Noa 1998 Eau de Toilette

HeavyAlice
27.02.2024 - 16:33 Uhr
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Top Rezension

Meine beste Freundin, Herzschmerz und Marienkäfer

Ich bin ganz offen. Ich hatte alles andere als eine rosige Jugend. Vielleicht ist das in meinen Geschichten schon das ein oder andere Mal ein wenig durchgesickert, aber nun bin ich so direkt wie das Parfum, über das ich hier schreiben und somit einige meiner schönsten Erinnerungen mit euch teilen möchte. Erinnerungen, die ich hüte wie einen der kostbarsten Schätze auf Erden und auf die ich immer wieder zurückgreife, vor allem dann wenn es mir sehr schlecht geht oder auch einfach wenn ich mich über Kleinigkeiten freue- saubere Luft, Sonnenstrahlen, Regen, die Natur, das Gefühl am Leben zu sein. Das alles ist für mich ein Geschenk für das ich jeden Tag sehr dankbar bin. Das hat mich oft die dunkelsten Zeiten überstehen lassen.

Aber da ist noch jemand gewesen. Jemand ohne den ich viele Dinge nicht durchgestanden hätte, jemand ohne den diese großartigen Erinnerungen nur halb so viel Wert wären. Ich spreche von einem der wunderbarsten, kostbarsten und allerbesten Menschen in meinem Leben. Jemand der für mich gekämpft hat, als alle anderen geflohen sind. Und jemand der mich nie aufgegeben hat. Und das ist meine allerbeste Freundin, die ich schon seit über 25 Jahren kenne. Freunde…ist schon fast zu einfach dahergesagt. Wir sind Schwestern. Seelenverwandte. Durch dick und dünn, entgegen jeder Entfernung. Ausstieg mit 16 oder Tod in der Szene,- immer vereint gegen ein Leben, wie wir es kannten.

Meine beste Freundin hatte auch eine ganz wunderbare Mutter, von der sie allein aufgezogen wurde. Diese Frau kam aus Polen und hat mir mütterlich vielfach das gegeben, was mir zuhause leider oft gefehlt hat. Ich war für sie wie eine zweite Tochter und das hat sie mir auch sehr offen gezeigt. Sie war jung, oft chaotisch, sehr auf ihre Erscheinung bedacht, eine Femme Fatale, jedoch ohne jede Distanz oder Kälte. So wie sie wollte ich immer sein.

Meine beste Freundin lebte mit ihrer Mutter in einer Etagenwohnung. Die Wohnung war immer unglaublich sauber, roch pudrig nach Blumen, frischer Wäsche und einfach nach Zuhause. In der Küche duftete es dagegen immer nach den leckeren Mahlzeiten, die mit großer Liebe für uns beide gekocht wurden. Je älter wir wurden, desto mehr Zeit verbrachten wir natürlich auch im Badezimmer, das relativ klein war. Die Erinnerungen daran, wie wir lachend vor dem Spiegel posierten, überreichte mir meine beste Freundin, nicht ohne Stolz, in einem liebevoll gestalteten Fotoalbum (man, was sind die Bilder peinlich…!! Und trotzdem so wertvoll..)

Ich erinnere mich an diesen einen, warmen Nachmittag im Mai. Es war wunderschön draußen, ein richtig echter Frühlingstag, mit Sonnenstrahlen die durch den saftig grünen Blätterregen fielen, der die Äste an den Alleebäumen begrünte, in der meine Freundin wohnte. Die Wohnung roch wie immer nach Heimat und Zuhause; sauber, nach frischer Wäsche, pudrigen Blumen und dem Parfum, was ihre Mutter immer auf der Arbeit trug. Meine beste Freundin stand in der Küche und kochte uns Nudeln; samtig pudriger Duft vermischte sich mit tomatensaftiger Liebe. Der Duft aus Gräsern, Lavendel, Blüten und Straßenteer, der uns durch die geöffnete Balkontür entgegenwehte, war das sanfte Versprechen auf einen warmen Sommer und auch die Marienkäfer, die an diesem Tag ständig an den Gardinen hinauf-und hinunterkrabbelten, erzählten uns von den unzähligen wolkenlosen Himmeln und gleißenden Sonnenstrahlen, die auf uns warteten. Von dem Stadion hörten wir die Klänge eines Rockfestivals, was dort stattfand- und von dem ich weiß, das wir uns drüber grämten, das wir dort nicht allein hindurften.

