HeavyAlice

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HeavyAlice vor 1 Monat 8 7
Ihr Name ist Emily
Das allererste Mal erblickt er sie auf der Party, die er jedes Jahr im Sommer auf seiner prächtigen Yacht veranstaltet. Der Himmel ist stahlblau und lässt sich von den winzigen, wattigen Wölkchen kaum beeindrucken. Sie sind lediglich schwache Dekoration, die der Perfektion eines lauen Sommertags entgegensteht und ihn grade dadurch so rund, so aufregend macht. Auf dem Boot, das direkt am Strand liegt, tummeln sich dutzende von schönen Frauen; die Luft ist erfüllt von prickelndem Champagner, von gekühlten Himbeeren, von schwülstigen, schweren Parfumdüften, die sich genau wie die Gäste versuchen in ihrer Luxuriosität gegenseitig zu übertrumpfen.

Er lacht. Er lächelt. Er schüttelt Hände. Er gibt den perfekten Gastgeber. Er latscht in seinen weißen, teuren Tennisschuhen durch klebrige Pfützen aus Chardonnay Irgendwas, streichelt mit seinen Armen beiläufig sonnengebräunte, seidige Haut. Schneeweißes Hollywoodlächeln droht seine Augen zu verbrennen, hohes Gekicher zerrt an seinem Trommelfell und an seinen Nerven, Erwartungen drücken ihm ständig die starken Schultern zusammen. Er drängelt sich panisch durch die Menge, hin zum Rand des Bootes, will der feierwütigen, protzigen Masse entkommen, die er sich selbst eingeladen hat wie die Geister die er nie rufen wollte- und dann ist es plötzlich still um ihn herum.

Denn dann sieht er SIE.

Die opulente, schwülstige, protzige Wolke aus teuren Damendüften weicht zickig und zeternd zurück vor dieser zarten, unschuldigen und doch bemerkenswert durchsetzungsfähigen Note aus Pfingstrose, die seine Nase in einen weißen Schwanensee taucht und ihn an einen Ort entführt, der so einladend, romantisch und sicher ist, das er sich sofort geborgen fühlt.

Sie,- das ist Emily.

Emily steht im Abseits, hält nervös ein Glas Champagner in der Hand, weiß überhaupt nicht was sie hier soll zwischen all den luxuriösen, gut betuchten Gästen die sich über Pferdewetten und Aktien unterhalten. Sie wurde von ihrer Freundin, einer selbsterklärten Fashionista mitgeschleift, die jedoch sofort im Getümmel verschwunden ist und sie zurückgelassen hat.

Emily ist nicht reich; sie arbeitet in einem Dessousgeschäft und lebt in einem winzigen Haus am Strand, was sie von ihrem Vater geerbt hat. Ihre honigblonden Locken trägt sie offen, sie umschmeicheln ein rundes, natürlich schönes und freundliches Gesicht, was ihn schüchtern anlächelt als er sich traut, zu ihr heranzutreten. Fasziniert nimmt er wahr, um wieviel eleganter und weiblicher sie wirkt, als die kreischenden, bunten, pompösen Damen die ihn amsonsten umschwänzeln. Das weiße, cremige Sommerkleid aus Satin umspielt ihre braungebrannten Beine, die Diamantstecker in ihren Ohren passen zu dem glitzernden Anhänger an ihrer Halskette und denen an ihrem Armband. Das diese nicht echt sind, stört ihn keineswegs. Die schwarzen Riemchensandalen umschmeicheln gepflegte, zierliche Füße. Sie will nicht auffallen, sie muss es auch gar nicht. Sie ist die Taube unter tausend Raubvögeln, die Cinderella auf dem Ball. Eine Frau von zurückhaltender Eleganz, weiß, rein und trotzdem anschmiegsam.

Er vermisst sie. Er vermisst sie schon, wenn er sie nur ansieht.

Bevor er etwas sagen kann, streckt sie ihm ihre zierliche, weiche Hand hin.

