Rocky23

Rocky23

Rezensionen
Rocky23 vor 3 Jahren 30 10
10
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Von der Selbsterkenntnis zum Duft ... oder umgekehrt?
Düfte als Spiegel der Persönlichkeit, oder zumindest als Pendant zu dieser. Ein schöner Gedanke, wenn auch erstens schwer umzusetzen und zweitens in der Praxis kaum anzutreffen. Bei der Flut an Mainstream-Hypes à la Sauvage, Bleu de Chanel und, das tut mir als Freund des Duftes weh zu sagen, Aventus ein heilloses Unterfangen, da allgegenwärtige Präsenz im Übermaß und Persönlichkeit meines Erachtens nur sehr bedingt vereinbar sind. Wie geht man nun vor, wenn man Düfte nicht nur um des Balzverhalten Willens oder der Morgenroutine wegen gebrauchen möchte, sondern seinen Charakter möglichst passend durch den olfaktorischen Sinn zu untermauern? In meinem Fall geschah das durch die Analyse von Duftnoten, das Lesen von Kommentaren und die allgemeine Reputation des Duftes. Designer-Düfte schieden vorweg aus, da ich etwas Besonderes, nicht in jeder Drogerie Auffindbares haben wollte. Snobbiger Ansatz, aber gut. Den Neurosen nachgegeben. So testete ich mich durch zahlreiche Duftreihen, von Amouage, über MFK zu Parfums de Marly und so weiter. Cedrat Boise erschien mir eine interessante Wahl, Layton ebenfalls, sowie Amyris, Baccarat Rouge und Musc Ravageur. Sogar Duro bedachte ich, verwarf ihn aber sogleich wieder, auch wenn ich mich gern als harten, kantigen Typen mit ihm in Kombination gesehen hätte. Schließlich kam ich bei Reflection Man an, welcher es mir schon seit langem angetan hatte. Ein fabelhafter Duft, zwar kein Geheimtipp, aber in der normalen, nicht duftvernarrten Welt dennoch von Seltenheitswert. Das Bild, welches der beste der Amouage ausstrahlte, brachte mich jedes Mal aufs Neue zum selbstverliebten Träumen über unsere gemeinsame Zukunft. Der Gentleman, der Saubermann, der wohlsituierte Diplomat, welcher allseits beliebt und geschätzt wird, nie aneckt und stets die richtigen Worte und Taten wählt. Das war ich und dieser Duft spiegelte dies perfekt wider.

"Bitte? Moment mal! Bist das wirklich Du oder wärst Du nur gerne das, was Du denkst, dass mit diesem Parfum assoziiert wird?! Betrüg Dich nicht selbst, von diesen Charaktereigenschaften bist Du weit entfernt! Trag das Parfum, weil Du es magst, aber sonne Dich nicht in dessen Glanz als weißer Ritter, der Du (noch - Anm. d. Red) nicht bist!"

Touché! Die innere Stimme hat sich den utopischen Vorstellungen des Glückszentrums entgegengestellt. Und Recht hat sie, das bin ich tatsächlich nicht. Von der Suche nach einem Duft, der zu meiner sich noch im Wandel befindlichen Persönlichkeit passt bin, ich abgedriftet zur Suche nach einem, an dessen Reputation ich meine Persönlichkeit gerne anpassen würde. Eine wichtige Erkenntnis für mich, denn sowas wollte ich nicht. Selbst- und Fremdbild sollen zumindest in diesem Fall zusammenpassen, das war mein Ziel.

