Sarungal

Sarungal

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11 - 15 von 69
Sarungal vor 9 Jahren 18 14
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
7
Duft
Mach doch mal die Kellertür zu!
Wie bespricht man einen Duft, der sich heute so und morgen anders präsentiert – mit dem Wissen, dass eigentlich nur der Träger selbst anders wahrnimmt, was prinzipiell immer gleich duftet? Ich versuche eine Annäherung durch schlichte Beschreibung, stelle aber mein Fazit ausnahmsweise an den Anfang: „Oud“ ist ein äußerst (!) haltbares Parfum mit nicht geringer Sillage, das mir gelegentlich gewaltig stinkt – immer dann nämlich, wenn sich die Safran-Note vorzudrängeln scheint. Dann versetzt mich das Parfum in ein Kellergewölbe voller lang vergessener Obstbestände, die – inzwischen von aller Fruchtigkeit befreit – stechend-muffig vor sich hin gammeln, olfaktorisch unfreundlich begleitet von den Schimmelaromen feuchter Wände. Die unbestreitbare Süße der Komposition verwandelt sich dann in ein Warnsignal, das den Geruchsrezeptoren ein schallendes „Finger weg!“ diktiert. Instinkte werden getriggert, die mich davon abhalten sollen, Lebensmittel zu konsumieren, die schon lange die Schwelle zur Ungenießbarkeit überschritten haben. Der Akkord ist mir nur allzu bekannt: Auch Brionis Herrenduft wirft ungeniert die Safran-Oud-Kombo ins Rennen. Mag er sich sonst auch völlig anders präsentieren – in dieser Hinsicht ist das subjektive Abschreckungspotential identisch.

Während der Brioni aber für mich grundsätzlich nicht funktioniert, zeigt sich Reminiscences „Oud“ an anderen Tagen plötzlich versöhnlich: Da scheint der Safran zu schweigen. Das ist physikalisch ausgeschlossen, wahrnehmungstechnisch allerdings offensichtlich möglich. An solchen Tagen erlebe ich eine ausgewogene, sehr reizvolle Komposition – nie völlig frei von einer leicht irritierenden Muffigkeit, aber doch spannend, interessant und auf eine schräge Weise wohlriechend. Ungeachtet dessen ist der Duft für mich doch vor allem ein Sofaparfum: Selbst in seinen guten Momenten will mir „Oud“ nur bedingt gesellschaftsfähig erscheinen. In den schlechten nötigt er mir die rasche „Behandlung“ mit dem olivenölgetränkten Wattebausch auf. Letzteres funktioniert übrigens recht gut und beseitigt unangenehme Gerüche beinahe rückstandsfrei.

Die Kopfnote allerdings ist über jede Diskussion erhaben, wenn auch leider zu flüchtig: Ein mit bergamottigen Farben zusätzlich aufgefrischter, minimal gesüßter Kardamonschwung eröffnet den Duftverlauf. Er duftet wunderbar würzig und dürfte gerne länger wirken, zumal der Pfeffer diese Frische angenehm schärft, ohne wirklich laut zu werden.

Anschließend folgen in meiner Wahrnehmung die bereits benannten optionalen Duftverläufe. Den Abschreckenden habe ich weiter oben bereits hinlänglich geschildert, sodass ich mich hier auf seinen charmanteren Bruder konzentrieren möchte. Der nämlich präsentiert mir den Duft beinahe frei vom safranlastigen Blümchenherz. Selbst die Rose zaubert nur eine Idee von floraler Bereicherung ins Aroma, drängelt aber nicht nach der Duftkrone im Bouquet. Dafür strebt ein buttercremiges Adlerholz zielsicher ins Geschehen. Es erscheint leicht rauchig, dank der vielfältigen hölzernen Begleittruppen eher waldig denn medizinisch situiert und auf eine sehr zurückhaltende Weise die Süße der Eröffnung aufgreifend. Der Dank für diesen Zauber geht vermutlich zuallererst an das Guajakholz; Labdanum und Tonkabohne vertiefen im weiteren Verlauf die zarte honigweiche Süße und bereichern schließlich die Komposition um eine Note, die mit „Vanille“ nur unzureichend beschrieben ist. Sie wirkt im Verbund der Aromen eher gedämpft würzig-harzig, zitiert die holzigen Einflüsse und schenkt ihnen dennoch obendrein eine angenehm ungourmandige Lieblichkeit.