,,Hallo", sagt sie. Eine weiche und doch klare Stimme, präsent und doch zurückhaltend, begleitet von weißen, etwas zapfenartigen Zähnen, die trotz ihrer fraulichen Präsenz noch das niedliche Mädchen aus früheren Tagen erahnen lassen. ,,Mein Name ist Emily."

Sie kuscheln im Strandhaus. Auf dem kleinen Landhaustisch vor ihnen zwei leere Teller mit Resten von Wildlachs in Tagliatelle. Hell und schmeichelnd schmiegt sich ihr Duft an ihn; er sieht gleißend helle Blumenfelder, riecht Zedernholz und Rosen, riecht bodenständiges und leises Frühlingserwachen und weiß, das er nie wieder aufhören wird zu träumen. Und so lässt er sich von ihr mit in die Ewigkeit nehmen; in ihren eigenen weiß blühenden Garten aus Pfingstrosen, Freesien und Rosen, einem Bouquet was ihm die Sicherheit schenkt, nach der er schon solange sucht und die nun endlich ein Zuhause gefunden hat.

Dieser Duft ,,Cute" ist dem von Chloe nachempfunden und ich muss sagen, das ich Chloe ein wenig besser finde, jedoch heißt das nicht das der hier schlecht ist. Ich bemühe mich immer, das ,,Dupe" als eine eigene Duftkomposition zu sehen. Für mich ist es ein Duft wie die Emily aus meiner Geschichte; sanft, rein, kühl in seiner zurückhaltenden Eleganz, ein weiblicher Duft, recht klassisch. Ein Duft für die Frauen, die trotz ihrer wichtigen Berufe, egal ob Lehrerin, Verkäuferin, Köchin oder Pflegerin immer noch vor allem eins sind: Bemerkenswerte Ladys.
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HeavyAlice vor 3 Monaten 11 5
Verdammte Vampirtage
Ich war 18 Jahre, noch längst nicht alt genug um aus dem Mädchenalter raus zu sein, aber schon ewig alt genug um mich genau so zu fühlen. Es war dieser Sommer im Jahr 2012, in dem ich erneut abrutschte. Ein kleiner Verlust, ein kleines Lebensereignis was nicht so lief wie geplant reichte aus, um mein heimeliges, düsteres Innenleben aus den Angeln zu reißen und die ohnehin rostigen Scharniere warum umso dankbarer, wenn sie mein dünnes Nervenkostüm nicht mehr halten mussten. Damals war dieses Scharnier erneut Herzschmerz der brutalsten Sorte, den ich auf ungesündeste Art und Weise kompensierte. Schlaf den ganzen Tag, mach Party die ganze Nacht. Niemals alt werden, niemals sterben.

Es macht Spaß ein Vampir zu sein, nicht wahr?

Bis auf das kleine Detail das ich kein Vampir war und das ich für rauschende Partys ein viel zu großer Sozialspastiker war.

Während vor meinem Fenster die staubige Hitze selbst den härtesten Straßenteer zum Schmelzen brachte und die Menschenmassen sich in Zeitlupe wie schwitzende Zombies fortbewegten, lag ich in meinem kleinen Zimmer unserer Erdgeschosswohnung auf meiner Couch und döste zu Serien wie ,,True Blood“ oder auch zu 80er-und 90er Jahre-Klassikern wie ,,Chucky und seine Braut“ oder ,,Carrie- Des Satans jüngste Tochter“. Die Zimmerfenster waren abgedunkelt, damit mich auch ja kein Sonnenstrahl erreichen und mich dran erinnern konnte, das es noch ein Leben außerhalb gab. Das Einzige was ich in mein Zimmer ließ, waren der Sonnenuntergang, der durch meine dunklen Gardinen aus Gazestoff fiel und so wunderbare, blutrote Muster an meine viktorianische Tapete zeichnete. Ich döste niemals ohne eine Flasche Coca Cola, die ich heimlich mit dem teuren Rum mischte, den ich meiner über alles geliebten (Pflege)mama und gleichzeitig Tante damals aus dem Alkoholschrank klaute. Schmeckte mir damals zum Kotzen, aber ich hab mich dabei einfach verboten und ein wenig verrucht gefühlt. Wie Tiffany aus ,,Chuckys Braut“- ein depressives Goth Girl, was tagsüber Cola mit Rum trinkt und nur Nachts erwacht.

