Stoffl

Stoffl

Rezensionen
Stoffl vor 5 Jahren 20 3
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Heimat
Was für ein seltsam ambivalenter Begriff das doch ist. Fragt man 3 verschiedene Menschen nach ihrem Verständnis von Heimat, so bekommt man mit relativer Sicherheit 3 vollkommen unterschiedliche Erläuterungen. Die einen verstehen unter Heimat etwas Greifbares, quasi ein Besitztum. Sei es das Haus, die Wohnung, das buchstäbliche Dach über dem Kopf, das man sich mühevoll erarbeitet hat. Andere verbinden damit ganze Orte. Das Dorf oder die Stadt in der man seine Kindheit oder aber die meiste Zeit seines Lebens verbracht hat, oder manchmal auch gerade erst hingezogen ist. Sogar ganze Länder oder Kontinente werden mit dem Begriff in Verbindung gebracht, bis hin zur Ablehnung jeglicher Grenzen selbiger - der holistische Ansatz, man sei lediglich Erdenbürger und grundsätzlich überall zuhause.
Wieder andere verbinden damit ein abstrakteres Gefühl von Geborgenheit, Zugehörigkeit oder Zusammenhalt. Nicht selten spricht man vom sogenannten verwurzelt sein.

Besser als durch letztgenannten Ausdruck ist dieser tolle Flanker von Dsquared für mich nicht zu beschreiben. Der Duft erinnert mich zwar weniger an die Rocky Mountains, dafür umso mehr an Heimat, an die sprichwörtlichen Wurzeln. Nicht an meinen Wohnort, sondern vielmehr den kleinen, knapp 3000 Seelen Ort in den östlichen Alpen, in dem ich so viele wunderschöne Sommer als Kind verbracht habe. Jenen Ort, indem schon mein Vater als kleiner Bub über grüne Almwiesen und durch die Wälder gelaufen ist. Den ehemaligen Wohnort meiner Großeltern, wo die Zeit vermeintlich still steht und wo alles so bleibt wie es schon immer war. Wo gefühlt jeder den anderen namentlich kennt und beim selben auch nennt. Wo die Luft noch richtig sauber ist und wo man sich nach nächtlichem Regen, beim Öffnen des Fensters am Morgen wie in eine andere Welt versetzt fühlt. Besonders dann, wenn sich leichter Nebel über die Wiesen und die smaragdgrünen Wälder gelegt hat.

Rocky Mountain Wood ist wie ein Urlaub an besagtem Ort. Ein Spaziergang durch den Wald erfrischt den Geist, man saugt in aller Ruhe die Atmosphäre auf und der angenehme Duft von Nadelholz und würzigem Moos liegt in der Luft. Die Stimmung ist friedlich, beruhigend. Irgendwo hört man in der Ferne einen kleinen Gebirgsbach plätschern, der sich seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden unverändert und stetig seinen Weg durch den Fels bahnt. Im Gegensatz zum laliqueschen Pendant, ist das dsquaredesque Dickicht keinesfalls bedrohlich. Angst sich im Dunklen zu verirren, vom Weg abzukommen oder beim Sturm durch schwere, umknickende Bäume erschlagen zu werden braucht man hier nicht haben. Ich kenne diesen Wald hinter dem Haus und auf der Anhöhe gegenüber wie meine Westentasche. Die Bäume und Pflanzen die hier wachsen, die Vögel welche hier leben und fröhlich zwitschern aber sich selten innerhalb des Waldes, sondern meist nur am Vogelhäuschen vorm Küchenfenster näher beobachten lassen, die Rehe und Hirsche deren Bestand Opa in der wärmeren Jahreszeit kontrolliert und die er im Winter gefüttert hat. Ebenso die Lichtung, etwas weiter oben am Berg, mit ihren zarten, kleinen, lila Blümchen, von denen ich bis heute nicht weiß wie sie tatsächlich heißen. Und dennoch, obwohl du mir so vertraut bist, obwohl ich dich so gut kenne, kann ich in dir bei jedem Spaziergang etwas Neues entdecken und dir abgewinnen.

Opa hat dein Holz im Schuppen hinterm Haus meistens zu Brennholz verarbeitet. Ganz gleich ob Scheite oder Spreißel, derartige Virtuosen mit der Axt findet man hierzulande kaum mehr. So manch einer gleitet mit dem heißen Messer durch die Butter nicht so geschmeidig wie du mit der Axt durchs Holz. Und überhaupt, geschnitzt wird nicht mit dem Messer sondern dem Beil.
Meinen Lieblingsbaum im Garten hast du auch auf dem Gewissen. Da klettert man einmal als Kind zu hoch auf den Hollerbaum wo einen die Äste nicht mehr tragen und dann sowas. Wegen eines durchgebrochenen Asts hättest du mich ja nicht gleich am ganzen Baum rächen müssen. Immerhin warst du ja eigentlich ein sehr ausgeglichener, friedlicher, ruhiger, wenn auch zutiefst emotionaler und leicht gerührter Mensch. Aber gut, deine Kinder, Enkelkinder und insbesondere deren Wohlergehen waren dir neben der fast ausschließlich körperlichen, harten Arbeit eben immer schon das Wichtigste. Die Höhenangst aufgrund dieses Vorfalls - oder besser gesagt die Angst irgendwo durchzubrechen - ist mir übrigens bis heute geblieben.

Als ich letztens nach langer Zeit die Türe zu deinem Schuppen an einem verhältnismäßig warmen Wintertag wieder einmal aufschloss und einen kurzen Rundgang durch deine Werkstatt tätigte, hatte das etwas Magisches. Diesmal waren es jedoch nicht die Späne die mir Tränen in die Augen trieben, wenngleich ich hätte schwören können, dass der Holzstaub samt seinem unvergleichlichen Duft nach wie vor durch die Luft flog so wie er es immer getan hat. Die Holzscheite ordentlich und sauber gestapelt an der Wand, dein Werkzeug nach wie vor korrekt an seinem Platz und die Holzfiguren, die an der Wand hängen zeugen von deinem Schaffen. Hier warst du in deinem Element - und es fühlt sich so an als wärst du es auf die eine oder andere Weise noch immer.

Heute erinnert mich deine Uhr, die ich mir am Arbeitsplatz an die Pinnwand gehängt habe an dich und all die schönen, gemeinsamen Erlebnisse. Ich empfinde sie als ein passendes Symbol. Einerseits, dass die Zeit vor uns allen nicht Halt macht und wir sie deshalb auf angemessene Weise mit denen verbringen sollten, die uns am wichtigsten sind. Andererseits, dass es diese Orte, an denen die Zeit vermeintlich still steht immer noch gibt. Man sollte sich nur genug Zeit nehmen sie hin und wieder zu besuchen. Und für die Momente in denen das gerade tatsächlich nicht möglich ist gibt es diesen wundervollen Duft. Quasi als kleinen, zirka 7 bis 8 stündigen Ausflug für das geistige Auge dorthin wo man sich daheim fühlt.
Danke Opa, danke Dsquared.
3 Antworten