Wombatkönig
Wombatkönigs Blog
vor 3 Jahren - 18.08.2021
14 20

Xerjoff und Ich

Meinen ersten Kontakt zu Xerjoff hatte ich vor einiger Zeit mit duftbegeisterten Freunden. Einer  hatte ein vierer Samplekit bei Xerjoff bestellt und zum Testen zur Verfügung gestellt. Fairerweise weiß ich nicht mehr sicher welche Düfte es waren. Ich meine es könnten „Irisss“, „Elle“ „XXY“ und „Richwood“ gewesen sein. Der Besteller hatte jedenfalls die teuerst möglichen Düfte ausgewählt, es soll sich ja rentieren!

Gefallen hat uns jedenfalls keiner. Ganz im Gegenteil wir fanden sie alle richtig schlecht und waren von den Gerüchen zu dem Preis absolut geschockt. Es ist in der Folge ein regelrechter Gag daraus geworden.

Ich war damals noch ein absoluter Anfänger. Gerne würde ich wissen wie mir die Düfte mit der heutigen Erfahrung gefallen würden. Würde ich sie jetzt verstehen? Mehr herausriechen? Würden sie mir noch immer nicht gefallen?

Nun bin ich hier auf Parfumo deutlich mehr unterwegs und habe meine Duftleidenschaft auf ein ganz anderes Level gebracht. Dabei ist Xerjoff omnipräsent. Viele Xerjoff-Kreationen sind extrem hoch bewertet. Äußerst anspruchsvolle Parfumas und Parfomos vergeben Topnoten. Da muss doch was dran sein. Meine Neugierde auf die Marke wächst immer weiter. Einzig die hohen Preise – selbst bei Sharings für geringe Mengen – hielten mich von einem größeren Test ab.

Zumindest drei Casamoratis sind doch über Sharingteilnahmen in meinen Besitz und unter meine Nase gewandert:

Italica“: Ein ganz netter süßlicher Duft, aber außergewöhnlich gut oder gar 300€/100ml wert ist er wirklich. Mit einer künstlichen Verknappung erreicht man zwar vielleicht einen Hype aber macht eben noch lange keinen herausragenden Duft.

Dolce Amalfi“: Kräftiger Apfel Nelken Punsch. Wirklich schön, außergewöhnlich und auch gut gemacht, aber für mich einfach nicht das Richtige. Auch hier stelle ich Preis/Leistung zumindest mal kritisch in Frage....

Bouquet Ideale“:  Hat mir wirklich gut gefallen, und ist auch definitiv ein Kaufkandidat. 300€/100ml finde ich aber dennoch zu viel. Die Hälfte hätte auch gereicht.

Insgesamt empfand ich die drei Casamoratis alle solide bis gut und vor allem tragbar. Deutlich besser jedenfalls als mein Erstkontakt mit der Marke.

Riesig war meine Freude als ich kürzlich gesehen habe, dass Xerjoff neu in einem örtlichen Kaufhaus geführt wird. Mit frei zugänglichen Testern. Jackpot.

Ich halte nicht viel davon, mit einem Bündel Papierstreifen die Reihe auf einmal durchzugehen. Das wäre Verschwendung und ein Papierstreifen gibt mMn ohnehin maximal ein sehr ungefähres Bild von einem Duft ab. Also habe ich die Xerjoffs alle auf der Haut und über viele Besuche hin getestet. Vermutlich kennt man mich dort jetzt als den Kunden der immer durch die Reihen schleicht und nie etwas kauft....

Unbedingt als erstes Testen wollte ich „Oud Stars - Alexandria II“, so gut wie er hier bewertet ist muss der doch super sein...denke ich mir. Enttäuschung. Es ist nicht mein Duft. Ich bin einfach kein Freund von Oud-Düften. Wäre ich gerne. Genauso wie ich gerne schwarzen Kaffe und Wein mögen würde, da es kultiviert erschient. Aber ich mag nichts davon und habe keine Lust mich zu verstellen. Deshalb fällt mir eine Bewertung ob der Duft selbst gut gemacht ist auch schwer. Was ich aber sagen kann, ist dass ich ihn erstaunlich leise fand und das obwohl ich mit drei Sprühstößen nicht gerade sehr sparsam mit dem Tester war...

