10.07.2025 - 05:53 Uhr

Mairuwa
53 Rezensionen

Mairuwa
Sehr hilfreiche Rezension
7
Olfaktorische Rebellion mit 432 Hertz
Zuletzt hatte ich mir in einer Rezension zu Primal Forest über die nördlichen im Gegensatz zu den tropischen Primärwäldern Gedanken gemacht. Mit „Arrayán Rojo“ lasse ich nun beide hinter mir und wende mich den gemäßigten Primärwäldern der südlichen Hemisphäre zu, genauer gesagt, dem Valdivianischen Regenwald der chilenischen Pazifikküste, oder, noch präziser, der Schlucht des Maipo-Flusses und darin in erster Linie einer Baumspezies: Luma apiculata, dem Myrtenbaum, im Spanischen Arrayán rojo (wobei sich „rojo“ hier auf die rötliche Färbung der Rinde bezieht).
Das chilenische Label 432 stellt in jeder seiner bisherigen Duftkreationen jeweils eine charakteristische regionale Baumspezies in den Mittelpunkt – im vorliegenden Fall also den Myrtenbaum. Laut Herstellerangaben stehen über den gesamten Duftverlauf in unterschiedlichen Facetten und wechselnder Intensität die verschiedenen Teile des Baumes mit ihrem jeweiligen spezifischen Geruch im Mittelpunkt – von den Blüten und den duftenden Blättern über Holz und Rinde bis zu den Wurzeln. Das macht neugierig, wenigstens die Blüten und scheinbar sehr aromatischen Blätter des Myrtenbaumes einmal in natura zu riechen, doch da ich leider über keinerlei Primärmaterial zur Anschauung verfüge, kann ich den Hinweis lediglich zur Kenntnis nehmen. Die Umsetzung dieses Konzepts allerdings gefällt mir ausnehmend gut! Beschreiben ließe sich der Dufteindruck am ehesten als ein Verlauf von einem belebenden, herb bis bitter frischen, leicht zitrischen Auftakt, hin zu einer zunehmend wärmeren und würzigeren Basis, die holziger wird, eine leichte balsamische Süßlichkeit entwickelt und schließlich in einer Art weichen Moschusnote ausklingt. Außer dem namensgebenden Myrtenbaum spielen dabei durchaus noch andere Akteure eine Rolle, von Neroli und Limette, Labdanum und Palo Santo, Patschuli bis hin zu pflanzlichem Moschus. Was davon eher zur Charakterisierung und Veranschaulichung herangezogen wird und was tatsächlich Inhaltsstoff ist, bleibt schwer zu entschlüsseln. Der Hersteller selbst schreibt in eher allgemeiner Weise, dass die aus dem Myrtenbaum gewonnenen Duftbestandteile zur feineren Abstimmung um Harze und Säfte anderer Bäume und Pflanzen ergänzt worden seien. Der Duft startet kräftig und ausdrucksstark, wird dann jedoch schnell sanfter und zieht sich bald zurück, so dass nur eine leichte Duftaura bleibt, die dann jedoch noch über Stunden verweilt. Thematisch passend und optisch wie haptisch spektakulär, wurde auch die Verschlusskappe des Flakons aus dem Holz des Myrtenbaumes handgefertigt - ein Handschmeichler mit eigenwilliger, markanter Form.
Hinter dem Label 432 - Wild Botanic Perfumes steht der Parfümeur Joel L. Martinez. Der Name ist Programm: Bei den Kreationen handelt es sich ausnahmslos um reine Naturdüfte, die zudem dezidiert die heimische Flora von Chile in den Mittelpunkt stellen. Zumindest diese charakteristischen Duftrohstoffe, die bei den Kreationen jeweils die Hauptrolle spielen, werden vom Hersteller selbst aus den pflanzlichen Rohmaterialien gewonnen. Die Zahlenfolge im Namen bezieht sich auf die Frequenz von 432 Hertz, bei der, einer auf Mythen und Überlieferungen beruhenden Ansicht zufolge, menschliche, pflanzliche und andere Schwingungszyklen miteinander harmonieren. Die Düfte des Hauses sollen, so die Idee hinter dem Namen, in vergleichbarer Weise eine Verbindung vom menschlichen Alltagserleben zur Wildnis der Natur herstellen und diese erlebbar machen. Eine andere Idee ist wohl, dass die Düfte, ebenso wie dies in Bezug auf Musik mit einer Schwingungsfrequenz von 432 Hz beobachtet worden sein soll, eine beruhigende und entspannende Wirkung haben. So heißt es in der Beschreibung, der Duft solle Wohlbefinden, Entspannung und Besinnung vermitteln. Zum Glück gilt das bei mir (abgesehen vom Wohlbefinden) scheinbar nicht, habe ich doch beim Aufsprühen weniger das Bedürfnis nach Entspannung verspürt, sondern vielmehr im Gegenteil einen spannenden Duft gesucht – den ich hier aber auch durchaus gefunden habe. So empfinde ich „Arrayán Rojo“ eher als anregend denn als beruhigend.