Aber das war sowieso meine geringste Sorge- denn ich, 14 Jahre alt, saß bei meiner nudelkochenden Freundin in der Küche auf dem verkratzten, weißen Stoffsessel und weinte bitterlich, denn ich hatte grade mit meinem ersten Freund Schluss gemacht. Und obwohl ich ungaublich froh darüber war und er fast sechs Stunden von mir entfernt wohnte, heulte ich trotz allem wie ein Wasserfall- worüber? Natürlich darüber das es vorbei war, obwohl ich den Jungen vielleicht zweimal getroffen hatte. Aber vor allem weinte ich aus Scham. Scham darüber, das er schlicht ein Riesenar***loch gewesen war, eine Sache die ich einfach zu spät gemerkt hatte.

So saß ich da und schüttete meiner damals 12-jährigen Freundin, die grade dabei war, fachmännisch die Wurst kleinzuhächseln, mein Herz aus. Und wisst ihr was? Sie verstand so ziemlich alles, obwohl sie noch nie einen Freund gehabt hatte. Obwohl wir beide keine Vorstellungen davon hatten, wie eine echte Beziehung zwischen einem Jungen und einem Mädchen funktioniert, obwohl wir beide noch grün hinter den Ohren waren, obwohl wir beide typische Teenager waren- oft dramatisch und schlauer, als wir tatsächlich waren- war ihre Erkenntis eine weitaus Selbstlosere, als ich sie heute von teils bereits 40-jährigen vernehmen kann. Sie erkannte das, was ich damals so verzweifelt suchte- und sagte mir (natürlich im damaligen 2000er-Jugendslang und nicht wie ich grade), sie würde jederzeit als beste Freundin zurücktreten, wenn ich nur jemanden fände den ich liebe, weil SIE mich liebt. Und sie sagte es mit sehr (!) feuchten Augen (die sie danach natürlich bestritt, weil ,,ich muss stark für dich sein“ und so).

Ihr erwartet mehr Dramatik, mehr Gefühl, mehr Rosamunde Pilcher?

Nein.

Zusammen weinen, zusammen lachen- ja, unbedingt! Aber wir waren keine Teenies aus der BRAVO!-Girl.

Ich schaue sie an, sie schaut mich an.

Ich sage: ,,Bitte. Bitte, sag was Lustiges damit ich nicht noch mehr heulen muss..!“

Wir verarschen uns erst, dann folgt eine Umarmung für die man keine 1000 Worte brauch- widerrum gefolgt von einem lauten Aufschrei, als sich zu dem warmen, fast schon einschläfernden Frühsommerhauch der kokelige Geruch verbrannter Tomatensoße gesellt.

Drei Stunden später- ihre Mama kommt, beladen mit einigen Shoppingtaschen und drei köstlichen italienischen Pizzen. Das Stahlblau des Himmels draußen geht in einen blassrosafarbenen Horizont über, als wir die herrlich fettigen Pizzastücke verschlingen. Vergessen war der Scheisstyp, vergessen waren die Tränen.

Alles was blieb ist nicht nur der Duft nach pudrigen, frischen Blüten, Wäsche und Zuhause,- sondern auch eben jenes Gefühl, was mir diese Freundschaft bis heute schenkt.

Und diesen Duft, exakt diesen Duft nach dem wirklich die gesamte Wohnung immer roch und den die Mama meiner besten Freundin bis heute trägt- der steckt in diesem hübschen, runden, puren Flakon.

Deshalb musste ich ihn kaufen.

Tolle Erinnerungen in einer Flasche.
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