Classic Collection III

Russian Oud II 2023

Ropanski2020
14.09.2023 - 12:15 Uhr
45
Top Rezension
8
Sillage
8
Haltbarkeit
6.5
Duft

Adams Memento mori: Klappe, die nächste!?

Das Studium der Parfümwelt kann gewissermaßen in Arbeit ausarten und zahlt sich obendrein nicht immer aus, nötigt sogar zuweilen zum Streit, wenn bestehende Grundfeste, durch missratende Versatzstücke einer vermeintlichen Kunst, ins Wanken geraten.

Man kann nicht über die Marke Areej Le Doré sprechen und von dem Konflikt schweigen, der sich an ihr entzündet. Die vor kurzem erschienene Classic Collection (im Bundle) ist nicht weniger als der Versuch einer detaillierten Neudarstellung dessen, was in den letzten Jahren in der Parfümszene zu (vermeintlichen) Klassikern avanciert ist und gestattet zugleich einen kritischen Blick auf das Gewordensein der Marke selbst.

Areej Le Doré war zu seinen Anfangszeiten eine sehr spannende Artisan-Marke, derentwegen es sich für viele lohnte, etwas mehr Geld in die Hand zu nehmen, wurde doch ein einmaliges Dufterlebnis versprochen. Relativ zügig entfaltete sich ein gewisser Hype um Marke und Person, nicht zuletzt infolge der limitierten Veröffentlichungspolitik, die vielerorts in einem weichgespülten Elitismus gipfelte, der die Flakons zusehends als Prestigeobjekte verklärte. Infolgedessen ist die Marke gefühlt zur Kontrastfolie von verblendeten Hype-Befürwortern und Sammler-Fetischisten verkommen, die das "Resell-Ding" im Parfümsegment erst so richtig salonfähig gemacht haben - Danke dafür! Und obwohl schon nahezu jeder Spatz von den Dächern der Republik aus den Abgesang mindestens einmal pfiff, wird jedes Mal aufs Neue den Veröffentlichungen heiß entgegengefiebert und der Szenerie wie einer Sekte geradezu betriebsblind beigewohnt.

Es liegt eine gewisse Tragik und eine nicht weniger nervige, aber in jedem Fall aufschlussreiche Ironie darin, dass die Art und Weise, wie Adam seine Neuveröffentlichungen in Videos ankündigt, der eines altehrwürdigen Staatsmannes gleicht, der aus seinen Memoiren gedanklich vorträgt, während die Eule der Minerva zum Sturzflug ansetzt. Die letzten Jahre generierte sich Adam immer mehr als Chronist in eigener Sache, der auszog, um die Katastase zu vollenden. Die selbstreferentielle Genügsamkeit, die er dabei an den Tag legt, wirkt aufgrund der stets gleichen Kameraeinstellung wie zu einem Gemälde stilisiert und irgendwie aus der Zeit geworfen.

So sehr sich die Marke damals vom Rest abhob, so sehr sei an dieser Stelle betont, wie wenig der (künstlich hochgetriebene) Preis über die eigentliche Qualität aussagt, wenngleich es nicht wenige gibt, die in Russian Oud Extrait de Parfum einen eigenständigen Platzhirsch, eine zeitgenössische Replik zum Thema Nische sehen. Man mag daher gewillt sein, der vorangegangenen Aussage ein "Aber" beizupflichten, nur hat sich reichlich Überschuss im Vergangenen angehäuft; bereits hierüber ließe sich vieles sagen. Und nicht wenige betonen mit Nachdruck, wie sehr dieser Durststrecke ein unermüdliches Zaudern vorausging, dessen Ende nunmehr zeitnah erfolgen soll.

Ich behaupte nicht, Adam hätte hier den letzten kläglichen Krümel zusammengekratzt, um noch einmal richtig Kasse zu machen. Jedoch sind gewisse Abnutzungserscheinungen nicht von der Hand zu weisen. Und wem daran gelegen ist, etwas Neues im Alten zu suchen, dem sind entweder die Ideen ausgegangen oder schlichtweg die Umweltfaktoren zu viel geworden, unter denen das eigene Dasein kümmerlich dahinsiecht. So wirkte schließlich auch die Forderung der Fans reizvoll genug, um ihr endlich nachzukommen.

Unterlegt mit einer Wagenladung voll Kakao wirkt die Neuauflage fast schon hermetisch dicht verblendet. Vornehmlich wohl, um der Herznote mehr Gewicht und Tragweite zu verleihen, die durch das Laster einer allzu schweren Basis häufig in den Hintergrund gerückt wird. Gelingen will dies jedoch nicht, auch nicht im distinktiven Sinne. Die Kakaonote zerschrotet die Einteilung einer Duftpyramide, führt diese geradezu ad absurdum. Die Virtuosität, mit der Adam noch im Original zwischen den einzelnen Ebenen der Duftpyramide changierte, geht dem Nachfolger in Gänze ab. Die pudrige Trockenheit des Kakaos ist übermächtig. Womöglich liegt es an der Oud-Auswahl oder den balsamischen Noten, die altersmilde zurücktreten; eventuell sogar an beidem. Zumindest überrascht bin ich von der weiträumigen Sillage, die für diese Marke geradezu untypisch ist. An dieser Stelle wird womöglich eine gewisse Anpassung oder Neuausrichtung an die Markterfordernisse deutlich, von denen sich auch ein Russian Adam nicht mehr vollauf freisprechen kann.

Russian Oud II ist beileibe kein schlechter, aber eben auch kein wirklich gut komponierter Duft. Handwerklich wirkt er unausgegoren bis unvorteilhaft (abgestimmt). Daran ändern auch der vermeintlich große Name und der Erfahrungshorizont des verantwortlichen Kopfes dahinter nichts, der wie ein Damoklesschwert über letzteren kreist.

Für mich persönlich ist das hier gewissermaßen ein versöhnlicher Abschluss, mit einer Marke, der es in den letzten Jahren nicht gelang, sich in der Breite entschieden weiterzuentwickeln. Zumindest in keine Richtung, die mir wirklich zugesagt hat. Der Leuchtturm erwies sich zu häufig als Irrlicht, das vermeintliche Leuchten in der Nacht glich bestenfalls dem weit entfernter, bereits ausgebrannter Sterne und ist nur ein Echo längst vergangener Tage. Die Enttäuschung wirkt umso schwerer, je bedeutsamer das aktuelle Release dargestellt wird, was es im Kern nicht ist.
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