Meggi
25.06.2019 - 14:59 Uhr
25
Top Rezension
7
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
6.5
Duft

Was heißt hier „heute“?

Früher wurde ich oft „Bohnenstange“ genannt. Das hörte irgendwann auf. Nicht, weil ich keine mehr wäre (60 Kilo auf knapp einsachtzig mit Ende 40 – wer hält dagegen?), sondern natürlich von wegen „gehört sich nicht“. Mit ‚Galantuomo‘ werde ich nun allerdings unversehens von der Bohnen- zur Zimtstange. Dazu, zur diesbezüglich erdrückenden Beweislage sowie zur Frage, warum wir Letztere benötigen, kommen wir im Folgenden.

Ein Anflug von anisig-zuckriger Süße. Auf rau-grüner Unterlage (Muskatellersalbei ist abgehakt) wird rasch Zimt nebst eugenoliger Verstärkung gut spürbar. Die fruchtigen Aspekte befinden sich hinter dieser Schicht und können lediglich einen Tupfer setzen. Gleichwohl sind die Angaben Tangerine wie vor allem auch Ingwer mit Ansage gut nachvollziehbar.

Der Zimt-Gedanke mischt sich hinfort ganz lustig mit der Lakritz-Behauptung. In der gut präsenten Süße sehe ich persönlich das Thema Anis/Lakritz vornean – die Außenwirkung indes ist eine völlig andere. Von den beiden üblichen Verdächtiginnen im Büro war ich bereits auf eine satte Portion Zimt angesprochen worden, den Schlusspunkt lieferte freilich ein kurzer Wortwechsel zwischen einer Dame aus der Grafik, die sich nie parfüm-interessiert gezeigt hatte und meiner Lieblingskollegin (eine der „beiden“ von oben, versteht sich):
„Was riecht das hier so nach Zimt?“
„Das ist der Herr M., der hat heute ein spezielles Parfüm drauf.“

Damit war alles geklärt. Fast – denn: Was heißt eigentlich „heute“…?

Allmählich geht der extern zimtige und intern anisig-süßholzige Schwerpunkt elegant und nahtlos in einen eher grünen Eindruck über. Der grüne Part am Duft erinnert mich an die Gentleman-Parfüms ‚Nouvelle Collection – Notes‘ und ‚Cravache‘ aus dem Hause Piguet. Keineswegs als Zwillinge, ich meine einfach diese vornehm-distinguierte, cremig angehauchte Art des Grünens.

Gegen Mittag findet gewissermaßen ein Szenenwechsel statt. Zunächst in Richtung Grün mit Vanille. Es könnte auch Tonka-Süße drin sein. Unverriechens entwickelt ‚Galantuomo‘ dann aber zusätzlich eine Halspastillen-Leder-Anmutung wie in einigen süßeren Leder-Düften, oder solchen, die basal mit Süße arbeiten, bis hin zu Knallern wie ‚Knize Ten‘. Leider weckt die Leder-Idee im Laufe des Nachmittags zumindest zum Teil den Verdacht, als sei ein pelzig-erbsiges Kunstholz beteiligt. Nicht einmal die Vanille, die in kräftiger Löffelei mehr und mehr hinzugefügt wird, vermag das zu übertünchen. Ertappt!?! Oh ja, in meinem Büro hängt bei Rückkehr nach längerer Abwesenheit eine olfaktorische OBI-Werbung.

Als stilistische Referenz fällt mir jetzt ‚Aviation Club‘ von Monsillage ein, welcher mir einen ähnlichen Weg von Grün über Camouflage-Leder (wahlweise eines aus der Irish-Leather-Ecke) hin zu Kunstholz zu beschreiten schien. Unschärfen bitte ich abermals zu entschuldigen, doch die Richtung dürfte klar sein. Den Abend erlebt ‚Galantuomo‘ nur noch als Ahnung.

Fazit: Ein ordentlicher Duft, der gewiss nicht anstoßen wird. Leider vermeidet er es entschlossen, die eine oder andere unerwartete Wendung in Unterhaltungswert umzumünzen. Den Geschwisterduft ‚Gourmand‘, getestet vor rund einem Jahr, fand ich fingerschnippiger.

Ich bedanke mich bei Garcon für die Probe. Genau genommen sind es sogar zwei Testerchen, die ich von ihm bekommen habe und nun verzupfen darf.
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