SchatzSucher

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SchatzSucher vor 3 Jahren 70 50
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Haltbarkeit
8.5
Duft
Duftklassik, modern interpretiert
Das Dufthaus bdk Parfums ist ein relativ junges Duftlabel und hat in den nunmehr 5 Jahren des Bestehens noch ein erfreulich übersichtliches Duftportfolio.

Der Gründer David Benedek, 1989 in Paris geboren, hatte schon von jeher Berührung zum Duftuniversum, da seine in den 50er Jahren aus Transsilvanien nach Frankreich eingewanderten Großeltern mit die Ersten waren, die damals in Paris schon Düfte von Dior oder Worth verkaufen durften, zunächst noch gezielt an Touristen gerichtet.
In den 60er Jahren haben sie dann ihre erste eigene Boutique für Parfums und exklusive Kosmetikprodukte eröffnet. Das Fachwissen wurde stets in der Familie weitergegeben.
Nach einem Studium in Wirtschaftswissenschaften und Management wechselte David Benedek an das Institut Français de la Mode, um sich dort weitere Kenntnisse in Kosmetik und Parfümerie anzueignen und der Leidenschaft für Düfte noch gründlicher nachzugehen.
Daraus konnte dann eigentlich auch nur ein eigenes Unternehmen entstehen. Eines, das sehr sympathisch auf mich wirkt.
Sehr angenehm finde ich z.B. die Webseite des Unternehmens, die sich auf Wesentliches beschränkt und die Verbraucher nicht mit verschwurbelten Werbeversprechen und sonstigen zweifelhaften Aussagen bezirzen will.

In Zusammenarbeit mit verschiedenen Parfümeuren entstanden dann im Laufe der Zeit verschiedene Düfte, die unterschiedlichen Geschmäckern gerecht werden wollen.
Über blumig-frisch, über fruchtig bis hin zu orientalischen Anklängen ist alles vertreten.
Mir sind Rouge Smoking und Gris Charnel in guter Erinnerung geblieben, selbst Crème de Cuir hat als Lederduft (die ich sonst ja eher ablehne) einen guten Eindruck hinterlassen.

Nun kommt noch ein weiterer Duft hinzu, French Bouquet, zu dem ich gern ein paar Zeilen schreiben möchte.

Der Name French Bouquet ist nicht ganz zufällig gewählt. Zum einen spielt er auf seine Herkunft an und zum anderen möchte man sich mit French Bouquet sich an die klassische französische Luxusparfümerie anlehnen.
Schon beim ersten Test fiel mir eine Note auf, die ganz klar an einen der berühmtesten Düfte überhaupt erinnert. Gleich in der Kopfnote ist schon ein großer Schwall Aldehyde auszumachen. Dieser unverwechselbare Duft nach Seife, einem Hauch frisch ausgepusteter Kerze und einer deutlichen Wachsnote.
Dafür ist der Riechstoff mit dem so unspektakulären Namen Dodecanal verantwortlich, der der N°5 von Chanel ihren so unverwechselbaren Charakter verleiht.
Ich möchte behaupten, daß man hier eine Hommage an diesen Dauerbrenner schaffen wollte.
Nun ist French Bouquet keinesfalls ein Duftzwilling von Chanel N°5, er geht seinen eigenen Weg. Aber eine gewisse Seelenverwandtschaft kann ich nicht abstreiten.
Zu der wachsartigen Note kommt noch ein leicht fettig wirkender Eindruck hinzu. Diese fettigen Noten stören mich oft, weil sie meist recht unsauber oder gar schmuddelig wirken. Das ist mir schon in einigen Düften, die viel Moschus in der Basis enthalten, aufgefallen.
Das ist hier anders, der leicht fettige Eindruck tritt zu Beginn auf und unterstreicht das Wachsartige und wirkt keinesfalls unangenehm.

