Nase1

Nase1

Rezensionen
Nase1 vor 5 Jahren 9 3
Dies war mein Duft!
Und zwar über viele, viele Jahre. Ungefähr von kurz vor der Jahrtausendwende bis etwa über die Mitte des Nuller-Jahrzehnts. Er kam zackig und ging leise. Bevor er kam, war ich duftlos. Ich hatte zuvor keinen eigenen Duft, außer CD Seife, nie gehabt, nie getragen, nie probiert, nur an andern erhascht.

Jedenfalls ergab es sich, dass eine kurze Reise mich nach Basel führte, in Begleitung zweier hübscher junger Frauen, die eine ziemlich groß, so groß wie ich, mit blonden Haaren und Brille, die andere kleiner, mit lockig-schwarzem Haar. Einfach bezaubernd, so begleitet zu werden, eine wunderschöne Erinnerung...

Wir drei standen in der Blüte unserer noch recht frischen Existenz, wandelten umher, sahen in dieses oder jenes Schaufenster, entdeckten Bücher und Blumen, blödelten herum. So ergab es sich, dass wir ebenfalls in einer Parfümerie landeten, wo ich die beiden fragte, was sie denn gerne riechen oder ob sie mir was empfehlen könnten?

Die Antwort kam zackig, das "Boss Bottled" müsse ich probieren. Gesagt, getan. Apfel überzeugte mich sofort, kannte ich diese Frucht doch seit Kindertagen, auch Zitrone und Bergamotte. Die tieferen Schichten nahm ich zwar wahr, konnte sie aber nie definieren und könnte es heute nicht, vielleicht die Vanille noch, dann hat es sich schon.

In der Folge trug ich also Boss, während meine männliche Umgebung zumeist Axe und Consorten probierte. Das Boss passte zu meiner Angewohnheit, zwei bis drei weißfiltrige Mentholzigaretten am Tag zu verqualmen und daraus ergab sich meine eigentliche Duftnote dieser vergangenen Zeit.

Leider verlor sich mit Ende der Schulzeit auch der Kontakt zu obgenannten Schönen. Die eine heiratete einen andern, die andere wurde Ärztin in der Psychiatrischen, so viel bekam ich noch mit. An mir verlor sich der Boss Bottled-Duft just zu dem Zeitpunkt, als ich erroch, dass der Vater einer damaligen Freundin von mir, also quasi mein Schwiegervater, es benutzte. Ich wollte nicht wie ein Mann von 50-60 Jahren riechen.

Aber nun, da mein Review ins Profane abdriftet, schließe ich es. Achso, als kleiner Nachklang: Einmal wurde es mir noch von einer Verkäuferin in einer Parfümerie empfohlen, aber ich verwende es nicht mehr und kehre auch nicht mehr zu ihm zurück, da der Duft bei mir für eine bestimmte Zeit oder Phase meines Lebens steht.
3 Antworten
Nase1 vor 5 Jahren 7 1
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
10
Duft
Für mich eines der besten! Wobei...
Das Blenheim Bouquet, ein Duftpalast aus nur ganz wenigen Noten.

Trocken, harsch startend, nicht unähnlich dem allseits bekannten 4711, nur noch härter, noch trockener, viel männlicher, dabei keine Spur von Süße oder Frucht, vielmehr eine Zitrone wie Champagner, edel, reduziert, perfekt. Fast ein wenig kalt, doch fein unterlegt mit wärmendem Pfeffer und etwas Moschus.

Der Beweis dafür, dass Gutes einfach sein und bleiben kann.

Da es auf dieser Welt leider nichts ohne Nachteil gibt: Der Duft macht unnahbar. Er ist mit Sicherheit kein an sich liebenswürdiges Wässerchen. Blenheim Bouquet has no heart notes. Es gibt übrigens keinen auch nur annähernd gleichen Klon, jedenfalls meines Wissens nicht. Das billige Pino Sylvestre hat mit diesem hier nichts zu tun.

Wer etwas Ähnliches, nicht ganz so Trockenes, dafür ein wenig Gefälligeres wünscht, wird mit Trumper's Wellington fündig werden.
1 Antwort
Nase1 vor 5 Jahren 7 11
Nie und nimmer DAS originale Kölnischwasser!
Etwas enttäuscht, muss ich sagen, bin ich vom Kölnischwasser der Firma Farina. Diese wirbt damit, das Original zu sein bzw. die Formulierung aus 1709 zu verwenden. Das kann nicht sein. Zwar startet der Duft sehr schön zitrisch-bergamottig, auch eine angenehme Mandarine gesellt sich hinzu, doch dann kommt ein synthetisch-künstlicher Ton, der in vielen modernen Parfums derzeit Verwendung findet. Ich kann ihn nicht genau identifizieren, aber in Chanel Homme Sport bildet der gewissermaßen die Hauptkomponente. Da nützen auch die Werbebroschüren der Firma Farina nichts.

Es mag ja sein, dass es sich hier um einen gefälligen Duft für andere Nasen als die meine handelt, das möchte ich nicht in Abrede stellen, nur ein Duft aus dem 18. Jahrhundert ist dieser ganz bestimmt nicht. Nun bin ich aber natürlich auch kein Experte für Düfte des Barock oder Rokoko, deswegen bitte meinen Kommentar als ganz und gar subjektiven, persönlichen Eindruck sehen.

Das weithin bekannte 4711 nehme ich bewusst nicht als Maßstab. Beide sind verschieden, einzig die Auftaktnote ist ähnlich, wobei diese bei Muelhens harsch und trocken ausfällt, bei Farina aber etwas leichter ist. Da enden auch schon die Gemeinsamkeiten. Aber darauf kommt es mir nicht an. Sollte ich sagen, welchen der beiden ich lieber mag, würde ich schreiben: Keinen. Zwänge man mich, einen zu tragen, würde ich das Oma-Wasser aus dem Supermarkt jederzeit dem auf modern gemachten, angeblichen Original vorziehen.
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