Irisia 1968

SchatzSucher
22.01.2021 - 17:48 Uhr
55
Top Rezension
8
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft

Creed doch mal ganz anders

Auf vielfachen Wunsch einer einzelnen Person möchte ich mich doch einmal wieder mit einer etwas längeren Beschreibung zu einem Duft zu Wort melden.
Wenn ein Duft größte Begeisterung bei mir auslöst, dann finde ich sollte er nicht nur mit einem Statement abgespeist werden. Und darüber hinaus ist hier seit über 5 Jahren nichts mehr verfasst worden.
Nachdem nun also die Spinnweben von dieser Seite sorgfältig entfernt wurden, möchte ich meine Meinung zu Irisia der allgemeinen Kritik preisgeben.

Das Dufthaus Creed ist hier bei Parfumo ja wirklich in aller Munde bzw. Nase. Täglich geistert nahezu mantrahaft ein gewisser magischer und heiliger Duft durch Forum, Ticker und Diskussionsrunden. Ein Duft, dem geheimnisvolle Eigenschaften nachgesagt werden und der mittlerweile schon ikonenhaft verehrt wird. Was mich zugegebenermaßen etwas befremdet.

Bis vor einiger Zeit war mir nicht bewußt, daß es außer dem großen A noch ein wesentlich breiteres Duftspektrum bei Creed gibt, da außer dem großen A kaum andere Düfte Erwähnung finden.
Vielleicht noch ein Sprüherchen Himalaya oder ein Hauch Green Irish Tweed. Bestenfalls noch ein Hub Virgin Island Water, das war es dann aber auch schon.
Dennoch bietet Creed ein recht großes Duftsortiment, das von klassisch bis modern reicht und den meisten Geschmäckern sehr gut gerecht wird.

Das Haus Creed war unsprünglich wurde im Jahre 1760 gegründet und war zunächst eine Schneiderei. Einen besonderen Namen machte man sich im 19. Jahrhundert als Hoflieferant des englischen Königshauses. Darüber hinaus zählte auch der europäische Hochadel, u.a. Königin Victoria oder Napoléon III nebst seiner Gemahlin Eugénie, zu den Stammkunden.
Die Geschichte des Dufthauses liegt jedoch ein wenig im Dunkeln, denn so ganz genau sind Veröffentlichungen nicht dokumentiert und die eigentliche und bekannte Erfolgsgeschichte beginnt erst Mitte der 80er Jahre mit Green Irish Tweed.
Es läßt sich vermuten, daß die ganz früh veröffentlichten Düfte nur in kleinsten Auflagen hergestellt wurden und persönlich für die prominente Kundschaft bestimmt waren.

Im Jahre 1968 kam nun Irisia auf dem Markt. Von diesem Duft kam mir nun eine Schnupperprobe in die Hände. Und ich bin in höchstem Maße entzückt.
Irisia ist ein wunderschön gestalteter Duft, der die klassischen Merkmale eines echten Chypres aufweist. Eine zitrisch gehaltene Kopfnote, ein blumiges Herz und eine moosig-holzige Basis, die rundherum noch mit feiner Würze abgeschmeckt ist.
Bei Irisia hat man sich genau an das Grundrezept gehalten. Allerdings hat man hier auf eine deutliche animalische Komponente in der Basis (z.B. Ambra oder Bibergeil) verzichtet.
Im Auftakt treten schöne zitrische Noten auf, die herbsaure Bergamotte und ein wenig Mandarine mischen mit. Kurz danach treten die Blüten in Erscheinung. Sie sind eng verwoben, keine tritt wirklich dominant hervor. Das Zusammenspiel harmoniert sehr schön. Eine leichte Grünfärbung wird von etwas Galbanum beigesteuert. Es ist nicht viel, da es nicht so tonangebend ist wie bei anderen grünen Chypredüften, aber diese typische grüne Note ist bemerkbar.
Im weiteren Verlauf bemerke ich Amber und Eichenmoos, das den Chypredüften erst die entsprechende Note verleiht. Moschus sorgt aber mit einer feinseifigen Unternote dafür, daß erst gar kein großer Knarz aufkommt.
Und einige holzige Noten erkenne ich noch im Duft, die zusätzlich ein wenig abrunden und Form geben.

Was ich interessant an Irisia finde: Obwohl es ein Chypreduft der 60er Jahre ist und in dieser Zeit bereits recht herbe und trockene Chypredüfte auf dem Markt waren, empfinde ich Irisia keinesfalls als sperrig oder gar besonders knarzig.
Der Duft wirkt insgesamt zwar eher kühl auf mich, aber er macht einen durch und durch freundlichen Eindruck. Hier könnten auch diejenigen, die mit Chypre eher Schwierigkeiten haben, einen Zugang finden.
Das Ganze hat eine erstaunlich gute Haltbarkeit und ist auch bei ein, zwei Sprühern mehr alles andere als aufdringlich.
Irisia wird als Damenduft eingeordnet, aber da allgemein bekannt ist, daß ich mich gern und oft über diese Einordnungen hinwegsetze, bin ich auch hier der Ansicht, daß der Duft auch an Herren sehr gut funktioniert.
Und ich finde ihn großartig. Doch warum "nur" eine 9.5 und nicht die 10?
Weil er in Punkto Klasse, Komplexität, Wiedererkennungswert und Vollkommenheit nicht ganz an Meisterwerke wie Parure, Dioressence oder auch Fendi heranreicht, die Irisia in genau diesen Punkten überlegen sind.
Doch das soll die Begeisterung keinesfalls trüben. Irisia hat alles, was ein ausgezeichneter Duft braucht. Und auch hier zeigt sich wieder einmal: Früher war mehr Lametta.

Nur hat die Freude wieder einmal einen Haken.... Denn Irisia gibt es nicht mehr. Ich kann nicht sagen, wann der Duft vom Markt genommen wurde, aber es ist sehr schade drum.
Ich habe den Duft mal auf meine Wunschliste gesetzt. Ich werde ihm nicht hinterherjagen, da ich chypretechnisch mittlerweile mehr als gut ausgestattet bin. Aber wer weiß...

Ich danke Anarlan ganz herzlich für diese großartige Dufterfahrung und die böse Anfixerei und Euch danke ich für's Lesen :-))
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