Vert d'Encens 2016

Josch
16.07.2017 - 11:21 Uhr
14
Top Rezension
7
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
6.5
Duft

Die Kunst des Weglassens

So sehr ich kräftige Parfums mag – mir sind die ersten 2-3 Stunden zu dicht, zu dick und zu anstrengend. Wie bei einer Kraftprobe stehen sich grüne und rauchige Duftwolken gegenüber, dazwischen übergewichtiges, schwer atmendes Heliotrop, das nicht so recht weiss, was es hier eigentlich soll. Als wären sie nicht Teil eines Ganzen, sondern konkurrierende Einzeldüfte, die man übereinander gelayert hat, kloppen sie sich lautstark um die größte Aufmerksamkeit.

Erst wenn dem Heliotrop langsam die Puste ausgeht und die namensgebenden grünen und rauchigen Bestandteile ebenfalls etwas heruntergedimmt sind, bekommen alle den nötigen Raum, um sich zu etwas Rundem, Ganzen zu verbinden. Es entsteht ein angenehmer, wenn auch nicht allzu spektakulärer Weihrauchduft mit feinen grün-harzigen Einschlüssen.

Ich mag Wummser, aber nicht Wumms als Selbstzweck, als Ersatz für eine gut umgesetzte Idee. Mich erinnert dieses "Reinpacken was geht" an die Machart modernen Designerweine aus Übersee, die geschönt, mit Aromaten hochgepuscht und durch Wasserentzug konzentriert werden, um ein Maximum an Opulenz zu erhalten. Das Ergebnis sind überladene und überwürzte Muskelpakete ohne Seele, die versuchen mit schierer Kraft zu überzeugen, statt mit Individualität oder Raffinesse. Vom ersten Glas mag man vielleicht noch kurz beeindruckt sein, das zweite bekommt man kaum noch runter.

Für meinen Geschmack hätte "Vert d'Encens" ein schlankerer Start oder eine differenziertere Gewichtung ganz gut getan. Weniger ist oft mehr, und nicht immer gilt "Wenn viel drin ist, muss es ja gut sein". Wer die Kombination Grün/Hell und Grau/Dunkel mag, könnte mit dem artverwandten, melancholischen "Vert des Bois" besser bedient sein: Ein harzig-grüner Duft mit Pfiff, Power und Haltbarkeit, bei dem sich die kontrastierenden Aromen von Anfang an spannend ergänzen.
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