Nichtsdestotrotz habe ich meine Suche auf Eis gelegt, da ich etwas ernüchtert vom bisweiligen Ergebnis war. Doch unverhofft kommt oft und so geschah es, dass ich vor kurzem wieder am Testen neuer Düfte war, so auch einiger Xerjoffs, im Speziellen 40 Knots (toller, hochwertiger Duft). Schon fast ganz nebenbei wurde mir Penhaligon's The Blazing Mr. Sam aufs Handgelenk gesprüht, welchen ich jedoch nicht weiter beachtete; zu angetan war ich von 40 Knots. Im Laufe des Tages verlor ich jedoch immer mehr die Kontrolle und war nur noch am Mr. Sam Schnüffeln, welchen ich zuvor als überteuerten Mainstreamer abgetan hatte. Mehr und mehr gefiel mir diese eigentlich simple Komposition, die mich doch auch etwas an meinen Liebling Spicebomb (original, nicht extreme) erinnerte. Nun begann ich zu recherchieren und stieß auf die bemerkenswerten Geschichten der Portraits-Reihe aus dem Hause Penhaligon's. Sehr zu empfehlen, fast wie aus einem Comicheften. Mr. Sam's Geschichte fand ich dabei überaus interessant und, zu meinem Erstaunen, irgendwie auch zutreffend auf meinen Lebensweg. Nicht das Neureiche oder das Playboy-Gehabe, aber das Ungestüme, Freche und die nicht immer korrekte Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Strategie. Läse meine Mutter die Beschreibung, so müsste sie wohl schmunzeln und würde etwas zynisch behaupten, dass dies doch bestens auf den Sohnemann zutreffen würde. Ebenso der Duft selbst, welcher laut ihr viel zu süß wäre, genau wie diejenigen, die ich seit meiner Pubertät angehäuft habe und ihr widerstreben. Aber das passt natürlich, was anderes ist sie ja nicht gewohnt von mir.

Hm, war das nicht genau das, was ich eigentlich wollte? Ein Parfum, mit dem man mich ohne Probleme identifizieren könnte? Etwas, das meiner Linie treu bleibt, aber dennoch besonders scheint? Gewissermaßen eine Metamorphose meiner altbekannten, süßen Favoriten, nur in nischig? Ja, das war und ist es. Die fiktive Story des frivolen Mr. Sam obendrauf ein absoluter Gewinn für mein Gemüt. Ich kann mich eben nicht selbst belügen, ob es mir missfällt oder nicht.

Zum Duft selbst ist zu sagen, dass keine Überraschungen auftreten, sofern man sich mit der Duftpyramide vertraut gemacht hat. Ist er besonders? Jein, ein für mich in Ansätzen bekannter, würzig-süßer Geruch, der verfeinert wurde und sich zumindest ein wenig mit V&R Spicebomb vergleichen lässt. Besonders nahe verwandt ist er mit Penhaligon's Halfeti, jedoch ohne den Oud-Touch und die Rose, dafür etwas süßlicher (mehr Zimt?). In der Basisnote gehen die beiden schließlich weiter auseinander und der Tabak gesellt sich in angenehmer Weise dazu, was Mr. Sam einen deutlich männlicheren Gesichtszug als Halfeti verleiht. Tragbar ist er für mich in allen Lagen, zu jeder Jahreszeit. Vermutlich eher in kühleren Zeiten, aber das sei mal dahingestellt. Assoziieren würde ich Mr. Sam mit jüngeren Herren, die elegant können, aber auch mal gern die Sau rauslassen, dabei jedoch durchwegs zielstrebig bleiben - eben ganz nach seinem Portrait. Er lädt jedoch auch zum Wohlfühlen ein und bringt einen gewissen Zuschuss für das Selbstbewusstsein mit sich. Irgendwie auch ein kleiner Ersatz für meinen Egoisten von Chanel, den ich so gern habe, der aber weniger alltagstauglich für mich ist. Nicht zu überdreht wie One Million oder die Gaultiers, aber auch nicht so prüde wie andere Vertreter der würzigen Gattungen. Irgendwie perfekt, zumindest für mich.

Kann er als mainstream-angehaucht durchgehen? Ich denke ja. Stört mich das? Nein, keinesfalls. Warum? Weil es ihn in mainstream so nicht gibt, Punkt. Außerdem wirkt er hochwertig, projiziert bestens und hält locker 8 Stunden aufwärts. Nervt es mich, wenn Düfte von Nischenmarken verunglimpft werden, weil sie wohl nach Mainstream riechen? Absolut. Warum? Weil Duftnoten Duftnoten sind und eben mal riechen, wie sie riechen. Wichtiger ist mir die Feinheit der Komposition und Natürlichkeit dieser, welche hier für mich ein hohes Niveau aufweisen. Es kann und soll nun mal nicht jedes Parfum Oud, das beste Sandelholz oder Sonstiges enthalten, um außergewöhnlich eigen zu wirken. So ist das nun mal.

