FvSpee
12.02.2024 - 16:39 Uhr
21
Top Rezension
10
Preis
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft

Lehmanns Florida Boys

Dass dieser Duft nicht nach Vicsount Halifax, Vizekönig von Indien, Verfechter der Appeasement-Politik gegenüber Hitler und Botschafter Churchills in Washington benannt ist, dürfte auf der Hand liegen. Ich würde aber alle meine Kanada-Andenken, einschließlich der Elch-T-Shirts, verwetten, dass Lehmann auch nicht an die Großstadt in Nova Scotia gedacht hat, zumal da oben im rauen Norden keine Orangen blühen.

Der letzte Lehmann, Buddha hab ihn selig, war nämlich, so raunt man in Berlin, ein leidenschaftlicher Floridist, und also benannte er seine Zitrusdüfte gerne nach floridaischen Städten und Regionen. Offenkundig ist das bei Miami und Key West, aber auch Naples ist mit Sicherheit nicht anglisiert nach Neapel benannt, sondern eben nach dem 20.000-Einwohner-Städtchen Naples, FL. Sogar bei dem von mir vergötterten und schon etwas älteren Lehmann Springfield halte ich eine Verortung im Bay County für nicht fernliegend. Und bei Halifax, einem Erzzitriker, bin ich mir sogar sicher, dass Halifax Area / Daytona Beach für den Namen des Dufts Gevatter gestanden hat.

Halifax ist eine der letzten Kreationen Lehmanns; ich bin zu seinen Lebzeiten leider nicht mehr zum Probieren gekommen und habe mir jetzt einen kleinen Flakon davon bei den Neo-Lehmännern bestellt. Enttäuscht wurde ich wahrlich nicht. Halifax ist ein Lehmann, wie er im Buche steht: Straight, tragbar, besonders, linear und von einer duracellalen Haltbarkeit.

Ich empfinde den Duft als verwandt mit Springfield, und das ist aus meinem Munde ein riesengroßes Lob. Denn Springfield ist einer meiner Lieblingslehmänner und einer meiner Lieblingsdüfte überhaupt. Er weist vordergründig eine krachende, strahlende Zitrik auf; dahinter aber räkeln sich erdige und würzige, ja fast animalische Untiefen, mit den in meiner Rezension zu jenem Duft beschriebenen Folgen.

Beim ersten Text imponierte Halifax mir als Duftbruder von Springfield, so ähnlich empfand ich den Gesamtcharakter. Wenn ich weiter und weiter schnuppere, und nachdem ich die beiden Düfte in einem Doppelnichtblindtest habe gegeneinander antreten lassen, nehme ich das nicht zurück, sehe aber auch erhebliche physiognomische Unterschiede zwischen den Brüdern.

Die Zitrik von Halifax ist nämlich durch und durch nerolisch gerprägt. Ich würde fast so weit gehen zu sagen, dass Halifax der schönste Neroli-Duft ist, der mir einfällt, schöner auch als Lehmanns Monoflor (oder Monofruct) dieses Namens. Fast ebenso prominent nehme ich Orangenblüte wahr, und auch diese kommt wundervoll strahlend (und unfluffig) zur Geltung, wenn auch vielleicht nicht so brillant wie in meinem "Zehner" Azemour les Orangers. Die abrundenden grünen Noten sind definitiv heller als bei Springfield, und an die Stelle der spurenelementar vorhandene abgründigen Animalik, die Springfield eine kaum wahrnehmbare erotische Note verleiht, treten bei Halifax leichte, harte, präzise, kostbare Holznoten.

Summa summarum ein hochsommerlicher, auf mich sehr maskulin wirkender, sehr gut haltbarer und projizierender, überaus selbstbewusst hell strahlender Neroli-Duft mit hellgrünen und wundervoll gefugten leicht-holzigen Noten. Die 9, die ich vergebe, ist knapp, aber durch und durch berechtigt. Springfield, das ich einst von 8,5 auf 9 hochgesetzt habe, würde ich inzwischen vielleicht eher mit 9,5 bewerten.
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