Den „Memoir Man“, den Dave gefunden hat, suche ich (auch im für mich angenehmeren Duftverlauf) vergeblich; bestenfalls dank der würzig-süßrauchigen Komponente kann ich die Idee nachvollziehen, ohne jemals selbst auf sie zu kommen. Vermutlich stehen dieser Assoziationen die Einflüsse des Safrans im Wege, die zweifellos auch dann in irgendeiner Weise manifest sind, wenn meine Nase sie gnädig ausblendet. Latent droht mir tatsächlich immer ein wenig Kellermoder in diesem „Oud“ – das gilt auch dann, wenn ich einen kompatiblen Tag erwische und meine Nase den Duft goutiert.

Den rauchig-holzigen Charakter schätze ich sehr (auch wenn ich inzwischen gerne einmal eine ungesüßte Variante dieses Typs erleben würde), die drohende Treppe abwärts ins Kellergewölbe aus dem 13. Jahrhundert mindert den Spaß fallweise aber erheblich. Insofern fällt mir die Bewertung des Parfums recht schwer; zwischen 45 und 85 Prozent sind – je nach Tagesform – locker denkbar. Als Optimist entscheide ich mich heute für 70% - und werde nötigenfalls eventuelle Korrekturen mit einem „Edit“ begründen.
14 Antworten
Sarungal vor 9 Jahren 11 6
5
Sillage
5
Haltbarkeit
7
Duft
17 Uhr in Fischbachau
Seetang-Absolue?
Die olfaktorische Palette reicht hier angeblich von aquatisch-frisch bis brackig-modrig – eine Definition, die kaum Erstaunen auszulösen vermag, auch wenn die subjektive Erwartungshaltung mit dem Schlimmsten rechnet. Frei von allen duftpyramidalen Informationen konstatiert der geneigte Tester erfreulicherweise einen angenehm wässrigen Hauch von Frische in der Eröffnung, dessen salzige Anteile homöopathisch stark potenziert (mithin also nicht vorhanden) sind. Damit weht eine angenehme Brise im Geschehen, zauberhaft ergänzt von den lichtgrünen Duftfarben eines Auwaldes: Es scheint, als assoziierte ich ohnehin eher Schlier- denn Nordsee. Ob diese Eröffnung ausreicht, um „El Pasajero“ ins aquatische Genre einzuordnen, ist eine Frage, die ich mit einem entschlossenen „Eigentlich jein!“ beantworte.

Mühelos lassen sich die floralen Anteile im Bouquet goutieren: So charmant verblendet, so frei von aller Prunksucht, so bar aller Schwülstigkeit erscheint die Blumigkeit eher vollsaftig als blühend. Dass es die Magnolie ist, die hier mehr knospend denn in voll entfalteter Pracht ihre Aromen einbringt, muss ich ebenso glauben wie den behaupteten Einfluss von Methyl Dihydrojasmonate. Letzteres imitiert seit 1959 erfolgreich Jasminnoten – sie in Lenglings Duft zu konkretisieren gelingt mir immerhin etwas besser als bei der Magnolie. Insgesamt aber begegnen uns die floralen Anteile als sonnenhelle Naturprojektionen ohne eindeutig definierte Herkunft; flüsternde Blüten in gedecktem Weiß etablieren den floralen Gedanken als dezente, durchaus liebliche, aber kaum süße Duftfarbe.

Sehr elegant stellt Osmanthus seine pfirsich-flauschigen Aromen wie fruchtige Duftpuffer ins Bouquet; sie sind durchaus identifizierbar, balancieren gekonnt auf dem Grat zwischen Blüte und Obst und singen doch unisono im Chor mit den übrigen naturnahen Noten. Ihr seht mich beeindruckt!

Wohl lese ich „Ambra“ – und fände doch weitaus lieber „Minze“ in der Pyramide: Während sich Ersteres meiner Nase nur schwach erschließt (besser ist das!), nehme ich eine zischfrische Note im Duft wahr – dezent und unaufdringlich, gänzlich unmedizinisch und gewiss bar aller kaugummierten Plattheit. Sollte ich an dieser Stelle halluzinieren, dann sicher nicht zum Schaden der Komposition: „El Pasajero“ jedenfalls behält die Frische der Eröffnung, die Brise vom Auwald bleibt belebend, und die blümelnd-grünen Noten verbreiten weiterhin eine gelassen-heitere Stimmung.

