Die nackte Wahrheit
Begonnen habe ich diesen Text als Rezension über "Oud Nude" von Guerlain. Aber je mehr ich versuchte, dem Duft fair gerecht zu werden, umso mehr kam ich zu der Erkenntnis, dass nicht der Duft, sondern mein Empfinden dem entgegen steht. Ich hätte es eigentlich wissen müssen. Ich mag den Duft nicht und er kann nichts dafür. Und ich kann es noch nicht mal als sachlichen Kommentar in Worte fassen, die dem Duft gerecht würden.
Deshalb an dieser Stelle die Erkenntnis: Ich gestehe, ich habe lange versucht, mir ein paar Wahrheiten schön zu reden. Eine davon war, dass an dem ominösen Oud doch was dran sein muss, wenn die versammelten Parfumenthusiasten den Zauberstoff zum Non-plus-ultra der Duftnoten erküren. Nun ja, im Verbund mit einer deutlichen Rosennote konnte ich es noch ertragen, auch wenn mir diese Kombination bald gehörig auf den Geist ging, weil noch jedes Dufthaus auf diesen Zug aufsprang und auch heute scheint es noch zu funktionieren. Ich selbst bin bis jetzt noch nicht dahinter gestiegen, welches Oud nun das echte, wahre, kostbare ist und was nur vortäuscht, in den Wäldern Südostasiens entstanden zu sein. Keine Version hat mich bisher begeistert und das muss ich eben akzeptieren.
Mein zweiter Selbstbetrug war, dass es nichts und niemanden gibt, der mir die Freude an Düften von Guerlain verderben kann. Auch hier habe ich immer und immer wieder das Aha-Erlebnis gesucht, dass mir noch vor Jahrzehnten die Marke beschert hat. Es gab damals keinen Ausrutscher, keine Ausnahme von der Regel. Guerlain war jeder Kritik erhaben - zumindest für mich. Da kam lange nichts, bevor z.B. Chanel von mir auch nur in Betracht gezogen wurde. Aber die Welt dreht sich weiter und sowohl Guerlain als auch ich mit ihr. Ich möchte hier auch niemandem den Schwarzen Peter zuschieben; weder Thierry Wasser noch LVHM. Eher sehe ich es meinem Alter geschuldet, dass mir manches inzwischen zu schnelllebig, zu oberflächlich ist und zu offensichtlich der Unterschied zwischen Preis und Wert zunehmend verschwimmt.
Deshalb meine dritte Erkenntnis: Es macht mir keine Freude mehr, mal tief ins Sparschwein zu greifen, um mir einen neuen Duft in die Sammlung zu holen. Das hat nichts damit zu tun, dass ich inzwischen in Rente bin und das Leben generell gerade ziemlich kostspielig wird. Auch früher musste ich mir einen luxuriösen Duft ersparen, aber die Erfüllung des Wunsches war jede Anstrengung wert. Das hat sich geändert. Selbst Düfte von Marken wie Lubin oder Le Galion sind nicht mehr unter 100 Euro zu bekommen. Klar ist es nach wie vor möglich, sich eine Abfüllung zu ersouken, aber auch das hat mir in den letzten Jahren oft dann Ernüchterung bereitet und war somit letztendlich doch zu teuer.
Als Fazit bleibt mir deshalb, dass es für mich wohl am besten ist, meine Sammlung zu genießen aber die Jagd nach neuen Dufterlebnissen zumindest mal ruhen zu lassen.
Und Oud? Für mich (nach tatsächlich anfänglicher Faszination) der absolute never-ever bis in alle Ewigkeit Grusel-Nasen-, Hirn- und Seelenkiller...
Das Hochhalten dieses Ouds ist mir bis heute ein Rätsel geblieben. Stechend, modrig, ja sogar stinkend kommt er mir öfters vor.
Seit der Einführung von M7 von Yves Saint Laurent scheint der westliche Markt geradezu wie von Sinnen, wenn es um diese Komponente geht. Nachvollziehbar ist es nur, wenn man die entsprechenende Werbemaschinerie - hier ganz besonders das Internet - ansieht.
Zum Thema unantastbare Qualität altehrwürdiger Häuser bin ich auch eines Besseren belehrt worden.