Nachts dagegen öffnete ich meine Fenster, die damals von der Decke bis zum Boden reichten, denn der volle Augustmond stand riesig am Himmel und schien direkt zu mir ins Fenster hinein. Ich erinnere mich an die roten Wachskerzen die ich dann anzündete und an die nach Patchouli riechenden Räucherstäbchen, nach denen nicht nur ich, sondern auch meine gesamten Wände und Klamotten rochen. Ich schaute ,,Interview mit einem Vampir“ oder auch ,,Die Königin der Verdammten“. Ich aß nachts. Ich telefonierte nachts mit meinen Freunden,- ebenfalls Nachteulen und Vampire, die damals kaum einen Sinn in ihrem Leben sahen und sich in ihrer Gruft verbarrikadierten. Ich ging nachts mit KoRn auf den Ohren auf dem Spielplatz bei uns, neben dem sich gleich ein Friedhof befand. Und wenn ich doch einschlief, wachten keine Engel, sondern Marilyn Manson, Peter Steele und Trent Reznor über mich, die von meiner Posterwand ausdruckslos auf mich hinabblickten.

Meinetwegen hätte dieser Vampirsommer ewig so weitergehen können,- tat er aber nicht. Das Leben forderte mich und spätestens als ich zu einem Termin an meiner neuen Schule gebeten wurde, musste ich meinen Sarg verlassen und hinaus in die Sommersonne und noch viel schlimmer,- unter Menschen. Wie sollte ich das kontrollieren ohne nicht völlg auszurasten?

Vielleicht habe ich mir das Parfum deshalb bestellt,- zumindest im Unterbewusstsein. Das hier war mein erstes, richtiges, Grufti-Parfum. Ich hatte was das betrifft, nie wirklich hohe Ansprüche- hauptsache, es roch ,,anders“ als der ganze Mainstream-Bubblegum-Kram, der mich in den Drogerien immer halb erschlug.

Ich verliebte mich sofort in die obzöne Schla
e, als ich sie aufsprühte. DAS roch doch mal wirklich anders- kirschig, lakritzig, irgendwie nuklear und nach Massen aus Alkohol, sodass ich ein wenig Angst bekam, das es mir draußen die Rum-Cola ersetzen würde. So wenig Wert ich damals auch auf die Meinung anderer legte, wollte ich dennoch nicht unbedingt betrunken zu meinem Vorstellungsgespräch an der Schule erscheinen.

Das Verknalltsein in die obzöne Schla
e wechselte sofort zu echter Liebe, als meine Pflegemama rief : ,,Was STINKT denn hier so fürchterlich?“

,,IIiiihiiiiich!“, rief ich dann fröhlich und beeilte mich schnell aus der Wohnung zu verschwinden, bevor sie mich mit einem Bebe-Deodorant oder so etwas ähnlichem besprühen konnte.

Da stand ich dann also unten im Treppenhaus vor der Glastür unseres schicken, weißen Neubauwohnhauses und wappnete mich dafür, mitten an einem Sommernachmittag auf Freitag in die Stadt zu müssen, nachdem ich wochenlang in meiner Gruft zwischen schlechten Räucherstäbchen, Kerzen, dunklen Vorhängen, Horrorfilmen und der Musik von Type O Negative gehaust hatte und wo Cola-Rum und Paprikachips meine Grundnahrungsmittel darstellten.

Ich trug eine schwarze Sonnenbrille, meine schwarze kurze Jeansjacke mit diversen Patches und Nieten (das waren noch die Zeiten wo man seine Jacken selbst herstelllte und nicht fertig bei EMP bestellte..) und meine unzähligen Ketten und Ringe. Das Parfum hatte sich mittlerweile bissig an meinem Hals festgesaugt und entwickelte sich zusammen mit meinem Schweiß zu einem bitteren, dunkelvioletten Kirschlikör-Aroma. Der Duft umwehte mich in der Straßenbahn und er schien nicht alle Menschen abzuschrecken- ich konnte zumindest einen Typen ausmachen, der mir begeistert nachblickte und in die Luft schnupperte.