Das wirkt frühsommerlich, noch unbelastet von drückender Hitze und feuchter Schwüle; wie die jüngst vom Regenschauer erfrischte Uferböschung eines lebhaft strömenden Gebirgsbaches. Sicherlich passt Benzoe ebenso wenig zu meiner Assoziation wie Seetang und Jasmin – aber die harzige Grundierung will mir ohnehin vornehmlich als Fixativ erscheinen. Nebenbei spendiert sie dem Duft ein wenig Tiefe, eine Idee von Süße und nicht zuletzt auch eine sanft geerdete Pudrigkeit.

Offiziell übrigens – der Name „El Pasajero“ deutet es ja bereits an – sollte ich mich des Nächtens unter strahlenden Sternen in Andalusiens Bergen wiederfinden; dass es bei mir eher 17 Uhr in Oberbayern ist, bitte ich zu entschuldigen. Auch meine Nase arbeitet defizitär: Die „seidige Magnolie“, die konkret zu identifizieren mir nicht recht gelingen will, fungiert offiziell als „wunderschöner Kontrast“ zur „Brillanz“ der spanischen Sommernacht. Blöd – bei mir erweist sie sich als herausragend teamfähiger Mitspieler ohne Allüre.

„El Pasajero“ ist - trotz aller Freude am Duft – nichts, das ich selbst unbedingt tragen möchte; das dürfte aber aktuellen Geschmacksvorlieben geschuldet sein. Jenseits persönlicher Präferenzen gefällt mir Lenglings Parfum sehr gut, auch wenn es sicher keine neuen Horizonte eröffnet. Immerhin ist „El Pasajero“ - im Gegensatz zum Kollegen Nr. 5 („Eisbach“) – ganz bestimmt für Jungs wie Mädchen geeignet.

Fazit: Der unbekannte Parfumeur (was soll das eigentlich?) hat sein Können eindrucksvoll unter Beweis gestellt und einen charmant-hellen Duft kreiert. Monumentale Haltbarkeit und hallenfüllende Sillage bietet „El pasajero“ nicht, dafür aber offensichtlich eine breite Palette an Assoziationsoptionen von Andalusien bis Fischbachau – eine olfaktorische Wunderwaffe für Reisefaule…
6 Antworten
Sarungal vor 9 Jahren 27 10
10
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
8.5
Duft
Indecent confessions – Carby goes public
Hallo Leute. Mann, ich freu’ mich so, euch zu sehen.
Wollte mich ja schon länger mal zu Wort melden, aber mein Sprayer hat gebremst. Sarungal heißt der – kennt ihr? Hatte kurz mal den Ruf, ein humorloser Satireverächter zu sein. Is’ aber Quatsch. Der hüpft nur zielsicher immer auf die Seite der Wippe, wo’s Gewicht fehlt. Balance und so – muss ich nicht verstehen, is’ aber so. Und manchmal labert er sich’n Wolf statt einfach nur „super“, „okay“ oder „scheiße“ zu sagen. Is’ vermutlich ne Berufskrankheit.

Bei dem wohn’ ich – schwierige Nachbarschaft, echt jetzt. Nebenan haust Ceddy – aber wehe, Ihr nennt ihn so! An der Klingel steht nämlich „Cedrat Boise Mancera“. Der gute Ceddy is’ leicht verwirrt; oft steht er einfach nur so rum und brabbelt: „Ich bin nicht verwandt mit Monsieur Aventus!“ Den Typen kenn’ ich nicht, muss aber’n übler Kerl sein: jedenfalls is’ Ceddy geradezu besessen von ihm.

Auf der anderen Seite wohnt Memmy. Echt ne geschniegelte Socke, immer ganz in Schwarz gekleidet und mit einem diabolischen Leuchten in den Augen. Meinetwegen – wenn er nur nicht so arrogant wäre. „Du bist ich – in klein, zart und schlecht!“ – das sagt er gerne, wenn wir uns nach der Hand drängeln. Arschloch! Wenn er wenigstens älter wäre als ich – isser aber nich’, der feine Herr Man. Manchmal trägt er Turban – schaut voll affig aus, passt aber irgendwie. Is’ halt’n Spinner!

