Geräucherter Fruchtgummi in Irispuder - Traversée du Bosphore (Testbericht)

Der neuste Streich aus dem Hause ,,L'Artisan Parfumeur" ist eine olfaktorische Reise an den Bosporus. Bertrand Duchaufour wollte mit "Traversée du Bosphore" die Düfte des Gewürzmarktes in Istanbul einfangen. Apfeltee, süßer Tabak, fremde Gewürze und blühende Gärten standen für den sinnlichen Duftmix pate. Die Artisan Düfte gehören für mich zu den experimantellsten und innovativsten, die ich kenne. Auch wenn einige von ihnen dadurch untragbar sind, finden sich doch immer wieder wahre Schätze, wie zum Beispiel "Tea for Two", welcher durch ein süßliches Chai-Aroma besticht. Mittlerweile ist der Parfumeur Bertrand Duchaufour soetwas wie ein Hausparfumeur für L'Artisan Parfumeur geworden (mit wenigen Ausnahmen werden die Parfums von ihm kreiert). Sein Markenzeichen ist ein Akkord aus Iris, Zedernholz und Weihrauch. Diesen perfektionierte er in dem Duft "Dzongkha", setzt ihn aber auch in weiteren Kreationen ein (Al Oudh, Jubilation XXV...). Nun hat der Gute mit Traversée du Bosphore einen Gourmand geschaffen, welcher von Lokum-Akkorden getragen wird. Lokumdüfte gibt es einige, nicht alle sind gut und ich wundere mich, dass L'Artisan Parfumeur erst jetzt mit ihrer eigenen Version des süßlichen Geruchs herauskommen. Wie auch immer, ich als Lokum Fan komme um Traversée du Bosphore so oder so nicht herum, also habe ich mir durch ,,Aus Liebe zum Duft" eine Probe senden lassen, vielen Dank! Ich war auf alles vorbereitet, nur nicht auf das, was da auf mich zu kam:

Traversée du Bosphore schlägt ein wie eine olfaktorische Bombe: Quitschsüße Fruchtnoten schreien mich an, wirken geradezu künstlich und trashig. Ich erkenne eine Gummiartige Note, jener Geruch der bei gewissen Sorten von Fruchtgummis auftritt (Balla Balla Stangen). Eine Tüte Süßigkeiten (in Hessen auch "Schnucketüte" genannt) wie man sie oft auf Jahmärkten bekommt, würde diesem Artisan Wässerchen sehr ähnlich sein. Was mich allerdings so irritiert, ist der typische Duchaufour Akkord, welcher hinter den künstlichen Fruchtnoten zu erkennen ist. Ich rieche die Basis von Dzongkha, die staubige Note, den Zederntisch, die unsterblichen Irisblüten und sogar die Weihrauchschwaden. Aber alles liegt hinter diesen kitschigen Früchte. Ich weiß nicht wieso, aber ich finde diese Mischung unglaublich attraktiv! Hier treffen zwei Welten aufeinander: Hohe Qualität und kitschige Synthetik. Es ist das verrückteste und exzentrischste was ich seit langem gerochen habe, fantastisch! Schnell verwandeln sich die Dzongkha Akzente aus dem Hintergrund zu einer süßlichen Pudrigkeit, es ist die Pudrigkeit der Iris. Dennoch herrschen weiterhin die olfaktorischen Balla Balla Stangen vor, auch wenn die Irisblüten ihnen etwas von ihrer künstlichen Kraft nehmen, sind sie unverkennbar. Das Leder bemerke ich nicht, viel mehr mischt sich etwas Benzoe ein, gibt eine Ahnung von Vanille ab, welche den Duft hervorragend ergänzt. Die Lokum Note ist hier nicht so vorherrschend wie z.B. in "Sweet Oriental Dream" von Montale. Vielmehr duftet der Fond des Bosporus-Parfums nach gezuckerten Äpfeln, etwas Vanille und zartem Moschus. Die für türkischen Honig typischen Mandeln und das Rosenwasser fehlen vollkommen. Dies ist nicht weiter tragisch, denn TdB kommt auch ohne sie aus, weiß zu begeistern. Denn wann findet man schon ein so kontroverses Parfum, welches bis zum Schluss furchtbar kitschig und künstlich wirkt, aber auf eine so attraktive Art und Weise?

Traversée du Bosphore ist wahrlich kein Allerweltsparfum, es ist innovativ und neu! Die Spannung zwischen Klassisch und Kitschig ist herrlich erfrischend, aber darin liegt auch eine gewisse Problematik: Ich finde der Duft bewegt sich genau auf der Schwelle zu ,,unerträglich", es ist ein Geruch, welcher auf der einen Seite ganz hervorragend ist, andererseits aber auch als störend empfunden werden kann. Ich bin mir nicht sicher ob ich soetwas jemals tragen könnte/wollte. Ich liebe Gourmands, ich liebe Vanille und Lokum, ich mag Weihrauch und Hölzer, auch die Iris hat durchaus ihre Vorzüge. Doch alle zusammen, das ist vielleicht schon wieder etwas zu viel des Guten. Haltbarkeit und Sillage sind hervorragend, der gezuckerte Apfel mit den Fruchtgummis begleitet den Träger unglaublich lange und ist auch für die Umgebung für eine sehr lange Zeit wahrnehmbar.

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