Acqua Colonia Intense - Refreshing Lagoons of Laos 2021

FvSpee
19.01.2022 - 15:18 Uhr
53
Top Rezension
9
Preis
7
Flakon
6
Sillage
5
Haltbarkeit
8
Duft

Im Colognisten-Café: Vang Vieng

Jeder auch nur oberflächliche Beobachter der Duft-Szene weiß, dass die Marke 4711 schon lange nicht mehr auf das gehasste und geliebte Oma-Evergreen 'Original Kölnisch Wasser' beschränkt ist. Damit meine ich nicht die deutlich weniger weniger bekannten, aber ebenfalls schon sehr traditionsreichen Solitäre wie 'Portugal' (Riesen-Nummer auf dem japanischen Markt und wirklich gut orangig) oder'Ice' (so mentholig, dass es die Haut wegfrisst).

Was wirklich neu ist, und was aus 4711 zunehmend eine wirklich ausdifferenzierte und auch international ernstzunehmende Weltmarke für (preisewerte Alltags-) Düfte macht, sind die drei sehr erfolgreichen Serien. Die kleinste davon ist die Remix-Serie, in der jährlich eine Neuinterpretation des klassischen 4711 vorgestellt wird. Die beiden anderen, die großen, sind eine Aqua-Colonia-Serie, deren Titel typischerweise aus zwei Zutaten bestehen (z.B. 'Blood Orange & Basil') und eine Aqua-Colonia-Intense-Reihe, bei der die Namen der Düfte immer eine geografisches Stimmungsbild zeichnen wie 'Wakening Woods of Scandinavia' oder 'Pure Breeze of Himalaya'.

An sich ist mit diese Emissionspolitik bereits zu inflationär (analog zu Guerlains Aqua-Allegoria-Endlosserie), aber ich behalte sie doch immer mindestens mit einem Auge grob im Blick: da ich hier irgendwie der Cologne-Onkel bin, ist das eine Art Ehrenpflicht. Als ich letztes Jahr mitbekam, dass in der Länder-Serie allen Ernstes ein Laos-Duft lanciert werden würde, war ich natürlich sofort elektrisiert und merkte mir den für alsbaldiges Kauf- und Testvergnügen vor. Denn ich gehöre zur weltweit kleinen Spezies der Fans des sehr kleinen, sehr armen und geografisch extrem ungünstig geschnittenen asiatischen Binnenstaates Laos*. Mehrere Jahre hatte ich daher in meinem Parfumo-Profil auch stolz die Laos-Fahne gesetzt, bis ich sie gestern durch die der Ukraine ersetzt habe.

Der Duft heißt "Erfrischende Lagunen von Laos", und nicht nur wer so alt ist, dass er noch den Teenager-Softissimo-Erotikfilm "Die Blaue Lagune" mit Brooke Shields von 1980 kennt, lässt jetzt ein großes "Häh?" entstehen, denn es wurde ja gerade gesagt, dass Laos ein Binnenstaat ist und daher von Rechts wegen über genauso viele blaue Lagunen verfügt wie Luxemburg, nämlich gar keine.

Gemeint sind denn auch keine flachen Sandstrände, sondern die (moderat) berühmten blauen Süßwasserlagunen bzw. Grotten an verschiedenen Flussläufen in Laos. Fast immer sind die in Vang Vieng gemeint, einem kleinen Flecken am Nam-Song-Fluss auf halber Strecke zwischen den "beiden Hauptstädten" Vientiane und Lang Prabang. Glücklicherweise kennen die meisten Käufer des Dufts die Hintergründe nicht, denn Vang Vieng ist so etwas wie der Ballermann von Laos.

