Pasha de Cartier Parfum 2019

Maxi3000
15.03.2020 - 17:15 Uhr
30
Top Rezension
10
Flakon
9
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft

Goldkettchen erfolgreich abgelegt!

Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß.
Und manchmal hat es auch Vorteile, nicht jede Ecke und jeden Kommentar von Parfumo schon auswendig zu kennen. Wie in vorliegendem Fall, in dem es um den neuesten Flanker des "Pasha de Carter" geht - dem "Pasha de Cartier Parfum", zu dem ich nach dem ersten Test nur ein kurzes Statement schreiben wollte, der mir aber mitterweile so außerordentlich gut gefällt, dass ich ihn nun doch mit einem ausführlicheren Kommentar lobpreisen wollte.

Ich habe den Original "Pasha" von 1992 nie getestet bzw. gerochen. Und ihn auch nie auf Parfumo gesucht. Und das war vielleicht besser so: wäre ich nämlich die zum Duft abgegebenen Reviews durchgegangen, hätte ich die neu erschienene Parfum-Version aus dem Hause Cartier vermutlich nie getestet: man liest von einem würzig-seifigen Altherren-, sorry, Oldschool-Duft, der wunderliche Assoziationen an verschwitzte Rentner in Thailand und lüsternde alte Quartalssäufer mit Goldkettchen weckt.

Soviel sei vorweg verraten: auch die neue Parfum-Variane ist nichts für keimfrei riechen wollende Prada-Puristen, auch im 2020er-Update echot eine leicht kräuterig-schwitzige Cumin-Nuance, allerdings nur sehr moderat "menschelnd" und eingepackt in viele andere leckere Noten. Dabei hat Hausparfumeurin Mathilde Laurent beim Feintuning der Komposition scheinbar immer mal wieder nach links und rechts geschaut: hier ein kleines Likörchen mit "Dior Homme Intense" getrunken, dort ein Tonkaböhnchen von Guerlain stibitzt - und das ganze dann dezent eingarbeitet, so dass ein Herrenduft mit klassisch-maskuliner DNA, aber keineswegs verstaubten Charakter entstanden ist (was nicht heißen soll, dass die Damen ihn nicht auch mal testen sollten!). Unser Pasha gönnt sich quasi ein Makeover: weg mit dem Goldkettchen, dem Busfahrer-Hemd und weg mit dem Herrengedeck!

Der neue Pasha gönnt sich zum Auftakt lieber erstmal eine Kaffee: tatsächlich nehme ich zu Beginn eine erdig-dunkle Note wahr, die mich - obwohl nicht in der Duftpyramide angegeben - an schwarzen Kaffee erinnert. Dazu fruchtige Untertöne (es gab also Fruchtlikör), ganz leicht angeschwipst (um den Anglizismus "boozy" zu vermeiden).

Vollkommen Hin und Weg bin dann aber erst nach ca. einer halben Stunde: Patchouli, Amber und Labdanum schieben den Duft in warm-würziges, etwas gold-karamelliges Terrain und geben dem Ganzen diese leicht verschlafen wirkende, ambriert-benebelte Anmutung, die sich auch einer meiner All-Time-Favourites - "Opium pour Homme" in der Eau de Parfum-Version - zu Eigen macht und die von einigen Parfumos als zu schwülstig und zu wuchtig, von mir aber einfach nur anziehend, sinnlich, ja auf eine erotische Weise körperlich wahrgenommen wird. Auch die Basis, die armbriert-balsamisch und mit viel Sandelholz ausklingt, ist handwerklich vielleicht nicht zwangsläufig top-modern, aber für mein Empfinden stimmig und angenehm.

Ein großer Trumpf ist die Haltbarkeit - auf der Haut hält der Duft bei mir locker 10 Stunden durch, auf die Jacke gesprüht habe ich ihn sogar nach 48 Stunden immer noch wahrgenommen - man merkt, dass es sich hier nicht um ein Eau de Parfum, sondern tatsächlich um ein richtiges Parfum (!) handelt. Die Sillage ist ebenfalls sehr stark, von daher für den bestmöglichen Genuss sparsam oder zumindest mit etwas Bedacht dosieren! Sonst wirkt der Duftschleier schon sehr penetrant.

Der wunderhübsche Art Deco-Flakon ist nahezu identisch mit dem Original- sieht schick und zeitlos edel aus und liegt auch haptisch gut in der Hand; bei Schmuckhäusern wie Cartier oder Lalique merkt man, dass auch immer ein spezielles Augenmerk auf das Design gelegt wird.

Eine sehr respektable Veröffentlichung von Cartier! Dieser Pasha ist nicht unbedingt ein Trendsetter, kein "Performer" und treibt sich auch nicht in den hippsten Clubs herum - vielmehr ist er ein stilsicherer, eleganter und warmherziger Typ, von dem sich so manche Dame (und auch den ein oder andere Herr!) angezogen fühlen wird. Nachdem ich Cartier gedanklich jahrelang in der Protz-Schnösel-Ecke abgelegt hatte (sorry!), muss ich nun doch schön langsam Abbitte leisten: nachdem sich die letzten Erscheinungen im Herren-Segment - "L'Envol", und das "Declaration Parfum" - schon als moderne, erwachsene Düfte, die sich nicht zu sehr an kurzlebige Trends anbiedern, entpuppt haben, ist das "Pasha"-Parfum für mich die bisher gelungenste Neuveröffentlichung.

Und bei allen weiteren Neuveröffentlichungen werde ich demnächst mal öfters erst testen und DANN auf Parfumo nachschauen... ;)
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