Oud Stars - Alexandria III“ – Hier gilt im Prinzip das gleich wie bei Alexandria II. Er ist durch die Rose aber etwas weichgespült und gefällt mir damit theoretisch besser. Tragen wollen würde ich ihn aber auch nicht. Müsste ich einen von beiden auswählen wäre es aber wohl Alexandria III.

XJ 1861 Naxos“ - Für mich die größte Enttäuschung meiner Testreihe. Nicht weil er nicht gut riecht, sondern da er auf dem Papier genau das war was ich liebe. Von dem hoch gelobten „König des Honigs“ hätte ich daher viel mehr erwartet. Vor allem, dass er wirklich nach Honig riecht. Kilian „Back to Black“ riecht nach Honig. Blind, bevor ich wusste welches meiner neunen Sample ausgelaufen war, habe ich damals laut „was riecht denn hier so nach Honig?“ gerufen. Das fehlt mir bei Naxos leider vollkommen. Naxos ist ein angenehmer süß-zitrischer Duft. Aus meiner Sicht ohne Wiedererkennungswert, weshalb ich auch den Hype nicht verstehen kann. Wenn ich ehrlich bin, finde ich ihn unwertig und zu süß. Mindestens eine weitere Chance werde ich ihm aber noch geben...vielleicht riskiere ich es sogar bei einem guten Souk-Deal...

XJ 1861 Decas“ - Für mich ein ganz großes Fragezeichen. Was ist dieser Duft? Er erinnert mich an Italienurlaub und macht damit auch wirklich Laune. Süßes Eis und Chlor, wie am Pool. Aber wer möchte so riechen? Zu dem Preis?

XJ 1861 Renaissance“ - Hier geht es bergauf..dachte ich zunächst. Er hat mit die schönste und natürlichste zitrische Eröffnung die ich bislang gerochen habe. Ich tippte auf Zitrone, anscheinend ist es aber wohl ein Mix aus Bergamotte, Limette und Tangerine. Viel zu schnell (maximal drei Stunden) ist hiervon aber kaum noch was übrig und es bleibt ein gewandelter, immer noch gut riechender aber hautnaher Duft zurück. Ganz ehrlich, zu dem Preis kann es das eigentlich nicht sein. Aus meiner Sicht ist „Renaissance“ ein Duft der sicher niemandem schadet, da es (außer dem Preis) keinen Grund gibt ihn nicht zu mögen. Damit ist er perfekt geeignet um in jede Xerjoff-Sammlung integriert zu werden – einfach nur der Vollständigkeit halber. 

Coffee Break - Golden Dallah“: Zumindest mal außergewöhnlich und wirklich nicht schlecht. Sillage viel süßer und beeriger als hautnah. Allerdings musste ich feststellen, dass Kaffe-Düfte wohl nicht ganz meines sind. Dachte ich bei Kilian’s „Black Phantom“ noch der Vetiver würde mir den Duft vermiesen, merke ich jetzt ganz deutlich dass es wohl der Kaffe selbst ist. Schade aber immer hin kein Ausfall. 

Shooting Stars - La Capitale“: Der süß-cremige Erdbeerduft gefällt mir doch ziemlich gut. Leider ist er für mich als Mann völlig untragbar, da zu süß. Wo kann bzw. will ich denn als süßer Erdebeersahnebonbon hingehen? Toller Duft zum Testen, da wirklich außergewöhnlich und angenehem. Aber zum Kaufen oder gar für den Alltag, no way! Zudem fällt es mir bei sehr süßen Düften immer schwer, die Hochwertigkeit (anzu)erkennen...... Nach einigen Tagen abstand muss ich doch zugeben, dass in mir der Wunsch aufkeimt, zumindest einen Restflakon zu erstehen. Die Erdbeere hätte ich doch irgendwie ganz gerne griffbereit zuhause...

"Apollonia" gefällt mir wirklich gut. Nach leisem Start, wird er etwas kräftiger süß-blumig. Aber leider gibt es da doch drei Gründe die gegen einen Kauf sprechen:                                                                                                                                             1. Für mich in der Tendenz doch deutlich weiblich 
2. Immer noch recht leise, was so gar nicht Xerjoff-typisch ist.
3. kommt mir das ganze doch sehr bekannt vor und ähnliche blumig-süße Düfte gibt es viel günstiger.

