Explosive
Provocation
1986 Eau de Toilette

Palonera
18.12.2011 - 16:49 Uhr
20
Top Rezension
7.5
Flakon
10
Sillage
7.5
Haltbarkeit
7
Duft

verhaltenes Krachbummpeng

Heute fand in Solingen die Sprengung eines ehemaligen Hotelgebäudes statt, an dessen Stelle ein Einkaufszentrum entstehen soll, und da mein Liebster an diesem im Wortsinne erschütternden Ereignis planerisch beteiligt war, lag bei meiner Entscheidung für den heutigen Tagesduft der Griff zu "Explosive" irgendwie schon nahe...
Als dieser Duft noch unter dem Namen "Provocation" erschien, war ich gerade volljährig geworden und befand mich, ich gestehe, in einer recht provokativen Lebensphase – Kleidung, Frisur und Make up dienten vordergründig dazu, Aufmerksamkeit zu erregen und allzu brave Leute zu schockieren.
Gleichzeitig begann ich mich verstärkt für Düfte zu interessieren und meine damals noch sehr begrenzten Mittel vorzugsweise in Parfums zu investieren, die in jener Zeit auf den Markt kamen: LouLou, Senso, Azzaro, Paris, Eden und was dergleichen mehr war.
So schien mir "Provocation" denn auch dem Namen nach wie für mich gemacht und ich eilte frohgemut in die nächste Parfümerie, um aus Vermutung Gewißheit werden zu lassen.
Welche Enttäuschung: Was mir da in die Nase stieg, war entschieden "zu altmodisch" und ganz gewiß eher für ältliche Tanten geeignet, nicht jedoch für die etwas überhebliche 18jährige jener Zeit.
Nun ja – manche Dinge erfordern eine gewisse Reife und dazu gehört ganz sicher auch dieser mittlerweile umbenannte Duft, für den ich erst die 40 überschreiten mußte, um ihn schätzen zu lernen.
"Explosive" reiht sich elegant und selbstbewußt ein in die Riege der klassischen Chypres und kann die hier erwähnte Familienähnlichkeit mit dem kaum älteren Duft "Paloma Picasso" nicht leugnen, ohne jedoch ein Duftzwilling zu sein, weder ein ein- noch ein zweieiiger.
Der opulente Auftakt rechtfertigt den Namen, doch im Gegensatz zu manchen anderen Chypres jener und früherer Zeiten beläßt "Explosive" es bei diesem fulminanten Beginn und zieht sich alsbald zurück auf ein leiseres, weicheres, weniger raumfüllendes Niveau, das TrägerIn und Umfeld Raum zum Atmen und Genießen läßt.
Rose und Schwertlilie bilden auf meiner Haut die Protagonistinnen, die im langanhaltenden Duftverlauf mal Ambra, mal Patchouli die Hand reichen und wieder loslassen, bevor sie das Sandelholz dauerhaft in die Mitte nehmen und durch Wald und Flur streifen, vorbei an Moos und Vetiver.
Für mich und an mir ist "Explosive" warm und trocken, dunkel, tiefgründig und ein wenig wild – der Duft bleibt relativ nah bei mir, ohne jedoch von anderen Gerüchen "verschluckt" zu werden, und behält über viele Stunden hinweg eine zurückgenommene Präsenz.
Ein wirklich schöner und autarker Duft, der sehr zu Unrecht auf dem Grabbeltisch gelandet ist.
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