SinLaurent

SinLaurent

Rezensionen
SinLaurent vor 3 Jahren 30 8
6
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Der ehrlichste und härteste Richter fällt sein Urteil: "stattgegeben"
Es gibt solche Menschen, und dann gibt es "solche" Menschen.

Nicht selten ist es passiert, dass ich mit meinen Passionen einen bleibenden Eindruck bei meinen Mitmenschen hinterlassen habe. Umso mehr freut es mich, wenn ich sehe, wie sie diese Passionen selber entfalten, ins nächste Kaufhaus rennen und Oud Satin Mood Extrait de Parfum als ihren ersten "Liebling" besorgen. Okay, zugegebenermassen hat dies selbst mich überrascht. Aber dann gibt es auch "solche" Menschen.

Mein Papa ist einer von denen.

Düfte nimmt er kaum war. Man könnte fast schon sagen, dass ihm die meiste Zeit nicht einmal auffallen würde, dass man Wasser-Perlen im Wert von 19 Euro pro ml auf seiner Haut spritzt. Bei einem längeren Besuch mal wieder zu Hause hatte ich natürlich meine ganze Bibliothek dabei. Doch nichts. Keine Reaktion. Kennt ihr das, wenn ihr fast schon darauf hofft, ein Kompliment für euren Geschmack zu bekommen? Weder Portrait of a Lady, noch Oud Wood, noch mein heissgeliebtes Tobacco Oud konnten ihm eine Reaktion entlocken. Wenn ich dann nachfrage, kommt meist ein Schulterzucken und ein "okay", dessen Enthusiasmus sogar an weniger Intensität erreicht als ich es hier beschreiben könnte. Doch eines Tages... "Was ist das für ein Parfüm?" Ruckartig blieb ich stehen, drehte mich um, und brauchte eine Sekunde, um mich zu fangen. Konnte es wirklich sein? Konnte der härteste Richter, der Querulant im Gefüge der Duft-Enthusiasten Gefallen an diesem Parfüm finden?

"Ich habe noch nie solch einen Duft gerochen. Er ist der beste, den du je hattest."

Stattgegeben.

Der Verteidigung fliessen Tränen über die Augen, als die Urteilseröffnung folgt. Der Duft sei einzigartig, sehr intensiv, irgendwie fruchtig aber gleichsam sanft. Für den sonst so wortkargen Mann... Ein grosses Statement. Und obschon er den Duft nicht wie ich beschrieb, wusste ich genau, was er meinte... Sähmig, ja zartschmelzende Mandelmousse, aufgeschlagen und darin gebadete aufgeschnittene Vanilleschoten. Im Auftakt der ein wenig "stechende" Johannisbeerstrauch, der mir ausserordentlich gefällt. Achtung, Sonne, hier komme ich! Le soleil c'est moi! Und so strahlt man und strahlt man und strahlt man, bis dass der Tag uns von der Nacht scheidet und die zwölf Stunden vergangen sind. Zärtlich schmiegen sich die Hölzer an mich und lassen ihren Duft ausklingen, mit der Hoffnung, dass mich auch morgen die Sonne ein weiteres Mal auf die Haut küssen möge.

Ich würde eigentlich ein kleines Geheimnis mit euch teilen, quasi eine Hypothese, was diesen Duft so besonders macht. Doch wenn ich euch dies verraten würde, dann wäre euer Bild komplett zerstört, und ich glaube sogar wirklich, dass ich Recht haben könnte. Fast 6 Monate ging es, bis ich diese Duftnote erkennen konnte und der Groschen endlich viel... Aber wie gesagt, manche Dinge sollte man nicht ans Licht bringen...
8 Antworten
SinLaurent vor 3 Jahren 10 5
10
Flakon
6
Sillage
5
Haltbarkeit
10
Duft
Angezogen von der anderen Seite...
Ich mag Gegensätze. Und ich mag Erinnerungen. Oud Wood hat in meinem Herzen einen festen Platz, den ich niemals mehr hergeben werde. Er mag zwar nicht mehr so gut sein wie früher, aber wie sagt man schon wieder: "Man kann nicht vermissen was man nie hatte". Nur das Träumen würde mir bleiben, aber das mache ich bereits jetzt schon. Ja, träumen, träumen und mich zurück erinnern.

