrhunderts, großartig neu, aber dem Original treu interpretiert für unsere Zeit. Und auch mein erstes Schnüffeln an den Neueditionen von Eau de Patou (köstlich!) und Patou pour Homme haben diesen Eindruck nur bestätigt.

Der Preis, gewöhnungsbedürftig. OK. Aber das unternehmerische Wagnis, in einem vom Mainstream und Trash (wie z.B. den ganzen CK-Banalitäten, dem Celebrity-Müll, oder so "hippen" Stinkbomben wie Invictus) dominierten Parfummarkt, ist nicht zu unterschätzen. So etwas kostet nun mal. Schade, dass solche Düfte heute leider nicht Mainstream sind, aber die Realität sieht nun mal leider anders aus.

Und ich hoffe doch sehr, dass dieser unternehmerische Mut von Erfolg gekrönt sein wird. Denn die Héritage des Hauses Patou ist Teil des Panthéons der französischen Parfumeurskunst und somit auch des kulturellen Erbes der „Grande Nation“.

Und es warten noch so wunderbare und überwältigende Patou-Wiederentdeckungen und Erlebnisse auf uns. Ich sage nur Colony, Colony, Colony.......... Gehört gemeinsam mit Sous le Vent/Guerlain und Bois des Iles/Chanel zu den absoluten Klassikern der Exotik-inspirierten fruchtig-holzigen Düfte der 20iger und 30iger Jahre.

Und natürlich die große unbekannte Legende: Le Sien (1929), der angeblich erste „offizielle“ Unisex-Duft, der leider nicht Bestandteil der 80iger-Neuauflage war.

Also, Thomas Fontaine! Machen Sie sich unverzüglich weiter an die Arbeit! Aber zackig!
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