Agua Fresca Vetiver
Vetiver Hombre
1998

noirceur
10.04.2015 - 06:19 Uhr
7
Top Rezension
7
Duft

Durchaus interessanter Easy Wearing-Vetiver

Ein Duftsouvenir fehlte noch. Letztes Jahr durfte an gleicher Stelle Armand Basis "Armand Basi Homme" mit in den Flieger steigen. Diesen letztjährigen semiblinden Spontankauf hatte ich später etwas bereut. ABH ist nicht schlecht, aber es mangelt mir akut an Einsatzmöglichkeiten - für's Büro zu jugendlich, für die Freizeit zu unspektakulär. Aber man ist ja lernfähig. Aus diesem Grund hatte ich mir diesmal die Marschroute noch vor Urlaubsantritt vorgegeben. Ein schnörkelloser Büroallrounder sollte es werden. Aus rein thematischen Blickwinkel betrachtet ein zweites "Lalique White" sozusagen.

Den Zuschlag bekam dann also vorliegender "Vetiver Hombre", der seinen namensgebenden Inhaltsstoff passend zur Flakonfarbe präsentiert. Kein rauchiger Bourbon, wie etwa in MPGs polarisierendem "Route du Vétiver". Oder dem deutlich weiter verbreiteten "Encre Noire". Nein, das in VH verbaute Süßgras kommt eher mit leicht seifigem Einschlag daher. Hingegen weit weniger ausgeprägt als bei CdGs "Vettiveru" oder Tom Fords "Grey Vetiver".

Überhaupt wird dem prominenten Süßgras hier weniger Raum zugesprochen als man dies von anderen Beiträgen kennt. Der Vetiver spielt hier nicht die Rolle des exklusiven Alleinunterhalters. Er fungiert hier eher als koordinierender Stabilisator im Spannungsfeld zwischen hellem Neroli und abgedunkelten Basisakkorden. Das Pomeranzendestillat leistet dabei ganze Arbeit und attestiert VH über den gesamten Verlauf hinweg eine angenehme Frische. Sehr weit im Hintergrund beschwören Zeder und erdige Basisnoten bei mir Assoziationen zu unsüßem Marzipan und Bitterschokolade herauf. Dieses äußerst dezente Duett verlieht dem Duft zwar mehr Tiefenwirkung, dominiert ihn jedoch zu keiner Zeit.

VH ist handwerklich gut gemacht, und meiner Einschätzung nach transportiert er durchaus Understatement. Wagnis sucht man hier vergebens, wenngleich der Duft für mich definitiv eigenständig ist. Bis alle Akteure ihren Platz gefunden haben, gibt es zu Beginn eine kurze eher herbe Phase. Diese legt sich bald wieder und danach tritt keine nennenswerte Duftentwicklung mehr ein.

Insgesamt also ein leicht zu tragender Büroduft, der nichts falsch macht. Gut geeignet, wenn man einerseits olfaktorisch nicht groß auffallen möchte, andererseits aber nicht auf das Tragen eines Wässerchens verzichten möchte. Dazu passend entwickelt VH auf meiner Haut so gut wie keine Projektionswirkung. Im Winter kann man hier nach Belieben dosieren, und bei meinen eigenen Testläufen war ich dann auch entsprechend bald im zweistelligen Sprühbereich angelangt. Die Bepreisung finde ich mit knapp 40€ für 120ml dennoch fair, und mit etwas Glück wird man ihn auch für ca. 30€ bekommen können.

Alles in allem ist VH sicherlich kein Duft, den der ambitionierte Parfumo gerochen haben oder gar besitzen muss. Aber wer seinen Bürokollegen gerne mal eine Auszeit von over-the-top-anspruchsvollen Nischenkompositionen gönnen möchte, könnte in VH hin und wieder ein stilsicheres Kontrastprogramm finden. Überraschungen in Form von Knalleffekten wird man hier nicht erleben.
2 Antworten