Ich rieche an Oud Wood und fühle mich so, als würde mich die Substanz in sich hineinziehen. Durch einen Tunnel durch die Ewigkeit, wo ich Raum und Zeit vergesse und in einem parallelen Universum in einem Wald aufwache, angelehnt an einen Baumstamm auf welchem ich eingeschlafen war. Ich entscheide mich, noch einige Sekunden vor mich hin zu dösen. Boom. Der Alltag ruft. Tipp tipp tipp, derivativer Eigentumserwerb, tipp tipp tipp, gültige causa, tipp tipp tipp. Dann plötzlich, als hätte er sich von hinten an mich ran geschlichen, ein Hauch von angenehmer Wärme umgibt mich. Für eine Sekunde bin ich wieder im Wald, lasse meine Gedanken schweifen, sehe noch den Morgentau auf den Blättern, bin dort und atme diese vertraute Luft. "Die Kommilitonin bitte!".... verdammt, was war die Frage?

Es dämmert schon langsam, als ich rausstapfe und ich vergesse ganz, was ich eigentlich tun sollte. Ich bin halt eine selektiv disziplinierte Person. Ich lebe für die Momente, wo sich Ruhe und Abenteuer in Einem vereinen. So richte ich meinen schwarzen Mini-Rock, als ich bei der Kirche vorbeikomme. Es riecht nach sakralen Hölzern, die verbrannt wurden, und ich überlegte mir ganz kurz, ob ich es wagen sollte, einen kurzen Abstecher zu machen. Um Gottes (und des Pfarrers) wegen lasse ich es bleiben und laufe weiter.

Momentan habe ich niemanden an meiner Seite, mit dem ich solche Momente teilen könnte. Manchmal mache ich mir Gedanken, wie ich ihn bei der Hand nehmen würde, ihm den Sternenhimmel zeigen würde und all die schönen Sternkonstellationen. Und wir könnten gemeinsam über alles reden, über unsere Ängste und unsere Träume, unsere Pläne und unsere Schwächen, denn es wird sich anfühlen, als ob die gleiche Ewigkeit in zwei Körpern hallt. Und wir könnten gemeinsam still sein, gemeinsam diese Ausgeglichenheit der Natur geniessen, diese Ausgeglichenheit, die wir ebenfalls von den Hölzern der Erde geschenkt bekommen. Und ich würde ihm in die Augen schauen und hoffen, dass er das Gleiche wie ich spürt. Die Ruhe und Kraft, die dir vertraute Arme spenden können.

Doch bis dahin habe ich die ganze Welt. Die ganze Welt, und Oud Wood, der mich mit Anfang 20 in seinen Bann gezogen hat und auch 3 Jahre später nach etlichen weiteren Erfahrungen niemals im Stich gelassen hat. Auch wenn es vielleicht eher ein "Männer-Parfüm" ist, oder jedenfalls damit assoziiert wird, mag ich diesen Gegensatz. Es ist auch gerade dieser dunkle Unterton, das mystische, geheimnisvolle, das Dunkle, das mich so sehr in seinen Bann zieht.
5 Antworten
SinLaurent vor 3 Jahren 21 4
10
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
9.5
Duft
Wiedergeburt im falschen Zeitalter
Es gibt Geschichten darüber, dass sich einige Menschen an ihre früheren Leben erinnern. Ich glaube nicht daran. Ich weiss es. Wobei, wissen ist schon ein starkes Wort, aber ich gedenke zu wissen worüber ich rede, wenn ich von Parfüms und meiner Wiedergeburt erzähle.

Vorweg: Vielleicht wirst du dich nicht mit dieser Dame verstehen. Ich mag zwar viel jünger sein als sie, aber wir sind doch die selben. Wenn du vor hast, mit uns durch die Clubs zu ziehen und mit "Alien" bis um 9 Uhr morgens durchzutanzen, dann müssen wir dich leider enttäuschen. Wir werden auch nicht die Frauen sein, über welche die Typen nach dem Wochenende erzählen wie die Nacht mit uns war, und wie sich Black Opium auf unserer Haut anfühlte. Wir sind auch nicht die Art von Frauen, die waghalsig alleine die Welt mit einem Rucksack erkunden und ab und zu den Mut mit "Black Afghano" aufsprühen. Jeans hatten wir schon seit Jahren nicht mehr an (oder nie!) und wir mögen es unsere eigene Konfitüren und Seifen herzustellen.

Wieso wir so langweilig sind?

Weil wir all dies bereits gesehen haben.

