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Top Rezension
Ein Wald von Pinien...
Um die Reputation der Düfte von Aramis, einem Zweig des Estée Lauder Konzerns, ist es bekanntlich nicht zum Besten bestellt, was Vor- und Nachteile hat, denn obwohl ganze Heerscharen von vermeindlichen Duft-Connaiseuren bei der alleinigen Erwähnung der Marke Aramis schon missbilligend die Nase rümpfen und auf die scheinbare Altbackenheit der Düfte und deren Billigimage (kurz vor Drogeriemarkt-Ware) verweisen, gibt es dennoch eine ganze Reihe von Duftliebhabern, die um diese Missachtung gar nicht so traurig sind. Im Gegenteil, manche sind sogar ziemlich froh, dass die Düfte unbeschadet der mächtig anbrandenden Moden ein jahrzehntelanges Schattendasein auf den untersten Regalen führten durften, denn zum Glück kam keiner auf die Idee sie in bestimmtem Turnus aufzuhübschen und mit immer neueren Varianten dem gerade herrschenden Zeitgeist anzudienen. Nein, sie blieben was sie waren, Jahr um Jahr, ein- und derselbe Inhalt im immergleichen Flakon, und selbst als in den späteren achziger Jahren die Düfte nicht stark genug sein konnten, alle Welt nach ‚concentrée’ und ‚intense’ verlangte und eine neue Duftkonzentration eingeführt wurde: das Eau de Parfum; selbst in dieser Zeit waren einige Düfte der Aramis-Serie, nämlich die, die von Anfang an als Eau de Cologne konzipiert waren, auch weiterhin ‚nur’ in dieser Stärke erhältlich. War es pure Missachtung der veränderten Kundenwünsche oder war es ganz einfach Respekt vor der Genialität dieser Werke, die den Estée Lauder Konzern daran hinderte an diesen Düften herumzudoktern?
Ich vermute letzteres - man malt ja auch nicht ständig an einem Chagall herum, nur weil die Öffentlichkeit auf einmal pastellenere oder kräftigere Farben liebt! Und ich denke bei Estée Lauder, einem der wenigen Konzerne die noch in Familientradition geführt werden, war und ist man sich bewusst, dass es sich bei diesen Düften durchaus um Kunstwerke handelt, die einen verantwortungsvollen Umgang erfordern.
Ein großer Glücksfall, der kaum historische Parallelen kennt und allenfalls vergleichbar ist mit der künstlerisch höchst produktiven Zusammenarbeit von Coco Chanel und Ernest Beaux, war das Zusammentreffen von Estée Lauder mit dem Meisterparfumeur Bernard Chant. Gemeinsam kreierten sie eine ganze Reihe wirklich großer Parfums, häufig als Duos - eine Eau de Toilette Version für die Dame und eine Eau de Cologne Version für den Herren: Aramis/Azurée, Alliage/Devin, Aromatics Elixier/Aramis 900, Cinnabar/JHL, Estée/Lauder for men – so als wollten sie zeigen wie schmal der Grat zwischen femininem und maskulinem Parfum ist. Dabei besitzen beide Teile dieser Duos ihre jeweils eigene Wertigkeit und sind bei aller Ähnlichkeit doch verschieden, wie zweieiige Zwillinge verschieden sind und dennoch unverkennbar zusammen gehörend. (Einfach genial und ihrer Zeit um Jahre voraus!)
Devin war nun sozusagen das ‚Alliage pour homme’. Beider Grundstruktur ist quasi deckungsgleich: ein grünes Chypre mit viel Galbanum und pudrigen Facetten. Während Alliage eher florale Akzente setzt, geht Devin in die herbere, krautigere Richtung und nennt sich folgerichtig nicht mehr Sport Spray (damit hat Alliage eine gänzlich neues Genre begründet!) sondern Country Eau de Cologne. Im Zusammenspiel mit Galbanum ist es nun vor allem die Pinie, die - im Gegensatz zu Alliage - deutlicher hervortritt. Der leicht harzige Duft der Piniennadeln war ja seit jeher beliebter Bestandteil in der Herrenparfümerie: man denke nur an Klassiker wie Blenheim Bouquet von Penhaligon´s oder das unverwüstliche Pino Silvestre. War, bzw. ist ersteres aber von britischer Blässe und mit ‚stiff-upper-lip’, letzteres hingegen von mediterranem Überschwang, kennzeichnet Devin eher der französische Hang zur Verfeinerung und Raffinement, untermalt von einer leichten, als très-chic empfundenen animalischen Facette, die aller Noblesse zum Trotz dem Duft eine frivol-erotische Nuance verleiht. Auch Devin besitzt diese Nuance, sehr dezent allerdings, doch durchaus wahrnehmbar je mehr man von diesem Duft aufsprüht.