Uden Overdose“ -  Zuerst war ich von einer 0815-Duschgelnote völlig geschockt. Der Duft wandelte sich anschließend völlig zu einer spannenden würzigen Süße die ich nicht verstehen oder einordnen kann. Für mich riecht er nach süßlichem Suppen-Sellerie (mit Piment?). Ich weiß zwar überhaupt nicht was ich von „Uden Overdose“ halten soll, schlecht ist er ja nicht. Sicher weis ich nur, dass er mich nicht flasht oder Begehrlichkeiten weckt. Also wieder kein Kandidat für mich.

Den eingefleischten Xerjoff-Fan möchte ich vor dem nächsten Absatz doch kurz vorwarnen. Denn es wird wirklich unschön. Von den Samt-Flakon hat mir nämlich keiner gefallen und ich muss schon jetzt sagen, dass zwischen den billigeren (100ml) und den teuren 50ml ein gehöriger Qualitätsunterschied liegt!

Zum Beginn einen Duft bei dem ich mal mit der Community einer Meinung bin: "Amabile" ist wirklich grässlich! Anfangs wie ein asiatisches Reisgericht, dann etwas besser, seifig rund. Keine Ahnung was ich dazu noch sagen soll? Außergewöhnlich? Ja, vielleicht. Aber einfach nur unangenehm. Der Duft hat nicht grundlos derzeit nur eine 6.3!

Bzgl. „Erba Pura“ hatte ich im Vorfeld sehr große Hoffnungen. Stand ich doch schon mehrmals kurz vor einem Blindkauf. Meine Güte bin ich froh, dass ich es gelassen hatte. Der Duft riecht zu Beginn durchaus angenehm, nämlich nach Shampoo. Hochwertig ist das nicht. Danach wird es erst richtig übel, denn er driftet in diese Basisnoten Richtung, die ich wirklich hasse und fast nur von Designerdüften kenne. Riecht wie 20€ und nicht 220€. Einziger „Vorteil“ das hält dann wirklich ewig.

Zu "Laylati" finde ich im Verhältnis sogar noch recht versöhnliche Worte. Eine etwas bizarre Hustensaft-Curry-Oud- Marzipan/Amaretto-Mischung. Ich mag eben kein Oud, gemessen daran finde ich ihn aber voll in Ordnung.

Selbiges gilt für "Wardasina" -  Vordergründig Rose, nach einer Stunde etwas Curry-Oud, dabei immerhin nicht stinkig.
Ist sicherlich ok, und auch relativ tragbar. Für mich als Oud-Nicht-Freund aber einfach nicht interessant. Zudem kommt mir der Duft nur wenig außergewöhnlich vor. Ein Rosen-Oud eben. Dass er nur für Damen sein soll ist natürlich Quatsch!

Opera“ ist eine weitere riesige Enttäuschung. Schwere, cremig-erdige Blumen. Ich muss an rohen Spargel denken und blind hätte ich auf Tuberose getippt. Ist aber wohl eine unheilige Allianz rund um das Ylang-Ylang. Und dabei ist „Opera“ auch noch laut und raumfüllend; das Gegenteil eines Understatements. Wenn meine Nebenfrau oder mein Nebenmann in der Oper so riecht kann ich nur noch hoffen, dass der Dirigent heute ein zügiges Tempo vorgibt. 

"Soprano" besteht für mich im Prinzip nur aus einer einzigen Störnote, die im Verlauf immer dominater wird. Vermutlich liegt es hier ein gutes Stück auch an mir, dass mir diese eine Note einfach nicht gefällt. Einen Duft der für mich nach verbranntem Plastik riecht, kann ich aber nicht gut finden oder brauchen.

Beleiben wir mit "Ouverture" in der Ecke der klassischen Musik. Eine würzige Zuckerbombe. Hier ist man bereits nach der Vorspeise satt. Ein sehr anstrengender Duft, der im Grundsatz eigentlich nichtmal schlecht riecht.
Aber solche ähnlichen Duftkonzepte mit übersüßer (Weihnachts-)Gewürzküche gibt es doch zu Hauf!
Besonders hier frage ich mich wirklich, ob dieser Duft (und auch viele andere aus der "Samt"-Kollektion) ähnliche Aufmerksamkeit/Wertungen bekommen würden, wenn sie von einer anderen Marke oder blind getestet worden wären.