Die erste Duftreihe des Hauses, erschienen in einer limitierten und numerierten Auflage und offenbar insgesamt auf sieben Düfte ausgelegt, von denen bisher allerdings erst drei veröffentlicht wurden, heißt „7 Mestizos“. @ElAtterine (der ich an dieser Stelle auch für die Probe danken möchte) hat in ihrer schönen Rezension hervorragend dargestellt, wie das Mischen von Aromen hier als symbolischer oder metaphorischer Akt der Befreiung und des Widerstands interpretiert wird, als positive Umwertung des abfälligen und rassistischen Konzept „Mestizo“, das Mischungen als Verunreinigungen schmäht und verkennt, dass es sich um ein natürliches Prinzip handelt. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Würdigen und Nutzen lokaler Materialien und Praktiken sowie indigenen Wissens - bei gleichzeitiger Offenheit für Inhaltsstoffe und Verfahren aus anderen Weltteilen.
Die Ästhetik der ganzen Reihe spiegelt diese Verbindung und die dahinter stehenden Überlegungen in überzeugender Weise wider: Die Flakons mit ihren lokal handgefertigten Verschlüssen, aber auch die Gestaltung der Seiten des Internetauftritts von 432 mit (Bildern von Rorschachtests vergleichbar) achsengespiegelten Satellitenaufnahmen chilenischer Landschaften, verkörpern die Kombination aus lokaler Verbundenheit und Wertschätzung der indigenen Natur mit selbstbewusster Modernität. Die zwei Düfte der Reihe, die ich bisher kennenlernen durfte, sind von kräftigem, urwüchsigen Charakter, ungeschliffene Rohdiamanten gleich, von rauer Schönheit. Wenn einem das liegt und man sich darauf einlässt, dann kann man hier Großartiges finden.
Das chilenische Label 432 stellt in jeder seiner bisherigen Duftkreationen jeweils eine charakteristische regionale Baumspezies in den Mittelpunkt – im vorliegenden Fall also den Myrtenbaum. Laut Herstellerangaben stehen über den gesamten Duftverlauf in unterschiedlichen Facetten und wechselnder Intensität die verschiedenen Teile des Baumes mit ihrem jeweiligen spezifischen Geruch im Mittelpunkt – von den Blüten und den duftenden Blättern über Holz und Rinde bis zu den Wurzeln. Das macht neugierig, wenigstens die Blüten und scheinbar sehr aromatischen Blätter des Myrtenbaumes einmal in natura zu riechen, doch da ich leider über keinerlei Primärmaterial zur Anschauung verfüge, kann ich den Hinweis lediglich zur Kenntnis nehmen. Die Umsetzung dieses Konzepts allerdings gefällt mir ausnehmend gut! Beschreiben ließe sich der Dufteindruck am ehesten als ein Verlauf von einem belebenden, herb bis bitter frischen, leicht zitrischen Auftakt, hin zu einer zunehmend wärmeren und würzigeren Basis, die holziger wird, eine leichte balsamische Süßlichkeit entwickelt und schließlich in einer Art weichen Moschusnote ausklingt. Außer dem namensgebenden Myrtenbaum spielen dabei durchaus noch andere Akteure eine Rolle, von Neroli und Limette, Labdanum und Palo Santo, Patschuli bis hin zu pflanzlichem Moschus. Was davon eher zur Charakterisierung und Veranschaulichung herangezogen wird und was tatsächlich Inhaltsstoff ist, bleibt schwer zu entschlüsseln. Der Hersteller selbst schreibt in eher allgemeiner Weise, dass die aus dem Myrtenbaum gewonnenen Duftbestandteile zur feineren Abstimmung um Harze und Säfte anderer Bäume und Pflanzen ergänzt worden seien. Der Duft startet kräftig und ausdrucksstark, wird dann jedoch schnell sanfter und zieht sich bald zurück, so dass nur eine leichte Duftaura bleibt, die dann jedoch noch über Stunden verweilt. Thematisch passend und optisch wie haptisch spektakulär, wurde auch die Verschlusskappe des Flakons aus dem Holz des Myrtenbaumes handgefertigt - ein Handschmeichler mit eigenwilliger, markanter Form.