Portrait of a Lady kann schon an einer Hand alle Finger abzählen, um zu zeigen, wie viele Jahrzehnte sie hinter sich hat. Sie trägt ihre Perlenkette um den Hals, die sie von ihrer Grossmutter vererbt bekommen hatte und trinkt jeden Morgen um exakt 9 Uhr den selben Schwarztee. Dazu das selbe leichte Gebäck. Man möge ihr neues Konfekt, neue Köstlichkeiten aus der weltbesten Konditorei reichen, doch sie wird ablehnen. Denn sie hat bereits gefunden was ihr gefällt (manche nennen sie deshalb auch "öde", "langweilig" und "spiessig"). Für ihren Geburtstag bekommt sie von ihrem Mann ihre Lieblingsrosen, vertun kann er sich nicht, denn die Dame hat seit eh und je den selben Geschmack. Irgendetwas an ihr erscheint, als hätte sie mit ihren Klamotten im Schrank gemeinsam den Winter überbrückt und ist gerade erst vor fünf Minuten herausgekrochen. Noch schnell klopft sie sich über ihre Kleidung, und irgendwas erinnert mich dabei an Kreidenstaub... Ja, feuchte Kreide.

Sie trägt nicht auf und wütet nicht. Sie bleibt doch zwingt sich nicht auf, sie hinterlässt eine Spur doch nur gewissen wird sie im Gedächtnis bleiben. Dass man sie prüde nennt, ist ihr gleich. Die Welt hat sie erblickt durch verschiedene Augen, und dieses Mal weiss sie, dass sie keinen Grund zur Eile hat, sich selber zu entdecken. Sie ist bereits am Ende, auch wenn es vielleicht erst der Anfang ist.
4 Antworten
SinLaurent vor 3 Jahren 18 9
Melancholie der Russischen Giganten
Dostojewski sagte einmal: "Wir sind die Sklaven von dem, was uns nicht glücklich macht."

Vielleicht ist dies auch der Grund, wieso ich solch eine Hass-Liebe zu diesem Parfüm entwickelt habe. Vielleicht liebe ich diese Melancholie einfach zu sehr, als dass ich sie jemals loslassen würde. Mich in ihre Arme legen, schön umhüllt in ihrem Schleier von Weihrauch, dort wo es so vertraut ist. Vertraut, obwohl ich zuvor noch nie von ihr gehört hatte.

Schon beim ersten Treffen liess sie mich aufatmen, ihre Präsenz durch die stechende Nelke war nicht wegzudenken, und ich wurde überrumpelt durch diese Gestalt, die ich nicht in Worte fassen konnte. War sie beschwipst? Oder war ich es? Ich wollte sie greifen, nach den Mandarinen suchen, die sie bei sich trug (oder spielte mein Geist mir nur einen Streich?), doch ehe ich mich versah – was auch länger dauern könnte in diesem Zustand des Deliriums – war plötzlich Ruhe. Wir waren angekommen. Mein Herz schlug immer langsamer, als ob es dumpf wurde. Als ob ich auf einem Bett nasser Hölzer gelegt wurde und nie mehr aufstehen wollte. Es passte einfach so gut. Und je mehr Zeit verging, desto mehr fiel mir auf, woraus diese Welt bestand: Ich liess meine Hand durch das Eichenmoos gleiten. Einsamkeit. Monotonie. Es ist doch alles gleichgültig. Pfefferkörner. Ein korruptes System. Ich werde niemals einen Ausweg finden. Was ist das Leben schon wert, was soll dieses Leiden schon bedeuten? Ladanum. Die Süsse der Melancholie. Wir können es nicht besser. Ich hasse dich. Doch ich brauche dich. Und während dem ich in meine Fantasien der Russischen Giganten flüchtete, der Ehebrecherinnen und der Intrigen, den Fragen nach dem Sinn und Unsinn dieses Daseins wusste ich, dass wenigstens sie bei mir war. Sie schlag sich um mich, in ihrem weissen Moschuskleid und flüsterte mir ins Ohr. Ich kann mich nicht erinnern, was es war. Aber das Gefühl... Es bleibt.

Ich senke meinen Blick und fühle mich schwer. Schwer, aber gleichzeitig auch glücklich. Die Schwere die ich liebte und mit mir trug, die ich nicht in tausend Jahren ablegen würde, weil es einfach so vertraut ist. Umhüllt in diesem Komfort, vielleicht in der Hoffnung, dass mich jemand findet und rettet, schreite ich voran. Aber bis es soweit ist, lasst mich hier. Ich mag diese Stille. Denn erst wenn alles schwarz ist, erkennst du die Farben des Weiss.

PS: Dies ist mein erster Eintrag hier. Ihr seid herzlich dazu eingeladen mir einige Tipps zu geben:-)
9 Antworten