"Accento" ist ein netter blumig-fruchtiger, süßer und gefälliger Duft, der absolut nichts besonderes vorweisen kann. Was mir noch am Besten gefällt, ist dass er irgendeine kühle, männliche Note hat. Und zwar ohne dabei plump oder unangenehm zu wirken. Zur Abwechslung mal ein "Samtiger" der nicht schreiend süß und wirklich Unisex ist! Wobei diese Frische schon fast wieder in die Duschgel-Ecke driftet...

Gar nichts mit seinem Bruder zu tun hat "Accento Overdose". Fruchtig, hell, süß,  (für mich) Litischinote. Definitiv viel zu süß um hochwertig zu riechen. Am Ende vom Tag ist das wieder einer dieser fruchtig-süßen Xerjoffe die zwar nicht störend riechen. Eigentlich gefällt mir dieser die ersten Stunden sogar von Geruch her. Aber ich frage mich schon wer denn so viel Geld dafür ausgibt? So riecht für mich einfach kein teurer und wertiger Duft. Sondern eher ein Damendeo. Wirklich unerfreulich wird es dann noch zum Ende, denn dann entwickelt er sich zu der gleichen grausigen Basis wir der "Erba Pura". Pfui!


Trotz dieser Erfahrungen sind nun drei andere Xerjoffe in meine Sammlung gewandert. Blind natürlich, denn ich liebe das Risiko und noch mehr gute Souk-Deals :)

"Oud Stars - Fars" - Ja, bin ich denn wahnsinnig? Jeder der bis hier hin gelesen hat wird jetzt wissen, dass ich kein Oud mag. Aber es stimmt, Fars ist das Oud für alle die kein Oud mögen. Hier ist nichts stallig, stinkig. Kein Curry. Keine Animalik. Eben ein erwachsenes und recht unsüßes Rosenoud. Erinnerung an MFK "Oud Silk Mood". Etwas schade ist, dass sich der Duft im Verlauf an mir etwas säuerlich entwickelt...Naja mal sehen, ich kann ja ganz in Ruhe testen.

"Shooting Stars - Oesel" ist wirklich schön. WIRKLICH sehr schön wäre er aber, wenn er die zitrische Frische des  Auftakts länger als maximal 30 Minuten bewahren würde. Denn dann wäre er auf meiner Sommer-Hit-Liste ganz weit vorne. So ist er tatsächlich blumig-süß und eher etwas für den Herbst bei maximal 20 Grad. 

Der letzte in meinem Schrank ist "Join The Club - Comandante!" Bei Leibe kein schlechter Duft, aber 1. doch mehr männlich als Unisex und 2. weitaus mehr Designer als Nische. 

Fazit:  Ich lese hier ständig, dass die Xerjoffs – auch wenn dem jeweiligen Meinungsäußerer der konkrete Duft vielleicht nicht gefällt – von insgesamt so guter Qualität seinen und die Düfte so hochwertig riechen würden.

Meine Wahrnehmung ist von Duft zu Duft das genaue Gegenteil. Manche haben mir besser gefallen, andere weniger. Einige sogar wirklich gut. So weit so normal. Aber bei wirklich keinem einzigen habe ich etwas gerochen, dass für mich "teuer" riecht oder ansatzweise die horrenden UVPs rechtfertigen würde. Viele Xerjoffe riechen für mich einfach nur billig, zu süß-klebrig, zu aufdringlich um an Klasse und Luxus zu erinnern. Andere sind einfach der Inbegriff von Durchschnitt. Ich habe kein Problem damit für Parfum auch viel Geld auszugeben. Ich würde sogar behaupten, dass ich ein totales Marketing-Opfer bin, für mich ein Duft der teuer ist und in einem schönen Flakon wohnt auch "besser riecht". Da sollte Xerjoff doch eigentlich genau das richtige für mich sein, oder?  Offenbar aber nicht. Ich muss ganz klar sagen: Ein so ver-rücktes Preis/Leistungs-Verhältnis wie bei Xerjoff habe ich noch nie gesehen bzw. gerochen.

Ich verstehe den Erfolg, den Hype und vor allem die guten Bewertungen der sonst so kritischen Community nicht. Ist mein Näschen so untrainiert? Perlen vor die Säue? Kann ich das Genie und die Meisterklasse einfach nicht erkennen?

Es tut mir leid, aber hier muss ich kapitulieren. Xerjoff übersteigt offenbar meinen Horizont. 

14 Antworten