Haneen (Eau de Parfum) von Al Haramain

Haneen Eau de Parfum

Profuma
15.08.2019 - 12:27 Uhr
8
Sehr hilfreiche Rezension
9Duft 9Haltbarkeit 9Sillage 10Flakon

Orientalischer Rosengarten

Ein modernes arabisches Märchen:
Ich muss mich sputen. Gleich treffe ich mich mit John Ramsey, einem alten Freund aus Schultagen. Wir waren schon da beste Freunde und das ist bis heute so geblieben. Wir haben uns seither nicht getroffen aber stets unsere Gedanken und Gefühle via Chat und Webcam ausgetauscht. Während ich in Europa meinem Alltag nachgehe, hat er sich im Orient als Reiseführer niedergelassen. Seine Führungen sind unter Insidern sehr begehrt, beinhalten sie doch Besuche von Sehenswürdigkeiten, die man sonst nicht so oft zu sehen bekommt. Bucht man ihn, erhält man kein Programm unter Zeitdruck mit vorgegebenen Zielen. Nein. Er führt an versteckte Orte, an verborgene Refugien und in scheinbar verwunschene Welten. In einem alten klapprigen, ausgemusterten Armeejeep holpere ich vom Stadtende, in dem ich in einem Hotel untergebracht bin, durch aufwirbelnden Staub an unseren Treffpunkt am anderen Ende der Stadt. Lässig gegen eine Mauer gelehnt, mit einem Buch in der Hand. Da steht also mein Kontaktmann. Das Rattern des nahenden Jeeps und die quietschenden Bremsen reissen ihn aus seiner Haltung. Sekunden später liegen wir uns in den Armen und er dreht sich mit mir, bis sich meine Füsse von der Drehung vom Boden lösen und ich ich mir wie auf einem Karussell vorkomme. Wieder abgestellt ist mir ganz schön schwindlig. Aber wann wird man schon so herzlich und überschwänglich begrüsst? Als wir uns das letzte Mal gegenüberstanden waren wir noch Kinder. Wie doch die Zeit vergeht.
"Bist du bereit, einen ganz besonderen Ort mit mir zu besuchen?" fragt mich John mit erwartungsvollem Blick. Ich nicke, Natürlich bin ich das. Und ich bin gespannt, wohin er mich führt. Wir gehen eine Weile ausserhalb der Stadtmauern, bis wir an eine Mauer mit einem geschwungenen schmiedeeisernen Tor bedeckt mit Pflanzenranken gelangen, das den Blick ins Innere der Mauern vorerst noch verhüllt. Es lässt sich flügelartig öffnen und gibt nach und nach sein eben noch verborgenes Geheimnis preis. In keinster Weise hätte ich erwartet oder mir träumen lassen, was sich hinter den akurat getürmten Steinen verbirgt.
Ein Rosengarten von solcher Schönheit und Duftintensität, als entstiege er direkt den Seiten eines Märchenbuchs. Ein Rosenstrauch am anderen, üppigste Blütenpracht umsummt von allerlei Insekten, besucht von farbigen Singvögeln zur Darbietung ihrer Sangeskunst und sichtgeschützt von unwissenden Augen und unerwünschtem Massentourismus. John ist ein gerngesehener Gast, der Jassim, dem Besitzer des Gartens, auserlesene Besucher bringt, die das Schöne noch zu schätzen wissen. Hier werden keine Selfies mit Rosen und Jassim gemacht, keine Beete zertreten und keine Schmetterlinge oder Vögel gefangen. Wer hierher kommt, benimmt sich und geniesst. Kaum sind wir ein paar Schritte vom sich wieder schliessenden Tor einwärts gegangen, kommt uns Jassim auch schon freudestrahlend entgegen. John und er sind über die Jahre gute Freunde geworden und auch ich scheine nach einer kräftigen Umarmung automatisch dazuzugehören. Mitten im Garten, hinter hochgewachsenen Rosenbüschen und unter drei mächtigen Palmen verborgen, stehen ein paar kleine Tische und Stühle.