Für Dich ist es das Haus Guerlain, in meinem Fall das Haus Dior nach dem Einzug von François Demachy als Hausparfümeur. Ihm verdanke ich die komplette Umgestalltung, ja gar Zerstörung, meiner geliebten Klassiker.
Die schmerzliche Preispolitik hat es mir verleidet, Ambroxandüfte von Caron zu kaufen. Da bin ich ganz bei Dir, lieber die Klassiker genießen.
Und zukünftig nur gezielt Neues mit Bedacht wagen.
Danke für Deinen Beitrag!
🏆
Und jedem neuen Trend zu folgen muss ich auch nicht, dafür ist meine Sammlung eh schon viel (!!!) zu groß.
Wäre nicht die schlechteste Option, oder?
(Hatte mal in Dein Album geschaut, wundervoll).
Ich reise auch sehr gern, weit und lange am liebsten ;-)
Kenne inzwischen meine Duftvorlieben, davon jeweils 3,4 Alternativen und gut ist (wäre es / Ziel). Nur manchmal zwickt die Neugier, siehe ML. Mit offenen Augen u. Herzen zu reisen beschert mir doch die schöneren, im nachhinein wertvolleren Erlebnisse.
Parfummäßig dreht man sich irgendwann im Kreis, darum liest man wohl oft hier "schön, aber nix Neues". Und auch wenn die bereisbare Welt (auch dank "wertebasierter" Politik) immer kleiner wird, da gibt es noch soviel zu entdecken. Alles Gute, wobei auch immer!
Auch ich mag gern den einen oder anderen Oud-Duft, mag viele Guerlain- und Chanel-Düfte (beileibe nicht alle) aber ich hebe auch keine Marke in den Himmel. Seit ich die Souk und das Tauschforum auf Parfumo entdeckt habe, geht meine Neugierde auf "neue" Düfte nur noch darüber, mir welche zu "ertauschen" und wieder rein zu stellen, wenn etwas nicht gefällt. Da gibt es genug "Nasen", die diese dann gern mögen. Meine Neugierde auf Düfte ist immer noch groß, aber ich gebe kein großes Geld mehr aus, um mir Düfte zu KAUFEN. Gut, das Porto, aber für etliche Tauschs reicht ein Maxibrief aus. Oder ich sende mit dem im Preis moderaten HERMES. Und: Ich halte mich da an vertrauensvolle "Parfumos", mit denen ich gute Erfahrungen habe :-))
Seit ich Chanels N°22 getestet habe -und meine große Duftliebe ist die N°5- muss ich jedoch an ein Gedicht von Heinz Kahlau denken: Als ich meine erste/ und meine letzte Liebe/ beieinander sah/ fragte ich mich verwirrt:/ Warum habe ich mich/ auf dem langen Wege/ dazwischen/ so oft verirrt?
Die Schnellebigkeit, die möglichst hohe- auch finanzielle- Verwertbarkeit gehen meiner Meinung nach zwangsläufig oft in Beliebigkeit und Mainstream über. Ich möchte aber berührt werden, und das haben bisher nur ältere Parfums geschafft.
Und Oud- damit habe ich mich noch nicht wirklich beschäftigt, aber ich glaube das eilt auch nicht :-)
Da hast du Recht, ich verstehe diesen Hype um Oud auch nicht so ganz.
Es hat meist etwas von Kuhstall mit sich und so möchte ich nicht duften.
Ich teste aber nach wie vor gern und freue mich dann umso mehr über das eine oder andere Glanzlicht. Im Grunde bin ich dufttechnisch aber angekommen und erfreue mich an dem, was ich habe, wobei ich mein Augenmerk auch immer stärker auf ältere Düfte lege.
Ich lass mich immer noch gerne treiben, wenn es ums Testen geht, lege mir aber mittlerweile wieder eher Düfte von früher zu.
Und ja: Oud ist ein schwieriges Thema - auch wenn bei den vielen Spielarten, manches schon Interesse und (mein) Wohlgefallen weckt.
Meinen Jagd- und Neugier-Instinkt habe ich auch hauptsächlich auf das Finden und probieren älterer, klassischer Düfte umgelenkt (aber die meisten davon kennst oder hast Du vermutlich ja schon lange ;-)).
Feiner Blog!