Hinter dem Label 432 - Wild Botanic Perfumes steht der Parfümeur Joel L. Martinez. Der Name ist Programm: Bei den Kreationen handelt es sich ausnahmslos um reine Naturdüfte, die zudem dezidiert die heimische Flora von Chile in den Mittelpunkt stellen. Zumindest diese charakteristischen Duftrohstoffe, die bei den Kreationen jeweils die Hauptrolle spielen, werden vom Hersteller selbst aus den pflanzlichen Rohmaterialien gewonnen. Die Zahlenfolge im Namen bezieht sich auf die Frequenz von 432 Hertz, bei der, einer auf Mythen und Überlieferungen beruhenden Ansicht zufolge, menschliche, pflanzliche und andere Schwingungszyklen miteinander harmonieren. Die Düfte des Hauses sollen, so die Idee hinter dem Namen, in vergleichbarer Weise eine Verbindung vom menschlichen Alltagserleben zur Wildnis der Natur herstellen und diese erlebbar machen. Eine andere Idee ist wohl, dass die Düfte, ebenso wie dies in Bezug auf Musik mit einer Schwingungsfrequenz von 432 Hz beobachtet worden sein soll, eine beruhigende und entspannende Wirkung haben. So heißt es in der Beschreibung, der Duft solle Wohlbefinden, Entspannung und Besinnung vermitteln. Zum Glück gilt das bei mir (abgesehen vom Wohlbefinden) scheinbar nicht, habe ich doch beim Aufsprühen weniger das Bedürfnis nach Entspannung verspürt, sondern vielmehr im Gegenteil einen spannenden Duft gesucht – den ich hier aber auch durchaus gefunden habe. So empfinde ich „Arrayán Rojo“ eher als anregend denn als beruhigend.
Die erste Duftreihe des Hauses, erschienen in einer limitierten und numerierten Auflage und offenbar insgesamt auf sieben Düfte ausgelegt, von denen bisher allerdings erst drei veröffentlicht wurden, heißt „7 Mestizos“. @ElAtterine (der ich an dieser Stelle auch für die Probe danken möchte) hat in ihrer schönen Rezension hervorragend dargestellt, wie das Mischen von Aromen hier als symbolischer oder metaphorischer Akt der Befreiung und des Widerstands interpretiert wird, als positive Umwertung des abfälligen und rassistischen Konzept „Mestizo“, das Mischungen als Verunreinigungen schmäht und verkennt, dass es sich um ein natürliches Prinzip handelt. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Würdigen und Nutzen lokaler Materialien und Praktiken sowie indigenen Wissens - bei gleichzeitiger Offenheit für Inhaltsstoffe und Verfahren aus anderen Weltteilen.
Die Ästhetik der ganzen Reihe spiegelt diese Verbindung und die dahinter stehenden Überlegungen in überzeugender Weise wider: Die Flakons mit ihren lokal handgefertigten Verschlüssen, aber auch die Gestaltung der Seiten des Internetauftritts von 432 mit (Bildern von Rorschachtests vergleichbar) achsengespiegelten Satellitenaufnahmen chilenischer Landschaften, verkörpern die Kombination aus lokaler Verbundenheit und Wertschätzung der indigenen Natur mit selbstbewusster Modernität. Die zwei Düfte der Reihe, die ich bisher kennenlernen durfte, sind von kräftigem, urwüchsigen Charakter, ungeschliffene Rohdiamanten gleich, von rauer Schönheit. Wenn einem das liegt und man sich darauf einlässt, dann kann man hier Großartiges finden.
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