Es ist als ritte man auf dem schweißfeuchten Rücken eines Pferdes durch einen aromatisch nach Nadelhölzern und Moosen duftenden Wald - der Geruch des Tieres, verwoben mit den Aromen der Natur. Passend zu dieser Assoziation ist auf der Box sowie dem Flakon oberhalb des Namens ‚Devin’ ein kleines Postillon-Horn abgebildet – auch der Postillon ritt früher durch Wald und Flur, von Ort zu Ort, sein Kommen mit Hornstößen ankündigend, und neueste Nachricht bringend (le devin – der Seher, Weissager).
Gestehen muss ich allerdings, dass ich diesen Duft jahrelang überhaupt nicht mochte. Immer wieder habe ich ihn trotzdem getestet, um ihn anschließend abzuwaschen, bzw. den Teststreifen zu zerknüllen und wegzuwerfen. Irgendwann aber hat es ‚Klick’ gemacht und ich habe Devin sozusagen ‚verstanden’. Ganz ähnlich erging es mir mit Guerlains ‚Derby’ - wie ‚Devin’ ein Chypre mit grünen und ledrig-animalischen Akzenten, allerdings wesentlich aufwändiger orchestriert!
Es kann sein, dass es genau diese Kombination war die mich abschreckte, denn ‚grün’ war doch zumeist mit Frische einhergehend, und eine Kombination mit dunklen, tierischen Anklängen eher ungewöhnlich. Aber Devin (wie Derby) ist auch ein ungewöhnlicher Duft, nicht nur was den Reichtum an Kontrasten und deren kunstvolle Verblendung angeht, er ist auch ungewöhnlich gut komponiert, hat einen fein abgestimmten Duftverlauf und exzellente Langlebigkeit, zumal für ein Eau de Cologne!
Vor kurzem, anlässlich der von der IFRA erzwungenen Umarbeitung sämtlicher alter Düfte, fasste Estée Lauder, bzw. Aramis ihr duftendes Erbe zu einer ‚Gentleman´s Collection’ genannten Reihe zusammen – gleiche Verpackung, gleicher Flakon, allein die Etiketten künden vom ehemaligen Design. Schade eigentlich, denn die alten Aufmachungen besaßen einen gewissen Retro-Chic, aber sei´s drum, Hauptsache der Inhalt stimmt. Und tatsächlich, allen Befürchtungen zum Trotz sind die Düfte so gut wie eh und je, und Unterschiede kaum zu entdecken. Bravo Aramis!!
Zugegeben: das neue Design ist so schlecht gar nicht, und aufgereiht - einer am anderen - macht die Gentleman´s Collection doch ganz schön was her – und ein bisschen mehr Aufmerksamkeit haben sie auch wirklich verdient, diese kleinen Wunderwerke der Parfumkunst!
Ich vermute letzteres - man malt ja auch nicht ständig an einem Chagall herum, nur weil die Öffentlichkeit auf einmal pastellenere oder kräftigere Farben liebt! Und ich denke bei Estée Lauder, einem der wenigen Konzerne die noch in Familientradition geführt werden, war und ist man sich bewusst, dass es sich bei diesen Düften durchaus um Kunstwerke handelt, die einen verantwortungsvollen Umgang erfordern.
Ein großer Glücksfall, der kaum historische Parallelen kennt und allenfalls vergleichbar ist mit der künstlerisch höchst produktiven Zusammenarbeit von Coco Chanel und Ernest Beaux, war das Zusammentreffen von Estée Lauder mit dem Meisterparfumeur Bernard Chant. Gemeinsam kreierten sie eine ganze Reihe wirklich großer Parfums, häufig als Duos - eine Eau de Toilette Version für die Dame und eine Eau de Cologne Version für den Herren: Aramis/Azurée, Alliage/Devin, Aromatics Elixier/Aramis 900, Cinnabar/JHL, Estée/Lauder for men – so als wollten sie zeigen wie schmal der Grat zwischen femininem und maskulinem Parfum ist. Dabei besitzen beide Teile dieser Duos ihre jeweils eigene Wertigkeit und sind bei aller Ähnlichkeit doch verschieden, wie zweieiige Zwillinge verschieden sind und dennoch unverkennbar zusammen gehörend. (Einfach genial und ihrer Zeit um Jahre voraus!)