Blumig geht es dann weiter, weiße Blüten und Rose, wobei keine der Blüten sich allzu dominant hervorschiebt, da sie recht dicht miteinander verbunden sind. Höchstens tritt Jasmin hier und da ein wenig hervor. Dabei hat man aber die freundliche Jasminvariante genommen.
Im späteren Verlauf machen sich etwas Holz, Patchouli, ein wenig Tabak und ein leicht harziger Grundton bemerkbar. Dadurch bekommt der Duft ein wenig zusätzliche Tiefe.
Spätestens ab dann ist deutlich zu bemerken, daß French Bouquet und N°5 sich deutlich voneinander trennen, da French Bouquet in der Basis wesentlich würziger ist und einen wärmeren Eindruck hinterläßt. N°5 wirkt stets eher kühl auf mich und weniger würzig.
Eine leichte Süße durchzieht den Duft ohne je aufdringlich zu wirken.

Der Duft hat eine sehr gute Haltbarkeit und Präsenz, 8-9 Stunden sind gut drin und zu Anfang ist er auch sehr gut wahrzunehmen. Nach ungefähr 2 Stunden zieht der Duft sich dann zurück, ist aber körpernah noch gut zu erriechen.
Mit der Einordnung hier als Unisexduft wäre evtl. ein gewisser Diskussionsbedarf vorhanden, da viele ihn wohl eher in die Damenabteilung einsortieren würden. Ich lasse solche Kategorisierungen aber gern außer Acht.
Es darf getragen werden, was am besten gefällt und womit man sich wohlfühlt.

French Bouquet hat für mich einen nostalgischen Hauch, die bewußt klassisch-zeitlose Ausrichtung, die Anlehnung an einen Duftklassiker, der in diesem Jahr 100 Jahre auf dem Markt ist, unterstreichen diese Nostalgie zusätzlich.
Da hier mit modernen Rohstoffen gearbeitet wird, schwebt über dem Duft ein gewisser synthetischer Touch, da ich die Synthetik aber für gut verarbeitet halte, kann ich hier nicht nörgeln.

Ein Wort noch zur Verfügbarkeit:
French Bouquet war offenbar ursprünglich und exklusiv für Harrods geschaffen worden, wie Tabac Rose auch, scheint aber mittlerweile regulär bestellbar zu sein, obwohl er beim letzten Blick auf die Webseite nicht verfügbar war.

Mein Fazit:

French Bouquet ist ein gelungener Duft, dessen Richtung, blumig-würzig mit vielen Aldehyden sicher nicht Everybody's Darling ist.
In meine Sammlung wird er es nicht schaffen, aber er hinterläßt einen sehr guten Eindruck und der Marke bdk-Parfums wünsche ich weiterhin viel Erfolg.
50 Antworten
SchatzSucher vor 3 Jahren 55 45
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Flakon
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Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Creed doch mal ganz anders
Auf vielfachen Wunsch einer einzelnen Person möchte ich mich doch einmal wieder mit einer etwas längeren Beschreibung zu einem Duft zu Wort melden.
Wenn ein Duft größte Begeisterung bei mir auslöst, dann finde ich sollte er nicht nur mit einem Statement abgespeist werden. Und darüber hinaus ist hier seit über 5 Jahren nichts mehr verfasst worden.
Nachdem nun also die Spinnweben von dieser Seite sorgfältig entfernt wurden, möchte ich meine Meinung zu Irisia der allgemeinen Kritik preisgeben.

Das Dufthaus Creed ist hier bei Parfumo ja wirklich in aller Munde bzw. Nase. Täglich geistert nahezu mantrahaft ein gewisser magischer und heiliger Duft durch Forum, Ticker und Diskussionsrunden. Ein Duft, dem geheimnisvolle Eigenschaften nachgesagt werden und der mittlerweile schon ikonenhaft verehrt wird. Was mich zugegebenermaßen etwas befremdet.

