Toujours Moi 1923 Eau de Toilette

Josch
12.05.2015 - 10:28 Uhr
10
Sehr hilfreiche Rezension
10
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
8
Duft

Wer will, der kann – wer nicht will, hat's noch nicht probiert.

Das sind die Momente, die diverse Blindkäufe, die zumindest bei mir großteils in die Hose gehen, wieder wettmachen!

Ein klassischer Beifang aus der Bucht – beim Ersteigern eines Parfums beim gleichen Verkäufer mit ersteigert, weil es sonst keiner wollte. Quasi im Vorbeigehen. Ein Parfum, von dem ich noch nie gehört habe, das nicht zu ersouken ist, das ich nicht vorab testen konnte. In einem winzigen unscheinbaren 1-2ml Miniatur-Flakon, der Inhalt schon dunkel-rotbraun.

Was ein schöner Duft!

Er ist anfangs etwas ungehobelt (rau, krautig, ungeschliffen), so dass ich im ersten Moment schon dachte, dass er sich in die Serie gekippter Vintage-Parfums einreiht, die ich gleich wieder verkaufen oder resigniert in den Ausguss kippen kann – in der tröstenden Hoffnung, zumindest den leeren Flakon irgendwann mal brauchen zu können.

Aber dieser etwas ungehobelte Auftakt währt nur kurz.

"Toujours moi", eine Namensgebung, die bei mir zuerst etwas schwülstige, kitschige Assoziationen hervorgerufen hat, verwandelt sich zum Glück nicht in diese Richtung, sondern zeigt sich innerhalb kürzester Zeit als wundervoll trockener, ambratiger, weicher und vor allem unendlich warmer + tiefer Wohlfühlduft, der alle mir bekannte Amber-Duftkompositionen locker in den Schatten stellt.

Ich weiss nicht einmal, um welche Konzentration es sich handelt, weil der Flakon keine Auskunft darüber gibt – nehme aber an, dass es sich um ein EdP oder gar Extrait handelt: Mindestens 12 Stunden strahlt er wärmend auf eine mäßig süße Art ein wunderbar natürliches Amber-Aroma aus, das auch nach 24 Stunden noch gut wahrnehmbar ist.

Auch ich vermute eine qualitativ hochwertige Portion Patchouli darin: Patchouli von der hellen erdigen Sorte, die ein Parfum so angenehm anraut und verhindert, dass ein eher lieblicher, herz- oder basisbetonter Bestandteil wie Amber ohne entsprechende Gegenspieler ein Parfum auch schnell etwas seicht und langweilig machen kann.

Ein Indiz für die ausserordentliche Qualität der Bestandteile: Viele Stunden nach dem warmen Glimmen des patchouli-geschwängerten Ambers – wenn man sich schon zurücklehnen möchte und eigentlich nichts Neues mehr erwartet – reißt "Toujours Moi" nochmal die Kurve: Es bringt zu den tiefen rotbraunen Ambertönen einen ebenso tiefen dunkelrauchigen Aspekt ins Spiel, den ich eigentlich gar nicht mit säkularem Weihrauch im klassischen Sinne in Verbindung bringen möchte, und der entsprechend schwer zu beschreiben ist: Aromatisch, aber eben nicht im Sinne von hellgrauem Kirchen-Weihrauch, auch kein profanes Lagerfeuer, das vor sich her qualmt – fast wie Kräuter, die man in eine sanfte Glut legt, so dass sie dadurch anthrazitfarbene Dämpfe freigeben, die man so nicht kennt.

Für mich eine tolle Entdeckung im Reigen der wirklich großen Klassiker! Manchmal findet man noch ältere Flakons oder Minis zu annehmbaren Preisen… wer will, der kann also. Wer Blindkäufe nicht mag, weil er dabei meist kein Glück hatte, wird wohl auch nie in den Genuss kommen. Wer die angegebenen Aromen mag: In diesem Fall würde ich es wagen, weil er damit einen Treffer landen könnte.
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