Nach hinten raus hab’ ich auch noch’n Nachbarn, aber der kommt so gut wie nie vor die Tür. Adlig isser – glaub ich zumindest. „De Vetiver“ heißt er nämlich mit Nachnamen. Sel is’n Netter, aber völlig frustriert, weil die Hand ihn bestenfalls mal im Treppenhaus herum schiebt, bevor er wieder in seine Wohnung muss. Armer Kerl!

Die übrigen Leute im Haus kenn’ ich nicht so gut – Ihr wisst schon: andere Etage, nächster Eingang etcpp. Außerdem wollt’ ich Euch ja was von mir erzählen. Ihr könnt mich Carby nennen. Keine Angst: Ich bin nicht adlig, obwohl ich mich offiziell immer mit „de Balmain“ vorstelle – is’ aber nur’n Künstlername. Klappern gehört halt zum Handwerk. Weil ich eher nicht so’n Lauter bin, hab’ ich mir’n hübschen Namen ausgesucht. Kommt gut, oder?

Mein Sprayer sagt immer, ich könne zaubern. Glaubt ihr nicht? Könnt ihr aber – obwohl der Trick echt simpel ist. Ich rupf’ n bisschen Efeu aus, kipp ne ordentliche Ladung Pfeffer drauf … die Dame in der letzten Reihe: Viel zu wenig Pfeffer … und verpass Euch so den krass intellektuellen Anstrich. Bleistiftfeeling. Ach so, kennt Ihr Computerkids schon gar nicht mehr. Tolles Schreib- und Zeicheninstrument. Hinters Ohr geklemmt schaut ihr total megabusy aus – und erst der Geruch. Metal Wood. Klingt wie ne hammergeile Musikrichtung, right? Ist aber eher so was wie Zedernspäne im Eisenbottich. Und weil nich’ jeder den Geruch rattenscharf findet, werf ich dann noch’n bisschen süßes Harz in den Topf. Für die, die nich’ so auf Bleistift stehen – obwohl jeder drauf rumkaut … okay, rumgekaut hat.

Jedenfalls raucht’s jetzt - nicht so krass wie nebenan bei Memmy, wo ständig die Melder anspringen und die Feuerwehr vorfährt. Der Bottich riecht auch nicht mehr nach Eisen; is’ wahrscheinlich besser so. Damit das Ganze … Moment – hört Ihr das auch? Boah, das nervt sooo. Sorry, ich muss mal eben an die Decke klopfen.

Und? Viel besser, oder? Wie soll man sich konzentrieren, wenn obendrüber dauernd jemand singt: „Ich bin Holz | und voll Stolz!“. Is’ übrigens der Boris Schwarz. An sich n feiner Kerl, aber mit ner gewaltigen Meise: völlig besessen von Holz! Wahrscheinlich ist er frustriert, weil die beim Klingelschild das R in seinem Vornamen vergessen haben. Voll kein Respekt, typisch Hausmeister…

Wo war ich? Danke - beim Bottich. Naja, ich geb’s ja zu: Eigentlich will ich ja total geliked werden. Is’ nich’ so leicht mit dem Bleistift – aber der muss sein. Für die Hater schmeiß ich aber n bisschen was Fruchtiges hinterher und noch’n kleines Piece obendrauf. Ja nee, Jungs – nicht, was Ihr denkt. Heißt Olibanum und macht null high, riecht aber gut. Bisschen wie in der… - ach, vergesst es, da wart Ihr eh noch nie! Und die Frucht trocknet im Bottich sofort aus – sorry an alle Kompott-Fans. Macht das Ganze nur’n bisschen schmackhafter; soll ja auch nicht so müffeln wie dort, wo ihr noch nie gewesen seid.

Ihr kommt mit? Bleistiftnote, leicht verpfiffen (heißt das so, wenn man Pfeife raucht?), bisschen süß abschmecken und vornehm abdampfen. VOR-NEHM … die Dame in der letzten Reihe: viel zu viel Weihrauch! Das können Sie beim Memmy durchziehen, aber nicht bei mir!

Der Rest ist eigentlich voll easy: Vanilleschoten auskratzen, ab in den Bottich mit dem Zeug, gut umrühren, noch’n kleines Piece hinterher, damit’s besser hält, und ne Idee Moschus – ja, ich schau Sie an, Madame: Idee heißt: fast nichts, kapiert?