Bis vor einiger Zeit war mir nicht bewußt, daß es außer dem großen A noch ein wesentlich breiteres Duftspektrum bei Creed gibt, da außer dem großen A kaum andere Düfte Erwähnung finden.
Vielleicht noch ein Sprüherchen Himalaya oder ein Hauch Green Irish Tweed. Bestenfalls noch ein Hub Virgin Island Water, das war es dann aber auch schon.
Dennoch bietet Creed ein recht großes Duftsortiment, das von klassisch bis modern reicht und den meisten Geschmäckern sehr gut gerecht wird.

Das Haus Creed war unsprünglich wurde im Jahre 1760 gegründet und war zunächst eine Schneiderei. Einen besonderen Namen machte man sich im 19. Jahrhundert als Hoflieferant des englischen Königshauses. Darüber hinaus zählte auch der europäische Hochadel, u.a. Königin Victoria oder Napoléon III nebst seiner Gemahlin Eugénie, zu den Stammkunden.
Die Geschichte des Dufthauses liegt jedoch ein wenig im Dunkeln, denn so ganz genau sind Veröffentlichungen nicht dokumentiert und die eigentliche und bekannte Erfolgsgeschichte beginnt erst Mitte der 80er Jahre mit Green Irish Tweed.
Es läßt sich vermuten, daß die ganz früh veröffentlichten Düfte nur in kleinsten Auflagen hergestellt wurden und persönlich für die prominente Kundschaft bestimmt waren.

Im Jahre 1968 kam nun Irisia auf dem Markt. Von diesem Duft kam mir nun eine Schnupperprobe in die Hände. Und ich bin in höchstem Maße entzückt.
Irisia ist ein wunderschön gestalteter Duft, der die klassischen Merkmale eines echten Chypres aufweist. Eine zitrisch gehaltene Kopfnote, ein blumiges Herz und eine moosig-holzige Basis, die rundherum noch mit feiner Würze abgeschmeckt ist.
Bei Irisia hat man sich genau an das Grundrezept gehalten. Allerdings hat man hier auf eine deutliche animalische Komponente in der Basis (z.B. Ambra oder Bibergeil) verzichtet.
Im Auftakt treten schöne zitrische Noten auf, die herbsaure Bergamotte und ein wenig Mandarine mischen mit. Kurz danach treten die Blüten in Erscheinung. Sie sind eng verwoben, keine tritt wirklich dominant hervor. Das Zusammenspiel harmoniert sehr schön. Eine leichte Grünfärbung wird von etwas Galbanum beigesteuert. Es ist nicht viel, da es nicht so tonangebend ist wie bei anderen grünen Chypredüften, aber diese typische grüne Note ist bemerkbar.
Im weiteren Verlauf bemerke ich Amber und Eichenmoos, das den Chypredüften erst die entsprechende Note verleiht. Moschus sorgt aber mit einer feinseifigen Unternote dafür, daß erst gar kein großer Knarz aufkommt.
Und einige holzige Noten erkenne ich noch im Duft, die zusätzlich ein wenig abrunden und Form geben.

Was ich interessant an Irisia finde: Obwohl es ein Chypreduft der 60er Jahre ist und in dieser Zeit bereits recht herbe und trockene Chypredüfte auf dem Markt waren, empfinde ich Irisia keinesfalls als sperrig oder gar besonders knarzig.
Der Duft wirkt insgesamt zwar eher kühl auf mich, aber er macht einen durch und durch freundlichen Eindruck. Hier könnten auch diejenigen, die mit Chypre eher Schwierigkeiten haben, einen Zugang finden.
Das Ganze hat eine erstaunlich gute Haltbarkeit und ist auch bei ein, zwei Sprühern mehr alles andere als aufdringlich.
Irisia wird als Damenduft eingeordnet, aber da allgemein bekannt ist, daß ich mich gern und oft über diese Einordnungen hinwegsetze, bin ich auch hier der Ansicht, daß der Duft auch an Herren sehr gut funktioniert.
Und ich finde ihn großartig. Doch warum "nur" eine 9.5 und nicht die 10?
Weil er in Punkto Klasse, Komplexität, Wiedererkennungswert und Vollkommenheit nicht ganz an Meisterwerke wie Parure, Dioressence oder auch Fendi heranreicht, die Irisia in genau diesen Punkten überlegen sind.
Doch das soll die Begeisterung keinesfalls trüben. Irisia hat alles, was ein ausgezeichneter Duft braucht. Und auch hier zeigt sich wieder einmal: Früher war mehr Lametta.