Devin war nun sozusagen das ‚Alliage pour homme’. Beider Grundstruktur ist quasi deckungsgleich: ein grünes Chypre mit viel Galbanum und pudrigen Facetten. Während Alliage eher florale Akzente setzt, geht Devin in die herbere, krautigere Richtung und nennt sich folgerichtig nicht mehr Sport Spray (damit hat Alliage eine gänzlich neues Genre begründet!) sondern Country Eau de Cologne. Im Zusammenspiel mit Galbanum ist es nun vor allem die Pinie, die - im Gegensatz zu Alliage - deutlicher hervortritt. Der leicht harzige Duft der Piniennadeln war ja seit jeher beliebter Bestandteil in der Herrenparfümerie: man denke nur an Klassiker wie Blenheim Bouquet von Penhaligon´s oder das unverwüstliche Pino Silvestre. War, bzw. ist ersteres aber von britischer Blässe und mit ‚stiff-upper-lip’, letzteres hingegen von mediterranem Überschwang, kennzeichnet Devin eher der französische Hang zur Verfeinerung und Raffinement, untermalt von einer leichten, als très-chic empfundenen animalischen Facette, die aller Noblesse zum Trotz dem Duft eine frivol-erotische Nuance verleiht. Auch Devin besitzt diese Nuance, sehr dezent allerdings, doch durchaus wahrnehmbar je mehr man von diesem Duft aufsprüht.
Es ist als ritte man auf dem schweißfeuchten Rücken eines Pferdes durch einen aromatisch nach Nadelhölzern und Moosen duftenden Wald - der Geruch des Tieres, verwoben mit den Aromen der Natur. Passend zu dieser Assoziation ist auf der Box sowie dem Flakon oberhalb des Namens ‚Devin’ ein kleines Postillon-Horn abgebildet – auch der Postillon ritt früher durch Wald und Flur, von Ort zu Ort, sein Kommen mit Hornstößen ankündigend, und neueste Nachricht bringend (le devin – der Seher, Weissager).
Gestehen muss ich allerdings, dass ich diesen Duft jahrelang überhaupt nicht mochte. Immer wieder habe ich ihn trotzdem getestet, um ihn anschließend abzuwaschen, bzw. den Teststreifen zu zerknüllen und wegzuwerfen. Irgendwann aber hat es ‚Klick’ gemacht und ich habe Devin sozusagen ‚verstanden’. Ganz ähnlich erging es mir mit Guerlains ‚Derby’ - wie ‚Devin’ ein Chypre mit grünen und ledrig-animalischen Akzenten, allerdings wesentlich aufwändiger orchestriert!
Es kann sein, dass es genau diese Kombination war die mich abschreckte, denn ‚grün’ war doch zumeist mit Frische einhergehend, und eine Kombination mit dunklen, tierischen Anklängen eher ungewöhnlich. Aber Devin (wie Derby) ist auch ein ungewöhnlicher Duft, nicht nur was den Reichtum an Kontrasten und deren kunstvolle Verblendung angeht, er ist auch ungewöhnlich gut komponiert, hat einen fein abgestimmten Duftverlauf und exzellente Langlebigkeit, zumal für ein Eau de Cologne!
Vor kurzem, anlässlich der von der IFRA erzwungenen Umarbeitung sämtlicher alter Düfte, fasste Estée Lauder, bzw. Aramis ihr duftendes Erbe zu einer ‚Gentleman´s Collection’ genannten Reihe zusammen – gleiche Verpackung, gleicher Flakon, allein die Etiketten künden vom ehemaligen Design. Schade eigentlich, denn die alten Aufmachungen besaßen einen gewissen Retro-Chic, aber sei´s drum, Hauptsache der Inhalt stimmt. Und tatsächlich, allen Befürchtungen zum Trotz sind die Düfte so gut wie eh und je, und Unterschiede kaum zu entdecken. Bravo Aramis!!
Zugegeben: das neue Design ist so schlecht gar nicht, und aufgereiht - einer am anderen - macht die Gentleman´s Collection doch ganz schön was her – und ein bisschen mehr Aufmerksamkeit haben sie auch wirklich verdient, diese kleinen Wunderwerke der Parfumkunst!
8 Antworten
Stinki vor 6 Jahren
perfekter Kommentar !
Luzerner vor 10 Jahren
Cooler Kommentar - und wie er zutrifft!
Fittleworth vor 11 Jahren
Hervorragender Kommentar!
NIVED vor 12 Jahren
1984 ist lange her! Da hab ich ihn zuerst gerochen und nicht vergessen. 3-4 Jahre später meine erste Flasche. Bestimmt zehn Flaschen hab ich seitdem geleert. Muss unbedingt die Neuauflage testen, hab noch Vintage Vorrat. Klasse Kommentar! Auszeichnung
Mercuro vor 12 Jahren
Ein Duft mit großem Wiedererkennungswert und Ausstrahlung eher im EdT-Bereich.
Sisyphos vor 13 Jahren
Wunderbarer Kommentar, informativ und unterhaltsam!
Turandot vor 15 Jahren
Montag im Geschäft werde ich mir die beiden mal vornehmen. Ich zwei unterschiedliche Erinnerungen im Kopf gespeichert, aber das sagt ja noch lang nix. Bin gespannt
Baux vor 16 Jahren
Ich komm nicht darüber hinweg, dass es wie Pferd im Wald riechen soll, aber trotzdem gut. ;)

