Schon die Umverpackung duftet stark und ich ahne schon vor dem ersten Sprüher: Haha! Der ist der Hammer! Ich öffne die Umverpackung, nun wird der Duft intensiver und ein Grinsen tritt auf mein Gesicht: Dieses Parfum wird mir Spaß machen! Hatte ich es doch schon geahnt, nur vom Lesen der Pyramide und der Kommentare meiner Vorschreiber und Vorschreiberinnen. Und wirklich, ich habe mich nicht geirrt.
Der erste Sprüher füllt den Raum mit einer Welle von frisch-würziger, strahlender Bergamotte. Da ist keine Zurückhaltung drin, nein, hier kommt das pralle Leben und die ungebändigte Lust daran. Und schon treten die anderen gleich mit auf den Plan, ja da ist Rose dabei, da ist Würze und Puder von Koriandersaat und Iris und dann mein geliebtes Patchouli! Nicht so ein zahmes, entkräftetes Patchouli für Leute, die eigentlich gar kein Patchouli mögen, nein, Patchouli, so wie es meiner Meinung nach gehört: mit Tiefe, mit der Kraft, die mich irgendwie annehmen lässt, Patchouli habe heilsame Wirkung und könne einen tiefen seelischen Wandel einleiten. Insofern mutet Explosive/Provocation gleichzeitig präsent und diesseitig als auch irgendwie transzendent an.
Obwohl ich sie alle, auch einen Hauch Sandel, von Anfang an wahrnehme, der Duft quasi schon im Tutti beginnt, gibt es dennoch einen beeindruckenden Verlauf.
Nachdem die natürlich strahlende Bergamotte aus den ersten Reihen zurückgetreten ist, tritt eine wunderschöne, dunkle, samtig-pudrige Rose in den Vordergrund. Das Puder wird die feine Iris beisteuern, die sich ganz sanft mit der Rose verbindet. Rosengeranie ist normalerweise nicht so meins, aber hier ist auch sie trefflich eingebunden und trägt dazu bei, dass die Herznote mehr ist als nur Rose und Iris unterlegt von Patchouli. Maiglöckchen kann ich nur erahnen, weil sie in der Pyramide aufgeführt sind.
Schon jetzt weiß ich: Besser hätte man den Namen nicht wählen können: Kommt in mir doch eine schalkhafte Lust auf, mit diesem Duft mal ein paar Leute aufzurütteln. Mit diesem 80er-Duft mal in ein feines, veganes Restaurant zu gehen oder zu einer Dichterlesung und mich bei ein paar Nischenduftträgern unmöglich zu machen; in der U-Bahn unter den Gourmand-, Ambroxan-, Iso E Super-Trägerinnen Fremdschämen auszulösen; in eine Parfümerie zu gehen und die pikierten Gesichter der Designer-Duft-Kundinnen auf mich wirken zu lassen. Hihi, ich lache hier vor mich hin - dieser Duft ist so wild, so herrlich wild und irgendwie politisch inkorrekt, grandios unmodern. Aber er ist dabei freundlich, es ist kein fieser, gemeiner Duft, es ist nur ein wunderbar natürlich anmutender Duft der hemmungslos aus dem Vollen schöpft.
In der Basis wird er dann ruhiger, noch tiefer, in der Tiefe liegt die Kraft, und wieder denke ich, dass dieses Patchouli, das keinesfalls modrig anmutet und auch keine Hippie-Assoziation weckt, vermutlich das Zeug hat, therapeutisch zu wirken, mich verwandeln kann, heilsame Wirkung entfaltet. Gebettet auf weichem Moos, umspielt von wohltuendem Amber, hüllt es mich in eine beruhigende, schützende Aura, die immer noch Anteile von Zitischem und eine schöne, würzige Rose beinhaltet.
Nach und nach kommt immer mehr Amber hervor bis er mit dem Patchouli gleichgezogen hat. Einhellig lassen die beiden den Zauber verklingen. Wunderbar!
Dies ist kein Duft für Nischenduftträgerinnen, die in ihrer Nische bleiben wollen; kein Duft für Liebhaberinnen moderner Düfte, die weiter mit der Mode gehen wollen; er ist kein Duft für die Freundinnen der Designerdüfte, die ihren Designern treu bleiben wollen. Dies ist ein Duft für Mutige, die sich nicht scheuen, einen Duft zu tragen, der keiner dieser Schubladen entspricht, der eigentlich aus jeder Sicht nur anecken kann, und der aus der heutigen Zeit fällt, ohne direkt vintage zu sein (was ja dann für einige auch wieder modern wäre).
Aber, wer mal ausbrechen will aus seiner üblichen Vorliebe, welcher auch immer, wer sich zutiefst lebendig fühlen will, wild und frei, wer den Wandel nicht scheut, der sollte Explosive/Provocation einmal testen. Nur Patchouli sollte man schon mögen.
Habe ich jetzt jemanden provoziert? Ist gar jemand explodiert? Zur Beruhigung: In meiner Sammlung befinden sich Nischendüfte, Gourmands, andere moderne Düfte, sowie Vintage- und Designerdüfte. Ich war neulich in einem großartigen veganen Restaurant, liebe Dichterlesungen, fahre U-Bahn und kaufe in Parfümerien.
:-)