N°19 1971 Eau de Parfum

Medusa00
23.10.2021 - 15:52 Uhr
68
Top Rezension
8
Preis
8
Flakon
9
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft

Der "Ladenhüter"



1993. Sie ist wieder unterwegs im Außendienst und diesmal im Speckgürtel von Berlin und sie ist froh, daß sie diesmal nicht direkt nach Berlin rein fahren muß. Aber wie immer schlendert sie in der freien Zeit oder nach den Terminen gerne durch die Geschäftsstraßen. Kleine nette Läden waren ihr viel lieber als die großen Einkaufstempel. Besonders an Parfümerien konnte sie nie vorbei gehen und es war immer als ob eine große Faust da heraus schnellte und sie hinein zerrte. So auch diesmal in diese kleine, private Parfümerie. Hübsch eingerichtet, ein bißchen nostalgisch. Sogar antiquierte Lampen beleuchteten die Regale und nicht diese furchtbaren Neonleuchten und Spiegel überall.
Trotzdem war das Lädchen gut sortiert und viele der bekannten Marken konnte man entdecken.
Sie war ja schon immer eine „Chanelle“. Vor der Wende brauchte man Beziehungen, aber jetzt konnte sie sich austoben. Also stand sie sinnend vor dem Chanel Regal und überlegte, ob sie sich noch ein No 5 kaufen sollte oder lieber Coco? Oder doch einen von Lauder?
Irgendwie mauerblümchenhaft stand neben den anderen Chanels auch No 19. Den Duft hatte sie noch nicht. Sie sah sich ratsuchend um. Dann kam eine ältere Dame heran gewuselt, die irgendwie aussah wie Queen Elizabeth, mit der gleichen Frisur, nur ohne Hut.
„Kann ick Ihnen wat zeigen oder wollnse erstmal nur gucken?“
Oha, erfrischend wenn „Queen Elizabeth“ sich das Berlinern noch nicht abtrainiert hatte und gestelzt hochdeutsch sprach.
Sie :“Ich liebe ja die Chanels, aber No 19 kenne ich noch nicht.“
Verkäuferin:“ Ja, det is irjendwie unser Ladenhüter, aber ick nenne den 19 immer den unverstandenen Duft.“
Sie:“Wieso denn?“
Verkäuferin: „Wenn se woll´n sprühe ick den Ihnen einfach mal off, nich auf´n Streifen, da wirkt der jar nicht.“
Beide Unterarme und die Pulsadern wurden großzügig eingesprüht.
Verkäuferin: „Warten se und wedeln se, als ob se abheben wollen und dann erst schnuppern.“
Sie wedelte wie ein Blaufußtölpel der fliegen lernt und schnupperte dann.

„Oh, der ist aber grün!“
Die „Queen“: „ Ja, da scheiden sich ja ooch die Jeister, ob No 19 nur jrün is, oder ein Chypre oder ein jrüner Chypre. Heutzutage isser nich mehr so janz am Zeitjeschmack.“
Sie: „Ich glaube ich mag ihn.“
Verkäuferin: „Wir trinken mal een Käffchen und Sie lassen den wirken. No 19 is nämlich keen Duft, den man sich einfach hinter die Ohren knallt wie füher Omas Uralt Lavendel mit dem man ja ooch die Motten verscheuchen konnte.“
Nach Kaffe und Einwirkungszeit stellte sie fest, daß No 19 weitere grüne Blumen vorbei ziehen ließ und sogar in eine leichte Ledernote oder irgendwas Rauchiges abdriftete.
Sie:“Der gefällt mir immer besser! Konsequent grün, edel und kühl ohne kalt zu sein:“
Verkäuferin:“Zu Ihnen paßt der ja ooch jut! Sie sind ein apartes Frauchen mit der feschen, blonden Kurzhaarfrisur und den grünen Ogen. Der is ja nun ooch nich so ein sexueller Lockstoff wie Casmir, den se ja nur mit´m Wonderbra tragen können. Andererseits ist er aber ooch nich so spaßbfreit wie manche Chypres, die nur mit Seife, Moos und Patchouli schmeißen um die Kerle zu sagen, bleib mir von der Pelle, sonst knallts!“
Sie:“ Ich nehme die 19! Was kostet das Eau de Parfum?“
Verkäuferin:“Det is sojar im Sonderanjebot. 100 ml für 111,11 DM.“
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