Wenn irgendjemand behauptet, ich würd’ da noch mehr reinhauen: Glaubt ihm nicht! Oder – glaubt ihm unbedingt … aber ich werd’ doch hier nicht mein Geheimrezept verraten.

Hauptsache, am Ende dampft’s geil vanillig aus dem Bottich – nicht zu süß, aber metal-free. Die Frucht – ich sag immer „Schwarze Feige“, aber anderes Dörrobst tut’s auch – macht das Zeug weicher, und die drei Pieces schmeißen noch’n bisschen Holz in den Rauch. Kommt ja auch aus’m Holz, das harzige Scheißzeug. Steh ich voll drauf – aber sagt das nicht dem Boris: Ich glaub’, der sucht Anschluss. Nachher krieg ich ihn nicht mehr los…

Ich bin nicht so anhänglich, aber das hat voll die Vorteile. Ich häng’ ja auch nicht immer mit den gleichen Leutz rum. So nach spätestens sechs Stunden mach’ ich meistens Pause – kann ja mal’n Anderer malochen, oder? Dafür ist mein Stundensatz total okay – ich will ja keinen ruinieren. Denkt man gar nicht, wenn man mich so sieht, oder? Geiles Outfit, seid ehrlich! Und überhaupt bin ich voll der gute Begleiter: scharfe Optik, gutes Benehmen, nie zu laut – und fast überall gern gesehen. Und – Bock auf mich?

Hey … Hand!
Finger weg!
Loslassen!
Menno…
Immer muss ich auf mein Zimmer.
Leutz, Ihr seid krass geil!
Hat Spaß gemacht mit Euch.
Ich komm wieder... versprochen!
Siiiiyaaaaaaaaaaaa…
10 Antworten
Sarungal vor 9 Jahren 13 7
5
Sillage
5
Haltbarkeit
7
Duft
„Geht doch!“ oder „Vom guten Lengling“
Explizit als Herrenduft lancieren die Lenglings ihr „Acqua Tempesta“. Das ergibt Sinn, wenn man ihn mit dem kaum maskulinen Auftritt ihres „Eisbachs“ vergleicht, ist aber letztlich nicht zwingend. Immerhin gelingt ihnen mit diesem Duft eine Punktlandung: Die Balance von herber Frische und milder, seifig-charmanter Holzigkeit ist wirklich nasenschmeichelnd, der dezente aquatische Touch bereichernd und die Komposition insgesamt außerordentlich peppig.

Dass hier ein wenig schamlos im Fundus gekramt wurde, wirft einen kleinen Schatten auf die Kreation: „Sel de Vetiver“ meets „Vetiver Veritas“ meets „Menthe fraiche“ meets… aber immerhin verblendet der Parfumeur seine Anleihen geschickt und organisiert seinem Duft damit einen dekorativen Platz im Stammbaum seiner prominenten Verwandten. Warum sich die Lenglings ihren Eklektizismus so gut bezahlen lassen, ist eine andere Frage, die der Konsument an der Kasse beantworten muss.

Mit einer gehörig frischen Pfefferminzbrise eröffnet „Acqua Tempesta“ und zeigt damit gleich zu Beginn starke Präsenz. Auch eine Idee von Meer weht durchs Aroma – kaum salzig, aber doch ausreichend aquatisch für einen olfaktorischen Kurztrip ans Gestade. Dankenswerterweise vermeidet der Duft erfolgreich jene Fischigkeit, die mir nicht nur das allseits geschätzte „Sel Marin“ nachhaltig verleidet: Das Meer bleibt abstrakter Gedanke.