Das Vorstellungsgespräch lief damals trotz meiner bösen Erwartungen überraschend gut.

Und ich denke das war dann auch der Tag, an dem ich beschlossen habe, das ich Alkohol zum Aufsprühen um einiges lieber mag, als diesen in mich reinzukippen.

Kirsche, Lorbeer- du verdammte obzöne Schla*e fehlst mir so unwahrscheinlich!

Genau so sehr wie diese verdammten Vampirtage.


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HeavyAlice vor 3 Monaten 34 14
Meine beste Freundin, Herzschmerz und Marienkäfer
Ich bin ganz offen. Ich hatte alles andere als eine rosige Jugend. Vielleicht ist das in meinen Geschichten schon das ein oder andere Mal ein wenig durchgesickert, aber nun bin ich so direkt wie das Parfum, über das ich hier schreiben und somit einige meiner schönsten Erinnerungen mit euch teilen möchte. Erinnerungen, die ich hüte wie einen der kostbarsten Schätze auf Erden und auf die ich immer wieder zurückgreife, vor allem dann wenn es mir sehr schlecht geht oder auch einfach wenn ich mich über Kleinigkeiten freue- saubere Luft, Sonnenstrahlen, Regen, die Natur, das Gefühl am Leben zu sein. Das alles ist für mich ein Geschenk für das ich jeden Tag sehr dankbar bin. Das hat mich oft die dunkelsten Zeiten überstehen lassen.

Aber da ist noch jemand gewesen. Jemand ohne den ich viele Dinge nicht durchgestanden hätte, jemand ohne den diese großartigen Erinnerungen nur halb so viel Wert wären. Ich spreche von einem der wunderbarsten, kostbarsten und allerbesten Menschen in meinem Leben. Jemand der für mich gekämpft hat, als alle anderen geflohen sind. Und jemand der mich nie aufgegeben hat. Und das ist meine allerbeste Freundin, die ich schon seit über 25 Jahren kenne. Freunde…ist schon fast zu einfach dahergesagt. Wir sind Schwestern. Seelenverwandte. Durch dick und dünn, entgegen jeder Entfernung. Ausstieg mit 16 oder Tod in der Szene,- immer vereint gegen ein Leben, wie wir es kannten.

Meine beste Freundin hatte auch eine ganz wunderbare Mutter, von der sie allein aufgezogen wurde. Diese Frau kam aus Polen und hat mir mütterlich vielfach das gegeben, was mir zuhause leider oft gefehlt hat. Ich war für sie wie eine zweite Tochter und das hat sie mir auch sehr offen gezeigt. Sie war jung, oft chaotisch, sehr auf ihre Erscheinung bedacht, eine Femme Fatale, jedoch ohne jede Distanz oder Kälte. So wie sie wollte ich immer sein.

Meine beste Freundin lebte mit ihrer Mutter in einer Etagenwohnung. Die Wohnung war immer unglaublich sauber, roch pudrig nach Blumen, frischer Wäsche und einfach nach Zuhause. In der Küche duftete es dagegen immer nach den leckeren Mahlzeiten, die mit großer Liebe für uns beide gekocht wurden. Je älter wir wurden, desto mehr Zeit verbrachten wir natürlich auch im Badezimmer, das relativ klein war. Die Erinnerungen daran, wie wir lachend vor dem Spiegel posierten, überreichte mir meine beste Freundin, nicht ohne Stolz, in einem liebevoll gestalteten Fotoalbum (man, was sind die Bilder peinlich…!! Und trotzdem so wertvoll..)

