Adidas 1985 Eau de Toilette

Unterlaender
24.11.2020 - 12:58 Uhr
17
Top Rezension
8
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft

Ein zeitloser Charakterkopf

Manches Mal hat es auch was für sich, wenn man schon die 30, die 40, und, äh...ja, auch die 50 überschritten hat. Denn wir KInder der 80er Jahre, dieser bekloppten wie wegweisenden und einzigartigen Dekade, hatten auch das Glück, Düfte kennenzulernen, die es heute in dieser Vielschichtigkeit und Komplexität nicht mehr gibt.

Einer davon ist der allererste Duft aus dem Hause Adidas, und der erschien gerade zur rechten Zeit, um mir als mein erster "richtiger" Duft (nach olfaktorischer Warmlaufphase mit Hattric, Pitralon, Sir Irisch Moos und Champaca) den Weg in den Olymp der Düfte zu ebnen. Ich hatte mir gerade eine fabrikneue Vespa zusammengespart gehabt, und zu diesem puddinggelben Flitzer musste auch das passende modische Outfit her!

Turnschuhe zum Roller? How disgusting! Also fand ich in einem Heilbronner Schuhladen die passenden Slipper von Adidas, und als ich noch munter vor mich hinpubertierendes Pickelgesicht zahlte, meinte die nette Verkäuferin noch "Wellet se au a Pröble, Adidas macht jetzt au Duftwasser!" (also, auf Deutsch: "Wären Sie einer Duftprobe des neuen Odeurs aus dem Hause Adi Dassler gegenüber nicht abhold?") Ich nahm die Phiole gerne an und testete anderntags den Duft. Was soll ich sagen? Er verzauberte mich vom ersten Augenblick an -- und tut es, mit einigen langen, ja - sehr langen, viel zu langen -- Durststrecken ohne ihn immer noch.

Das Zusammenspiel zwischen der zitrischen Komponente und den grünen Elementen gleich zu Beginn, dazu eine Prise Orientalisches, eine Schippe Lavendel und alles schön pudrig wiewohl süßlich, aber niemals auch nur in etwa dem olfaktorischen Zuckerschock-Overkill nahe breitet der klassische Adidas eine weitgefächerte Opulenz aus, die nie nervig wird. Die Herznote lässt dann alles etwas sacken, der Duft mäandert in ruhigerem Fahrwasser in Richtung florale Anleihen, verstärkt durch Moos und Tonkabohne. Zum Schluss bildet vor allem noch und wieder die zitrische Komponente einen Ausklang nach Maß, und die Zeder fächelt zum Happy End noch einige nadelhölzern-warm-sinnliche Abschiedsgrüße zu. Dies aber erst Stunden später. Viele, viele Stunden später!

Adidas Classic (der seinerzeit nie so genannt wurde, wie auch beim VW Käfer dies nie offiziell so auf dem Motordeckel stand!) war ein Kind seiner Zeit, günstig im Preis und doch nie billig im Sinne von heutigen Drogerie-Düften, die entweder wie Duschgel oder Deo riechen oder nur nach Alkohol plus irgendeiner x-beliebigen Wochenschau der gerade habhaften Synthetik-Kopfschmerzverursacher, die die Putzfee vom Boden zusammengefegt hat, sondern Adidas war eine Blaupause für einen sauberen, klar strukturierten und doch ein bisschen von der Leine gelassenen Biedermann, der sich auch durchaus mal auf die Brust trommeln kann. Eine Perle der Parfümeurkunst, ein Duft, der viel zu früh von uns ging, um seiner schrecklichen Mischpoke mit gleichem Nachnamen unverdienterweise die Bühne zu überlassen!
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