Niedlich will mir das Cannabis in der Pyramide erscheinen; seinen typischen grün-harzigen Duft findet man nämlich selbst dann kaum, wenn man mit ihm vertraut ist. Vielleicht dient er aber auch nur zur Abrundung der süßgrasigen Noten, die schon recht bald der minzigen Eröffnung den Schneid abkaufen, ohne sie völlig zu verdrängen. Während Heeley in „Vetiver Veritas“ einen ähnlichen Gedanken konsequent bis zur Sperrigkeit durchdekliniert und seinem Vetiver auch die charmefreien, trockenholzigen Nuancen unter den Minzflämmchen zugesteht, geht es bei Lenglings kultivierter zu. Wir begegnen einem sehr freundlichen, gesittet grünholzige Noten ins Bouquet strahlenden Vetiver im züchtig-klassischen Rasierwassermodus. Seine Gouvernante heißt Hedion; sie trägt allerdings nicht das übliche Blümchenkleid, sondern kümmert sich erfolgreich darum, das Parfum hell und leuchtend zu halten. Deshalb findet sich kaum eine Spur vom üblichen „süßgräs(s)lichen Gebrummel“ im Parfum. Dass Madame Hedion außerdem angeblich imstande ist, die Pheromonrezeptoren zu aktivieren*), erschüttert meine rottenmeierisch geprägten Vorstellungen von Gouvernanten heftig…

Viel mehr tut sich nicht in „Acqua Tempesta“; nach durchaus stürmischem Beginn erreicht der Duft ruhigeres Fahrwasser und ringt sich schließlich auch noch einen sehr leisen Hauch kaum harziger Lieblichkeit ab. Ebenso dezent bis homöopathisch dosiert mag man auch noch dem Weihrauch begegnen; ich hätte die milde Note aber ebenso gut dem Vetiver zugeschrieben: Auch der bringt manchmal seine rauchige Qualität ins Spiel.

Durchschnittlich sind Haltbarkeit wie Sillage; angesichts des aufgerufenen Preises könnte man… aber ich wiederhole mich. Ungeachtet dieser lengling’schen Kröte ist Acqua Tempesta ein erfreulich minziger Vetiver-Aquat – und damit weit weg von der oben genannten Einschätzung „holzig-rauchig“. Überhaupt wollen sich mir die Kurzbeschreibungen unterhalb des Parfumnamens oftmals nicht so wirklich erschließen; stammen die vom Hersteller oder beruhen sie auf dem Kaffeesatz der Duftpyramide?

Sei’s drum – „Acqua Tempesta“ klettert in meinem persönlichen Ranking souverän auf 75 Prozent, weil er absolut tragbar ist und dazu ausreichend seriös, ohne ein Langweiler zu sein. Dass ich mich am Ende für die 70% entscheide, ist dem Lengling-Malus geschuldet – sie werden’s verkraften.

*) Ruhr-Uni Bochum
7 Antworten
Sarungal vor 9 Jahren 28 15
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
5
Duft
Mia san mia!
Als Zugroaster (= Zugereister), den es – sich auf großväterliche Wurzeln besinnend – vor exakt 30 Jahre in die Isarmetropole zog, sind meine Eisbach-Assoziationen andere als die Turandots: allerdings genießen die Surfer heute das stärkere Medienecho. In den 80ern hingegen sorgte die Tatsache, dass man sich an der Wiese am Eisbach splitterfasernackt sonnen durfte, für Aufsehen – damals undenkbar in den anderen westdeutschen Metropolen. Touristengruppen, klischeemäßig angeführt vom regenschirmschwenkenden Stadtführer, zogen zwischen den unbekleidet Sonnenbadenden am Bach entlang, wobei sich vor allem die Japaner zahlenmäßig hervortaten. Mangels FKK-Zwang wurden die voyeuristischen Bedürfnisse allerdings nur manchmal vollumfänglich befriedigt – aber in der Regel kamen die Touris sicher auf ihre Kosten und bestaunten inspiriert (?) sonnenverbrannte Schwengel an nachbräunenden Bikinizonen.

Ich komme also nicht dagegen an, den Duft angesichts seines Namens mit meinen Erfahrungen korrespondieren zu lassen. Die Rahmenbedingungen jener Zeit trifft Lengling recht gut: Das übliche Bad im Wasser war angesichts einer beträchtlichen Belastung mit Kolibakterien nicht unbedenklich. Als Mahnmal dieser (jederzeit ignorierten Gefahr) taugt die schwülstige Schwere, die Lengling in den Flakon gestopft hat, sehr gut: Ich erschnuppere einen Haufen Blüten just in dem kurzen Moment, der sie zwischen dampfender Insektenattraktion und welkender Überreife einfängt. Irgendwie ist der Duft bereits kolibakteriell kontaminiert und von einer enervierenden floralen Süße geprägt. Freundlicher formuliert riecht „Eisbach“ wie eine graslose, frisch gemähte Blumenwiese, die seit vorgestern im Kompost brütet.

