Sarungal
Sarungals Blog
vor 9 Jahren - 25.06.2015
10 22

Balmains Silver Aventus de Oud

[Dieser Blogbeitrag enthält Spuren von Kommentaren, die in Einzelfällen allergische Reaktionen hervorrufen können.]

Ich hab’s mal wieder getan und einen Spaziergang mit Aventus unternommen.

Das kam so: Nach dem sommerschlussverkäuflich preisreduzierten Erwerb mehrere meiner Lieblingshemden bei einer spanischen Modekette stolperte ich in den gegenüber liegenden Oberpollinger. Üblicherweise vermeide ich dieses Geschäft; nicht wenige der dort Beschäftigten benötigen dringend einen Intensivkurs bei Turandot, um zu verstehen, dass jede erfolgreiche Verkaufstätigkeit zuallererst den kompetenten Umgang mit den unterschiedlichsten Menschen einfordert – und zwar völlig unabhängig vom angebotenen Sortiment.

Erwartungsgemäß geriet ich an einen nicht wirklich unfreundlichen, aber doch etwas bräsig-selbstgefälligen Herrn, der mir meine 3 beabsichtigten Papiertests gnädig gestattete. Mehr noch: er verstieg sich sogar zu einer Empfehlung und besprühte einen 4. Streifen mit einem blauen Bond Nr. 9, dessen Name mir bereits entfallen ist. Blöd von mir, denn er wollte ihn als Alternative zu Creeds „Aventus" anbieten – und das Zeug machte auf dem Papier keine schlechte Figur. Tatsächlich gefiel er mir sogar besser, aber ich wollte ja unbedingt meine Erfahrungen mit dem Schlüpfersprenger vertiefen. Der fand dann auch prompt seinen Weg auf mein linkes Handgelenk; sein rechtes Pendant wurde (plangemäß) mit Royal Oud eingenebelt, der "Virgin Island Water" auf dem Papier ausgestochen hatte. [Dass ich ca 60 Minuten zuvor bei Karstadt „Carbone de Balmain" einem Papiertest unterzogen hatte, tat den Creeds übrigens nicht gut…]

Der große Unbekannte in diesem „Test" war Royal Oud; seinen Kollegen „Aventus" hingegen hatte ich schon zweimal auf meiner Haut gastieren lassen. Der Hintergedanke: vielleicht würden wir ja doch noch Freunde werden, dieser napoleonische Eroberer und ich.

Während die Creeds arbeiten durften, schlenderte ich durch die Stadt, trank einen Kaffee und beschloss anschließend, auch noch der Parfümerieabteilung bei Beck einen Besuch abzustatten – nicht zuletzt, um den Fachverkäufer meines Vertrauens nach seiner Meinung zu den Düften auf meinen Handgelenken zu befragen. Der hatte frei – dafür übernahm eine Kollegin, die schon meinen letzten Besuch sehr charmant flankiert hatte. Sie machte mich – warum auch immer – bekannt mit Amouages „Silver", das seither an einer weiteren, strategisch ausreichend weit entfernten Stelle meine Haut olfaktorisch dekoriert. Mein linkes Handgelenk kommentierte sie übrigens trocken mit „Aventus halt", während eine Kollegin den Duft kaum wiedererkannte: sie fand ihn unerwartet „warm" – angenehm, aber weniger frisch als gewohnt.

Dass keiner der Passagiere in der U-Bahn vor mir Reißaus nahm, wundert mich noch immer; ich bin ziemlich sicher, dass ich eine recht kühn riechende Duftwolke im Schlepptau hatte.

Jetzt bin ich seit geraumer Zeit zu Hause, schnüffle hier, schnuppere da – und stelle fest, dass auch die dritte Begegnung mit „Aventus" nicht in jeder Hinsicht von Erfolg gekrönt war.

Seine Königliche Hoheit Oud immerhin entwickelt sich durchaus erfreulich: ein runder warmer Duft von karamelliger Süße, der ohne Klebrigkeit (und verblüffend dezent) ein recht unauffälliges Bouquet von mild-holzigem Charakter verströmt. Kein Kracher mit Wow-Effekt, aber ein im besten Sinne solider Duft, der wahrscheinlich eine noch bessere Figur abgibt, wenn die Bäume kein Laub tragen.

Auch „Aventus" ist inzwischen dort angelangt, wo ich ganz gut mit ihm klarkomme: Momentan duftet er ein kleines bisschen vanillig-erdig, der Wacholderrest im Aroma sorgt für eine zarte würzig-grüne Spitze, und das Gesamtbild wirkt – ich finde kein anderes Wort – sehr korrekt - nicht zuletzt dank der balsamischen Wärme, die der Amber beisteuert.

Damit hat sich auch die Rasierwassernote erledigt, die mich vorher grundsätzlich irritiert: gute 3 bis 4 Stunden lang begegne ich nämlich einem Duft, den ich in jedem Blindtest sehr rasch und zielsicher bestenfalls im mittleren Preissegment verortet hätte - als „was Neues von Boss oder so". Kein Wunder bei der Kopfnote: Deren Anna-Nässe (geklaut, aber gut!) reicht für meine Nase eben doch nicht aus, um diesen letztlich zu konventionellen Duft zu tunen – aber kurzzeitig blendet sie gewaltig.

Dass ich überhaupt wiederholt versuche, mich diesem Duft zu nähern, hat einen schlichten Grund: Ich weiß, dass ich für überambitionierte Düfte eher theoretischen Respekt als praktische Zuneigung entwickle – insofern müsste für ein olfaktorisches Herdentier wie mich ein querbeet geschätzter Duft wie Aventus doch eine sichere Bank sein. Bislang allerdings stimmt die Chemie einfach nicht – oder mir fehlt das entsprechende Nasentraining, so dass mir die Geheimnisse der Komposition verschlossen bleiben. Die Basis immerhin kann ich tatsächlich gut leiden…

Dafür ist Amouages „Silver" eine echte Bombe, deren florale Pracht mich fast wegbläst; selbst die Zitronenpflaume im Opening blüht mehr als dass sie Fruchtigkeit verheißt. Inzwischen zeigen sich leichte Verholzungstendenzen, die sich verblüffend gut mit der Blütenpracht vertragen. Dieser Duft ist tatsächlich äußerst eindrucksvoll; eine bislang unbeantwortete Frage ist, ob ich tatsächlich so duften möchte (und wenn, dann wann…).

Das bringt mich zurück zum allerersten Duft des Tages, den ich kaum mehr rekapitulieren kann, weil ich ihn nur auf dem Teststreifen erlebte: „Carbone de Balmain". Dennoch scheint er mir rückblickend der aussichtsreichste Kandidat zu sein: den fand ich wohlriechend, überhaupt nicht banal und außerdem äußerst tragbar. Dass er darüber hinaus der preiswerteste der 4 Düfte ist, spricht kaum gegen ihn.

So weit mein heutiger Bericht aus Nasenhausen. Er maßt sich keine Relevanz an, sondern wirft nur ein Schlaglicht auf das, was ein Parfumfreund so treibt, wenn es seine Zeit erlaubt…

10 Antworten

Weitere Artikel von Sarungal