Ich erinnere mich an diesen einen, warmen Nachmittag im Mai. Es war wunderschön draußen, ein richtig echter Frühlingstag, mit Sonnenstrahlen die durch den saftig grünen Blätterregen fielen, der die Äste an den Alleebäumen begrünte, in der meine Freundin wohnte. Die Wohnung roch wie immer nach Heimat und Zuhause; sauber, nach frischer Wäsche, pudrigen Blumen und dem Parfum, was ihre Mutter immer auf der Arbeit trug. Meine beste Freundin stand in der Küche und kochte uns Nudeln; samtig pudriger Duft vermischte sich mit tomatensaftiger Liebe. Der Duft aus Gräsern, Lavendel, Blüten und Straßenteer, der uns durch die geöffnete Balkontür entgegenwehte, war das sanfte Versprechen auf einen warmen Sommer und auch die Marienkäfer, die an diesem Tag ständig an den Gardinen hinauf-und hinunterkrabbelten, erzählten uns von den unzähligen wolkenlosen Himmeln und gleißenden Sonnenstrahlen, die auf uns warteten. Von dem Stadion hörten wir die Klänge eines Rockfestivals, was dort stattfand- und von dem ich weiß, das wir uns drüber grämten, das wir dort nicht allein hindurften.

Aber das war sowieso meine geringste Sorge- denn ich, 14 Jahre alt, saß bei meiner nudelkochenden Freundin in der Küche auf dem verkratzten, weißen Stoffsessel und weinte bitterlich, denn ich hatte grade mit meinem ersten Freund Schluss gemacht. Und obwohl ich ungaublich froh darüber war und er fast sechs Stunden von mir entfernt wohnte, heulte ich trotz allem wie ein Wasserfall- worüber? Natürlich darüber das es vorbei war, obwohl ich den Jungen vielleicht zweimal getroffen hatte. Aber vor allem weinte ich aus Scham. Scham darüber, das er schlicht ein Riesenar**loch gewesen war, eine Sache die ich einfach zu spät gemerkt hatte.

So saß ich da und schüttete meiner damals 12-jährigen Freundin, die grade dabei war, fachmännisch die Wurst kleinzuhächseln, mein Herz aus. Und wisst ihr was? Sie verstand so ziemlich alles, obwohl sie noch nie einen Freund gehabt hatte. Obwohl wir beide keine Vorstellungen davon hatten, wie eine echte Beziehung zwischen einem Jungen und einem Mädchen funktioniert, obwohl wir beide noch grün hinter den Ohren waren, obwohl wir beide typische Teenager waren- oft dramatisch und schlauer, als wir tatsächlich waren- war ihre Erkenntis eine weitaus Selbstlosere, als ich sie heute von teils bereits 40-jährigen vernehmen kann. Sie erkannte das, was ich damals so verzweifelt suchte- und sagte mir (natürlich im damaligen 2000er-Jugendslang und nicht wie ich grade), sie würde jederzeit als beste Freundin zurücktreten, wenn ich nur jemanden fände den ich liebe, weil SIE mich liebt. Und sie sagte es mit sehr (!) feuchten Augen (die sie danach natürlich bestritt, weil ,,ich muss stark für dich sein“ und so).

Ihr erwartet mehr Dramatik, mehr Gefühl, mehr Rosamunde Pilcher?

Nein.

Zusammen weinen, zusammen lachen- ja, unbedingt! Aber wir waren keine Teenies aus der BRAVO!-Girl.

Ich schaue sie an, sie schaut mich an.

Ich sage: ,,Bitte. Bitte, sag was Lustiges damit ich nicht noch mehr heulen muss..!“

Wir verarschen uns erst, dann folgt eine Umarmung für die man keine 1000 Worte brauch- widerrum gefolgt von einem lauten Aufschrei, als sich zu dem warmen, fast schon einschläfernden Frühsommerhauch der kokelige Geruch verbrannter Tomatensoße gesellt.

Drei Stunden später- ihre Mama kommt, beladen mit einigen Shoppingtaschen und drei köstlichen italienischen Pizzen. Das Stahlblau des Himmels draußen geht in einen blassrosafarbenen Horizont über, als wir die herrlich fettigen Pizzastücke verschlingen. Vergessen war der Scheisstyp, vergessen waren die Tränen.

Alles was blieb ist nicht nur der Duft nach pudrigen, frischen Blüten, Wäsche und Zuhause,- sondern auch eben jenes Gefühl, was mir diese Freundschaft bis heute schenkt.