Ich bin weitgehend ahnungslos, was Damenparfums angeht, aber diese Art der Schwere ist mir durchaus vertraut: Während eines mehrjährigen Dauergastspiels in einer niedersächsischen Stadt besuchte ich häufiger ein Cafe nahe meines Arbeitsplatzes, das aufzusuchen sich als unterhaltsam herausstellte. Ein Kollege hatte nämlich die (scherzhafte) These aufgestellt, dass die Mehrzahl der älteren Damen, die sich dort zum Kaffeekränzchen trafen, ihren Gatten um die Ecke gebracht hätte. Manch’ Merkelscher Mundwinkel mag zumindest eine gewisse Lebensunzufriedenheit zum Ausdruck gebracht haben; ansonsten ging es da selbstverständlich nicht mörderisch zu. Allein der Duft, der sich winters gerne mal mit betörender Schwülstigkeit im Gastraum niederließ, war bedrohlich: Ein florales Vielerlei, dessen Schwere ab und an die neue Rauchfreiheit bedauern ließ. Mit der Kopfnote lande ich mithin in einer Stadt, die - so viel Konzidenz darf sein - von einem bayerischen Herzog gegründet wurde: Bye Bye, Eisbach, hallo Braunschweig.

Wird das nun ein donnernder Verriss? Nicht ganz, denn die Lenglings haben dankenswerterweise keinen Turbo implementiert. Anders ausgedrückt: nach einer Stunde, die durchzustehen mir nicht leicht fällt, wird es stiller im Geschehen, und die Wahrnehmung freut sich an einem runderen Eindruck. Fruchtige Reste flackern auf, ein grünlicher Schimmer weht durch die angefaulten Blütenblätter, und der Duft gewinnt endlich die Contenance, die er im Opening schmerzlich vermissen lässt. Hier zeigen sich dann verblüffende Parallelen zu einem als Herrenduft lancierten Parfum: Molvizars „5elements“. Wo der allerdings eine kleine maskuline Kante im Duft etabliert, finde ich hier keinen nackt badenden Mann: Bitte, Jungs, überlasst deshalb den Eisbach im Flakon den Ladies! Die dürften sich – nach überstandener Initialzündung – vermutlich ganz passabel beduftet fühlen mit Lenglings Referenz an Münchens Isarseitenlauf. Ohne monumentale weitere Duftentwicklung zeigt sich „Eisbach“ dann auch recht treu; dass die Sillage nur anfangs spektakulär ist, kann ich nicht als Nachteil einstufen.

Dem edlen Probenspender, der mir gleich sein ganzes Set überließ, danke ich an dieser Stelle herzlich. Ich bekam es geschenkt; er musste es für teures Geld erstehen. Das, liebe Parfumos, finde ich nun allerdings wirklich unfassbar: Wie kann man auf den arroganten, eigentlich dummdreisten Gedanken kommen, als Niemand in den anspruchsvollen Nischenmarkt zu drängen, ohne sich den Weg wenigstens mit kostenfreien Proben zu ebnen? Das kriegen ja sogar die verstockten Creeds gebacken; wieso Ihr nicht, liebe Lenglings? Meine Anmerkung ist vermutlich die Antwort: Auch miese Publicity ist Publicity. Mich stört wahrscheinlich am meisten, dass so das Münchner Klischee von der dicken Hose fröhliche Urständ feiert: Mia san mia – des könnma uns scho leist’n. Meine Sympathie, liebe Lenglings, habt Ihr damit nicht gewonnen; ob dieses Vorgehen auch verantwortlich ist für meine vergrätzte Nase – das zu entscheiden überlasse ich dem geneigten Leser.

Die Bewertung des Dufts hat mich angesichts dieser Gemengenlage tatsächlich beschäftigt; ich habe mich zu einer mathematischen Lösung durchgerungen. 30% gibt es für die Kopfnote und 75% für den weiteren Verlauf. Am Ende stehen dann rund 50% auf dem Zettel; angesichts dieses mauen Ergebnisses verzichte ich auf die geplante Zusatzabwertung von 10% für den elitär-präpotenten kundenunfreundlichen Markteintritt – obwohl es mich juckt…
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