Ich habe meinen Buddy gefunden und mein Buddy wohl mich - Ganz ohne mich verstellen zu müssen. In ein paar Jahren wird es dann vielleicht ja doch noch Reflection Man, wenn die stürmischeren Zeiten vorbei sind und ich mich der Seriosität verschrieben habe. Für den Moment bin ich aber doch sehr zufrieden mit meinem Horngetier, das mich ab sofort begleiten darf.
10 Antworten
Rocky23 vor 7 Jahren 17 9
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Der König und sein Kronprinz
Als Parfumo-Neuling versuche ich mich an meinem ersten Kommentar - nicht, weil ich niemandem meine zugegeben noch spärlich ausgeprägte Duft-Expertise vorenthalten möchte, sondern ich bei diesem Thema einfach nicht widerstehen kann. Bei welchem Thema ich nicht widerstehen kann? Wer hätte es geahnt, natürlich beim allseits präsenten Aventus-Doppelgänger-Klon-CDNI-IPII-L'Aventure-und-wie-sie-alle-heißen...-Diskurs. Als bisweilen - was Duftnotenkompositionen und deren akribisches Erschnüffeln anbelangt - eher anspruchsloser Parfümliebhaber, kann ich keine weitgreifenden Vergleiche zwischen Creed's Aventus und Al Haramain's L'Aventure ziehen, zumindest keine, die das tiefste Innere der beiden offenbaren würden. Warum meine Meinung zu diesem Thema dennoch interessant sein könnte? Weil ich L'Aventure schon trug, bevor ich das erste Mal mit dessen großem Vorbild in Berührung kam.
Aventus war mir seit geraumer Zeit ein Begriff, aber trotz des großen Hypes kam ich nie wirklich in Stimmung, diesen zu testen. Warum auch, der Preis erschien mir sowieso zu hoch, um einen Kauf in Betracht zu ziehen und nur mit kleinen Abfüllungen wollte ich mich auch nicht zufrieden geben. Vor ein paar Wochen stieß ich dann auf L'Aventure, der offenbar Aventus ähneln sollte. Aus Lust und Laune habe ich einen Versuch gewagt und diesen Duft als Blindkauf in meine Sammlung aufgenommen, ohne auch nur irgendwelche olfaktorischen Vorerfahrungen mit Creed's Aushängeschild gemacht zu haben. Im Hinterkopf, nun wohl ein wahrliches "Pantydropper"-Replikat vor mir zu haben, begann ich voller Freude mit einem ersten Test. "Mhm...aha..." schwirrte es mir durch den Kopf, nachdem meine Nase ein paar Mal am Handgelenk geschnuppert hat. So sollte also der "König der Düfte" riechen (zumindest zu 95 % laut diversen Parfümgemeinden)? Nicht schlecht, aber auch nicht überragend. Ich war enttäuscht, hatte ich mir nach meinem Spontankauf so viel erhofft. Mit der Zeit gefiel mir L'Aventure jedoch immer besser, vermutlich auch, weil ich eher ein Fan von schweren, weniger fruchtigen Düften bin und ich mich erstmal umstellen musste. So kam es, dass ich nun doch endlich wissen wollte, wie dieser sagenumwobene Aventus genau duftet, auch wenn ich im Besitz eines wohl würdigen Dupes war. Daher suchte ich eine nahegelegene, etwas exklusivere Parfümerie auf, um am "Original" zu schnuppern. Gesagt, getan, gesprüht. Keine zwei Sekunden dauerte es, bis mir die Duftwolke ein Schmunzeln entlockte. "Den kenn ich, das ist L'Aventure, zu 100 %, kein Zweifel!", entschied ich. "Lieber noch etwas warten, wird meinen Al Haramain sicher noch übertrumpfen, sagen doch alle Aventus-Liebhaber, dass die Klone nur Klone sind und ihrem Vorbild letzten Endes unterlegen sind.", dachte ich. Doch nichts tat sich. Waren sich die beiden im Auftakt schon sehr ähnlich, näherte sich Aventus im Kampf um meine Gunst immer mehr meinem L'Aventure an, bis ich letztendlich völlig überzeugt war: Beide Düfte sind, bis auf den Auftakt (der Punkt geht an Aventus) und diversen Spitzfindigkeiten, die ich nicht zu beurteilen vermag, gleich.
