Von Glenfiddich und Automobilen

Ich habe ein Vorstellungsgespräch. Es ist Montag. Neun Uhr morgens. Ich wiederhole: Montag morgen, 9:00 Uhr! Ein Unding. Das ist mitten in der Nacht. In der Nacht schlafe ich. Vor 12:00 Uhr stehe ich nicht auf. Doch heute ist das anders. Ich muss. Muss aufstehen. Ich muss aufstehen! Wegen des Vorstellungsgesprächs. Mitten in der Nacht.

Ich dümpel ins Bad. Mache mich fertig, fertig für das Vorstellungsgespräch. Ich muss Eindruck machen. Einen guten Eindruck, was sonst. Ich greife zum Flakon, drücke auf den Sprüher. "BOOZY FOR MEN". Das war gestern in der Post, gerade noch rechtzeitig. Ich drücke. Auf den silbernen Knopf, den silbernen Knopf vom Sprüher.  Einmal, zweimal, dreimal, zehnmal. Viel hilft viel. "BOOZY FOR MEN" ist einer meiner Lieblingsdüfte. Und Und praktisch ist der. Warum, werden wir noch sehen. Genauso praktisch, wie ein altes Auto, werden wir auch noch sehen. Meiner Frau gefällt der nicht. Also der Boozy. Meine Frau mag keinen Whisky, mag keine Männer, die nach Whisky riechen. Mir ist das egal, ich mag Whisky. Jedenfalls heute. Heute mag ich Whisky, ich habe ein Vorstellungsgespräch.

Ich nehme den Golf. Den alten Golf, der ist ein bisschen verrostet, den TÜV hat er nochmal gekriegt. Mit Hängen und Würgen. Kann man verstehen, schön ist der nicht mehr. Die Sonnenblumenkerne, besser deren Schalen auf dem Teppich, retten seine Gesamtsituation auch nicht. Den Boozy nehme ich auch mit. Nicht den Silver Spurt, der steht in der Garage. Ich meine den in der Flasche. Also im Flakon. Den nehme ich mit, den kann ich noch brauchen. Fürs Vorstellungsgespräch. Es schadet nicht, wenn man gut riecht. Nach Whisky zum Beispiel.

Der Chef streckt mir die Hand entgegen. Armani hat er an. Einen Anzug von Armani. Das erkenne ich sofort, habe auch einen, nein mehrere. Die hängen bei mir im Schrank, da hängen sie gut. Heute habe ich Jeans an. Blue Jeans und Chinos. Die haben ein paar Löcher. Sowohl als auch. Das ist mir jetzt peinlich, habe ich in der Eile heute morgen wohl übersehen. Genau wie die Krawatte, die habe ich auch vergessen.  Dafür dufte ich gut. Nach Laphroaig, habe auf dem Parkplatz nochmal nachgesprüht. Mit dem Boozy. Möchte einen guten Eindruck machen. Aber das hatte wir ja schon.
Der Golf wartet unterdessen. Abgeschlossen habe ich ihn nicht. Wer soll den schon klauen. Er steht sicher auf dem einzigen freien Parkplatz. Direkt vor der Eingangstür, also schräg daneben. Direktion steht da dran. Auf einem kleinen Schild. Aber der war  halt frei. Jetzt nicht mehr, jetzt steht da mein Golf. Ich gebe zu, der Silver Spurt hätte mehr hergemacht. So vor dem Firmeneingang.
Wir plaudern ein bisschen. Er ist voll nett. Ganz anders als ein Chef sonst. Es stellt sich heraus, er ist Whiskyliebhaber, hat eine ganze Sammlung. Er mag kernige Typen. Kernige Typen mit Charisma. Öffnet das Geheimfach im Regal, zeigt mir seine Schätze. Hinten neben dem Glenfiddich steht eine Flasche Boozy. "BOOZY FOR MEN". Die silberne Kappe grinst mich an.
Wir verabschieden uns. Es war ein schöner Tag. Der Chef will sich morgen bei mir melden.

Das Telefon klingelt. 15:00 Uhr. Ich putze mir gerade die Zähne. Spucke aus, gehe ran. Ich habe den Job!