Und diesen Duft, exakt diesen Duft nach dem wirklich die gesamte Wohnung immer roch und den die Mama meiner besten Freundin bis heute trägt- der steckt in diesem hübschen, runden, puren Flakon.

Deshalb musste ich ihn kaufen.

Tolle Erinnerungen in einer Flasche.
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HeavyAlice vor 3 Monaten 13 1
Sunset Strip
Es war an einem hochgradig stickig-staubigem Hochsommertag, als ich von meiner Arbeit als Küchenhilfe zu Fuß nach Hause ging und beschloss in der Drogerie meines Vertrauens Halt zu machen (und das nicht nur, weil es darin im Gegensatz zu draußen so herrlich kühl war und alles nach Weichspüler und Moschus roch). Zum Einen war ich in einer bombigen Vorfreude auf mein kommendes Wochenende und zum anderen hatte ich das Bedürfnis mir nach einer sehr harten Woche einfach mal etwas Kleines zu gönnen.

Ich laufe also in meinen durchgelatschten Chucks durch die Gänge und mein Blick fiel, anders als sonst, auf die unteren Reihen mit den günstigeren Parfums und damit auch auf das rosafarbene Fläschchen mit dem sonnengoldenen Inhalt. ,,In Flames"? Klang vielversprechend. Immerhin fühlte ich mich ja an diesem Tag auch, als stünde ich in hitzigen Sommersonneflammen :)

Zugegeben, nach dem ersten Sprühstoß wusste ich nicht recht, was ich von dem Parfum halten sollte und meine Reaktion fiel entsprechend ambivalent aus. Zuerst hüllte mich eine ziemlich grobe Wolke aus Synthetik ein, die würzig, süßlich, aber vor allem künstlich roch. Ich wollte es schon wieder ins Regal zurückstellen als sich der Duft innerhalb von Sekunden auf meinem Schweiß zu etwas entwickelte, was ich gerne als ,,striptease-sexy" bezeichne. Er besaß weder die schwere, verführerische Erotik einer Femme Fatale, noch die verspielte, unschuldige Süße eines Raubkätzchens. Dieser Duft ist sehr feminin, warm, weich, sommerlich und für mich auf eine sehr direkte und forsche Weise aphrodisierend.

Ich trug diesen Duft am Wochenende, bewegte mich in meinem schwarzen Minikleid durch mein damaliges Viertel, wo sich Imbisse, Kleinhändler, Nettos, diverse Kneipen und ein Stripclub mit meinem über alles geliebter Pöbel aneinanderreihten. Ohne Frage, ein Sunset Strip, als hättest du ihn auf Wish bestellt,- doch ich liebe ihn über alles, mit seinen kleinen, schmutzigen Gassen, den älteren, lachenden Herren die mit einem Bier in der Hand vor ihren Lieblingskneipen saßen. Die viel zu lauten Punks, die offenbar auf dem Weg zu einem schmutzigen Kaschemmenkonzert waren, was ich vielleicht ebenfalls besuchen wollte. Die netten Dönerverkäufer, die die Fensterscheiben ihrer Läden blitzblank putzten, bevor sie sie für die hungrige Meute öffneten. Die Bauarbeiter, die mir von ihrem Gerüst aus zuwunken (und ab und an nachpfiffen). Der schmierige McDonalds auf der anderen Straßenseite, der immer einen rutschigen Boden hat und wo die keine Cola bestellen solltest, weil sie schlicht warm ist. Der kleine Park, in dem sich die Abgehängten der Gesellschaft mit Bewohnern aus dem Altersheim die Hände reichen und gemeinsam versuchen, garstige Eichhörnchen zu füttern. Der Netto, in dem du bereits ab 18:00 Uhr doof angeschaut wirst, wenn du nicht mindestens eine Flasche Alkohol auf das Kassenband gelegt hast.

Für versnobte Menschen zweifellos ,,assige" Zustände- für mich schlichtweg mein Zuhause.