Weswegen es teilweise gespaltene Meinungen zu Aventus und L'Aventure gibt, kann ich nicht verstehen. Aus Sicht eines Typen, der eine Vorliebe für schöne Düfte hat, sich jedoch weniger für deren Zusammensetzung interessiert (solange diese ein stimmiges Bild ergibt), kann ich keine wirklichen Unterschiede feststellen. Der Auftakt bei L'Aventure ist etwas zu chemisch geraten, dafür schlägt er Aventus in Sachen Haltbarkeit und Sillage. Hier war ich jedoch auch ein klein wenig enttäuscht, da L'Aventure nach kurzer Zeit nur noch körpernah war. Diesbezüglich habe ich mir von Aventus bei weitem mehr erhofft, nicht zuletzt wegen seines horrenden Preises. Dass dieser hier schlechter als mein Dupe abschnitt, verwunderte mich doch sehr und brachte mich zum Entschluss, dass er tatsächlich überteuert ist. Klar, es mag viele Aventus-Fans geben, die ihn nie gegen einen Klon eintauschen würden. Dennoch bin ich überzeugt, dass dies weniger aus der den Nachahmungen überragenden Duftkomposition resultiert, sondern eher aus einer gewissen Verliebtheit in den Namen und den Ruf. Das mag vielleicht vergleichbar mit einem teuren Poloshirt (von Lacoste, Armani etc.) und dessen Besitzer sein, der auf die hohe Qualität des Stoffes schwört, welche die eines No-Name-Shirts übertrumpfen soll. Nichtsdestotrotz wurden beide unter den vermutlich gleichen Bedingungen hergestellt, nur mit dem Unterschied, dass das Lacoste-Shirt das Fünffache kostet und seinem Besitzer ein Gefühl der Überlegenheit gegenüber billigeren Kleidungsstücken vermitteln kann. Dies könnte ihn seiner Objektivität bei der Beurteilung von Qualitätskriterien berauben.
Gegen pauschale Punktabzüge bei Dupes habe ich daher was. Nur weil es eine Sache schon gibt und diese bereits ein (mehr oder weniger gerechtfertigtes) Prestige-Level innehat, kann ich Ableger davon doch nicht aus Prinzip schlechter bewerten. Düfte möchte ich als Genießer beurteilen, nicht als Hobby-Patentamtler.

Ich will hier natürlich nichts unterstellen, jede Nase nimmt anders wahr und kommt zu verschiedenen Schlussfolgerungen, sodass nicht generalisiert werden kann, wer nun wem überlegen ist und ob gewisse Preise gerechtfertigt sind. In meinen Augen ist Al Haramain ein wirklich toller Duft gelungen, den ich Gott sein Dank eine Weile vor meiner ersten Aventus-Begegnung kennenlernen durfte und so meine Unvoreingenommenheit behalten konnte (mir scheint es ja manchmal fast so, also würde ich Aventus als L'Aventure-Klon sehen :) ). Vermutlich wird L'Aventure immer im Schatten von König Aventus stehen. Ob sich die Ära des Königs je dem Ende neigt, ist zu bezweifeln, auch wenn eine rationale Einschätzung bzgl. seines Preis-Leistungs-Verhältnisses die Position am Thron nicht wirklich rechtfertigen kann. Hier steht sein Kronprinz in den Startlöchern und besitzt alle Eigenschaften (bessere Performance, ein mehr als vernünftiger Preis), um den Herrscher von diesem zu stoßen.
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