Plainsong

Plainsong

Rezensionen
Filtern & sortieren
16 - 16 von 16
Plainsong vor 10 Jahren 18 4
5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Selten war Inkonsequenz so attraktiv
Mit Body Kouros war es bei mir wie mit den Frauen: Man muss erst mal die Nervosität ablegen, augetretene Durchschnittspfade verlassen und Irrtümer verstehen, damit man weiß, was man will. YSL Body Kouros war, als es auf den Markt kam, der Ausbruch aus der selbstauferlegten Vernunft – und fast schon überraschenderweise ist es das 15 Jahre später erneut, wenn auch aus vollkommen anderen Gründen.
Ich hatte mit Anfang 20 die ersten Enttäuschungen mit den damals typischen Massendüften hinter mir – Emporio Armani war mir zu konservativ, Hugo zu kitschig. Und Body Kouros traf dann genau den Zeitgeist und ungewollt auch meine Lebenssituation: Wo will ich eigentlich hin? Könnte Body Kouros sprechen, würde es wahrscheinlich genau diese Frage stellen.
Im Gegensatz zum „großen Bruder“ Kouros (mit dem der Duft absolut nichts zu tun hat) muss man sich bei Body Kouros nicht erst durch tausend Höllen und Teststreifenirrtümer quälen, um zu wissen, was die Charakteristika sind: BK ist vom ersten Moment an angenehm, zurückhaltend und trotzdem ausgesprochen anregend. Als ob BK den Klosteinvergleichen von Kouros die Zunge rausstrecken wollte, lockt orientalische Süße. Aber keine aufdringliche, lästige oder überdosierte, wie das bei neueren Düften häufig der Fall ist. Auch in der Herzlinie bleibt sich Body Kouros dabei treu. Es zeigt, dass es da ist, ohne nach Aufmerksamkeit zu brüllen. Lediglich zum Ende der Kurve zeigt es einzelne Schwächen: Die Benzoe bleibt schnell unkombiniert und überlagert den Rest der Basisnote. Die Möglichkeit zum Dialog, die den Verlauf bis dahin positiv ausmacht, fehlt nach etwa drei Stunden.
Bis dahin zeigt Body Kouros allerdings, weshalb es 2000 entstanden ist – und 2014 als Neuveröffentlichung wahrscheinlich gnadenlos gefloppt wäre: Konsequenz ist seine Sache nicht, es bemüht sich eher erfolgreich, Widersprüche aufzuzeigen, die genauer ergründet werden wollen. Ärgerlich, dass die heutige Generation nur noch auf extreme Schlüsselreize reagiert und von Anfang an ein klares Richtungsbekenntnis einfordert: Die Kombination aus Süße und Harzigkeit, die Body Kouros vor allem anderen auszeichnet, wirkt auf eine Nase, die die Kompromisslosigkeit von überdosiertem 1 Million und die Schwere des annähernd verwandten D&G The One gewöhnt ist, heute wohl eher verwirrend und irritierend.
Wäre Body Kouros Musik, dann am ehesten das zweite Album von Franz Ferdinand. Es zeigt Präsenz und fällt auf, hat einen gewissen Hang zur Lederjacke – aber nicht auf schmuddelig-schmierige, sondern auf künsterlisch-ambitionierte Art und Weise. Wo Body Kouros kracht, da nicht aus Prinzip, sondern mit Überlegung – und neben „The Fallen“ taucht eben auch „Eleanor put your boots on“ auf. Wo Kouros ein gnadenloser Tiger ist, da ist Body Kouros eher die Katze, die das mausen nicht lässt: Angenehm, verspielt und absolut verführerisch, aber nicht ausgesprochen zahm oder gar harmlos – es lockt durchaus zum Kraulen.
Ich empfinde Body Kouros als sehr anregend, verführerisch und aufweckend – wenn es die zweite Chance bekommt, ohne die Body Kouros inkonsequent wirkt. Body Kouros will keine Massenware sein – eher ein Bekenntnis zum Individualismus. Es hat eine klare Präsenz, verschwimmt nicht mit der Umwelt und ist durchaus dominant – wo man aber einen Brunftschrei erwarten könnte, wird man durch sanfte Samtigkeit überrascht. Definitiv ist Body Kouros kein Durchschnittsparfüm, weil ihm die klare Kante fehlt. Es ist auch keine Brustbehaarung, eher schwarze weiche Satinwäsche. Darunter allerdings verbirgt sich alles andere als eine Enttäuschung.
4 Antworten
16 - 16 von 16