Europäische, amerikanische und australische Backpacker-Teenager mit Sonnebrand haben sich hier die letzten ein bis zwei Jahrzehnte gewohnheitsmäßig bei "Beach"-Partys im Gesellschaft von lauter Musik, Beer Lao, Lao Lao (dem örtlichen Schnaps) und diversen Pilzen zugedröhnt, um dann beim Fummeln oder Sich-Übergeben komatös in die Lagune zu kippen und so die letzte Erfrischung ihres Lebens zu erfahren. Die Marketing-Abteilung von 4711 hat diese Motive in der Werbe-Fotoserie zu diesem Duft klugerweise nicht aufgegriffen. Ich finde die Bilder ziemlich schön. Ob sie wirklich aus Laos sind, weiß ich nicht.

Refreshing Lagoons of Laos ist schon ziemlich weit von einem traditionellen Cologne entfernt, aber die Verwandtschaft ist noch erkennbar. Es startet unverkennbar herb-bitter-zitrisch, aber auf eine sanfte, milde, etwas weichgezeichnete Weise. Das mutet aber nicht moschusfluffig an, sondern irgendwie fruchtig (ich muss an Mango denken) und vor allem tatsächlich richtig, richtig kühl und erfrischend. Pomelo mit klirrend geeistem, allenfalls minimal süßen Mangosorbet sozusagen. Darüber weht eine steife aquatische Brise. Das mag überladen, zu fruchtig, kitschig klingen. Aber ich muss sagen, mir gefällt es wirklich. Und ich kann da schon vom 'Laos' im Titel abstrahieren!

Die in der Kopfnote angegebene Gurke (mit der man mich ja immer reizen kann) nehme ich erst später war, zusammen mit intensiven, aber dennoch angemessen diskret bleibenden tropisch-floralen Noten und einer hochinteressanten salzigen Anmutung, bei der ich ganz kurz an meinen 10-Punkte-Liebling Azemour les Orangers denken muss, auch wenn die beiden Düfte natürlich nichts miteinander zu tun haben. Noch später, nach etwa vier bis sechs Stunden im Abgang (Cologne Intense!) nehme ich dann tatsächlich auch eine leichte, holzige Basis war.

Der Duft ist in der Gesamtanmutung füllig und weich, hat eine leichte Tendez ins Feminine, gefällt aber sowohl Frau von Spee als auch mir selbst auch an mir gut. Er vereint klassische Zitrik in wirklich gelungener Weise mit aquatischen, salzigen und gekonnt tropische Assoziationen schaffenden zurückhaltenden Blumen- und Fruchtmotiven. Dies ist sicher kein "großer" Duft, aber ich halte ihn für ziemlich gelungen und innovativ, werde ihn sicher öfter tragen und ziehe (wenn auch knapp) die Acht dafür.

Nachzutragen bleibt, dass 4711 seine Politik fortsetzt, für seine drei "Serien" interessante, oft junge und oft französische Parfumeurinnen von außerhalb zu engagieren. Hier kam Elise Bénat zum Zuge, die, wie die fantastische Parfumo-Datenbank enthüllt, nicht nur eine ganze Reihe von Düften für Trash-Marken geschaffen hat, sondern, hört, hört, immerhin auch mehrere Amouages. Und sie hat schon mit der großen Fabrice Pellegrin zusammengearbeitet, die u.a. Wanted, Bracken Man und eine ganze Reihe von Diptyque-Parfums kreiert hat.

Voilà, ich werde mal schauen, ob dies der einzige Duft aller Zeiten bleibt, der je nach Laos benannt wurde, werde die doch nicht selten 4711-er weiter beobachten und so Buddha will werde ich auch irgendwann mal wieder Laos sehen.

Achter Besuch im Café. Blog wurde aktualisiert.

* Derzeit ist es fast unmöglich, Laos zu besuchen, da das Land wegen der Corona-Pandemie (oder vielleicht auch unter dem Vorwand der Pandemie) für Ausländer praktisch geschlossen ist. Wer sich für Laos interessiert: vor 1 oder 2 Jahren habe ich in meinem Parfumo-Blog eine kleine Laos-Reihe verfasst.
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