Jassim serviert uns Zitronentee, dessen Duft sich erfrischend und duftend die Nase emporschlängelt und mit dem Rosenduft des Gartens vermischt. Die Holznote von den Stühlen und Tischen mit der frischen Politur vermengen sich mit ihnen. Während ich mich mit John über die Erlebnisse der letzten Zeit seit meiner Anreise unterhalte, sind die Düfte omnipräsent, als wären die Lüfte, die durch den Garten streifen, eng und untrennbar mit ihnen verbunden. Grinsend bringt uns Jassim eine winzige Karaffe, aus der er uns ein Oel auf die Handflächen träuffelt. Es wird aus gepresstem Ylang, Jasmin, Fruchtsäften und Gewürzen hergestellt und entfaltet, verrieben auf der Haut einen unglaublich betörenden und fast ätherischen Duft. Jassim ist sichtbar stolz auf sein Oel, das nach überlieferten Rezepten bis heute unverändert und von Hand produziert wird. Nur so behält es den charakteristischen aromatischen Duft.
Den ganzen Nachmittag haben wir in dem Garten verbracht. Fast trunken von den wabernden Düften sind wir durch die Rosengässchen flaniert und haben über Gott und die Welt gesprochen. Dann muss ich leider ins Hotel zurück. Wir gehen den Weg zurück und bis zur Stadtmauer mit dem geparkten Jeep. Zum Abschied reicht mir John eine üppig verzierte Schatulle mit orientalischen Intarsien. So schön, dass ich sie kaum zu berühren wage. "Du darfst sie aber erst zuhause öffnen", ermahnt mich John und hebt dabei den Zeigefinger. Ich verspreche es und umarme ihn zum Dank und leider auch zum Abschied. Mein Flug geht bald. Ich muss wieder zurück und die Koffer noch fertig packen, ehe es zum Flughafen geht.
Die Tür zu meiner Wohnung fällt hinter mir ins Schloss und ich bin ganz schön müde durch den Flug. Meine Kraft aber reicht sehr wohl gerade noch, um Johns Schatulle aus dem Reisekoffer zu kramen. Ich setze mich auf die Bettkante und betrachte die edlen und glänzenden Verzierungen. Ich muss nun wissen, was ihr innewohnt und schiebe das Riegelchen durch den Ring nach aussen. Langsam hebe ich den Deckel und werde fast etwas geblendet. Auf rotem Samt gebettet liegt ein reich verzierter goldener Flakon mit einem Deckel in Rosenform. Die Aufschrift "Haramain Haneen" sagt mir da noch nichts. Ich lege den Verschluss zur Seite und ein Sprühkopf kommt zum Vorschein. Einmal betätigt, wird mir schlagartig klar, was in dem Behältnis wohnt. Es ist genau der Rosenduft aus Jassims Garten mit dem kostbaren Aroma seines Oels.
Ein schöneres Geschenk hätte mir John nicht machen können. Nun kann ich jederzeit in Gedanken meine Reise und den Besuch im Rosengarten mit ihm wieder und wieder erleben.
Und dank des Duftes werden meine gedanklichen Ausflüge dadurch noch ein wenig wirklicher.
5 Antworten
OttilyOttily vor 5 Jahren
1
Wow, wunderschön...Deine Geschichte und der Duft!
GoldGold vor 6 Jahren
Dein Kommentar ist ja richtig beflügelnd... wow.
FlirtyFlowerFlirtyFlower vor 6 Jahren
Jasmin mit Zitronentee - lecker! Pokal
Helena1411Helena1411 vor 6 Jahren
Wie aus tausend und einer Nacht...sowohl Dein Kommentar als auch scheinbar der Duft!
TtfortwoTtfortwo vor 6 Jahren
Sieh mal an, der begeistert Dich ja richtig. Ich habe das Öl und will es eigentlich schon länger weggeben. Vielleicht sollte ich es doch nochmal probieren.