Der Himmel war strahlend blau, die Vögel zwitscherten, die Sonne prallte vom Himmel herab und verschmolz mit diesem salzigen Vanilleduft zu einem Zauber, der mich gut gelaunt die Hüften schwingen ließ. Ich kaufte mir eine Flasche Becks-Lemon, setzte mich in den Park, genoss die frische, warme, blumige Sommerluft die mir um das Gesicht wehte. Wartete auf meine beste Freundin, mit der ich bis zum Abend durch das alljährliche Bierfest lief, während die rote Glut das stählerne Blau des Sommerhimmels für sich eroberte.

An diesem Tag stand ich in Flammen,- und ich roch genau so wie mein geliebter ,,Sunset Strip" der keiner war und nie einer sein wird- sonnig, salzig, schmutzig und auch ein bisschen billig.

Und ich kann euch sagen: Das war verdammt gut so!

,,She`s a sunset stripper,
In a bar at the corner,
She`s a g-string stripper,
But i`m in love with her!"

https://www.youtube.com/watch?v=FjJs_Wk_cIY




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HeavyAlice vor 3 Monaten 38 8
Emilia Romagna
Ich wuchs in einer Pflegefamilie auf, als ich neun Jahre alt war ist mein Pflegepapa gestorben. Das hat mir und auch dem Rest meiner Familie das Herz gebrochen und das sandige Märchenschloss meiner Kindheit bis auf die Grundmauern niedergerissen. Doch manchmal ist es merkwürdig; denn oftmals sind schlechte Erinnerungen das Meer, was uns auf die Inseln der glückseligsten Momente treiben kann, die wir trotz allem in unserem Herzen bewahrt haben- und zu denen uns lediglich der Kompass verloren gegangen ist.

Ein kleiner Kompass ist dieses Parfum hier, dieser Duft nach Sonnencreme, Kokosnüssen und cremigen Blüten der mich sofort in meine glücklichsten Kindheitserinnerungen versetzt.

Wir sind damals in den Sommerferien jedes Jahr nach Italien gefahren. Das war unser gemeinsamer Familienurlaub, wo wir immer mit der ganzen Familie gereist sind. Emilia St. Romagna, Katholika, smaragdgrünes Meer, dicke Makkaroni die in sahniger Tomatensoße schwammen, niemals endende Sommernächte mit den Kindern der italienischen Arbeiter. Das Hotel, mit seinen weißen Leinenvorhängen, dem
sonnendurchfluteten beigefarbenen Treppenhaus und den unzähligen, grünen Topffplanzen unter den märchenhaften Torbögen (in diesem Treppenhaus habe ich mich als Kind unzählige Male verlaufen..)

Dieses Parfum beschwört die Erinnerungen an einen glücklichen Strandtag herauf, in dem ich als kleines Mädchen in meinem Snoopy-Badeanzug und einem Haselnusseis am Meer gesessen hab und meine Mama mir in zentimeterdicken Schichten Sonnencreme auf die Haut geschmiert hat. Immer wieder kam damals ein fröhlich lachender Mann vorbei und sagte zu ihr ,,Coco Di Mama! Coco Di Mama!“ Er hatte sich einen bunt gestreiften Kasten vor den Bauch geschnallt und verkaufte unterschiedliche Dinge; Spielzeug, italienisches Essen, Waffeln, sogar Kokosnüsse.

Jeden Tag war ich ungeduldig, jeden Tag wartete ich bis der Duft der Sonnencreme auf das Minimalste verdunstet war, damit ich endlich wie ,,Arielle die Meerjungfrau“ in den Wellen versinken durfte, zusammen mit meinem Vater der wie ein menschgewordener König Triton über mich und meine Hundepaddelei wachte. Und mit mir Märchenschlösser aus Sandburgen baute.

Das ist das Schönste an dem Sand der Zeit.

Du denkst dieses Märchenschloss aus Sand wurde vom Wind verweht und wird niemals wieder auftauchen, denn die Person, die es mit dir zusammen errichtet hat, ist fort. Du kannst es nicht zurückholen.

Aber der Sand ist noch da.

Und wenn der erste Schmerz vergangen ist, ist es deine Entscheidung ihn an dich zu nehmen und daraus ein Denkmal an diese wunderbaren Erinnerungen zu schaffen.

Und DAS strahlt für immer.
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