Nur hat die Freude wieder einmal einen Haken.... Denn Irisia gibt es nicht mehr. Ich kann nicht sagen, wann der Duft vom Markt genommen wurde, aber es ist sehr schade drum.
Ich habe den Duft mal auf meine Wunschliste gesetzt. Ich werde ihm nicht hinterherjagen, da ich chypretechnisch mittlerweile mehr als gut ausgestattet bin. Aber wer weiß...

Ich danke Anarlan ganz herzlich für diese großartige Dufterfahrung und die böse Anfixerei und Euch danke ich für's Lesen :-))
45 Antworten
SchatzSucher vor 3 Jahren 42 39
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
5
Duft
Kopie in Öl
Vor kurzem ist mir ein recht umfangreiches Päckchen mit 16 Parfümölen aus dem Hause El Nabil ins Haus getrudelt.
Die Marke sagte mir bis dato überhaupt nichts. Der Name läßt auf einen Hersteller arabischer Herkunft schließen.
Nach einigem Forschen auf der Webseite und im WWW scheint dies aber nicht der Fall zu sein. Hier bei Parfumo wird angegeben, daß die Firma aus Frankreich kommt, aber auf der Webpräsenz wird der Hauptsitz mit Birmingham/UK angegeben.
Ob nun wirklich auch arabische Hände und Nasen dahinterstecken, ließ sich nicht feststellen.
Mit Informationen und Namen hält man sich bei El Nabil sehr bedeckt.
Man wirbt mit dem Leitsatz "Luxury for Everyone". Nach dem Betrachten des gesamten Angebotes konnte ich eine ganze Bandbreite von Produkten ausmachen, von Parfums, Kosmetikprodukten bis hin zu Raumdüften wird ein recht breites Spektrum angeboten.
Und das sogar zu sehr moderaten bis günstigen Preisen.

Nach ausgiebigem Test der Parfümöle konnte ich allerdings feststellen, daß man sich bei El Nabil doch sehr an bekannte und beliebte Düfte anlehnt bzw. sie sogar kopiert.
Das ist alles natürlich nicht neu. Wenn ein Duft erfolgreich ist und sich gut verkauft, springen andere gern mit auf den Zug auf.

Den einen oder anderen Duftzwilling konnte ich entlarven und auch feststellen, daß man durchaus gut kopiert hat.
Die Parfümöle riechen trotz der wirklich günstigen Preise nicht billig oder minderwertig. Und teils halten sie sogar länger als die Originale.

An Musc Sicile bin ich nun ein wenig hängengeblieben. Ich konnte schnell rausfinden, daß es sich hier um eine gut gemachte Kopie des recht beliebten Black Opium Eau de Parfums ist.
Ich mag Black Opium nicht und ich mag auch Musc Sicile nicht.

Der Auftakt ist bei beiden Düften gleich, fruchtige Süße, gefolgt von weißen Blüten, Vanille und allenfalls einem Hauch von Würze. Das alles ist dazu auch noch zuckersüß.
Kaffee soll auch noch vorhanden sein, den kann ich aber nicht finden. Auch beim Black Opium ist nicht allzu viel Kaffee vorhanden, eher ist das Ganze ein Käffchen.
Nicht weiter schlimm, Kaffee trinke ich eh lieber als ihn mir aufzusprühen.

Im weiteren Verlauf trennen sich Musc Sicile und Black Opium dann aber.
Beim Musc Sicile entwickelt sich zusätzlich noch eine ziemlich ausgeprägte Moschusnote, die mir den ohnehin schon nicht so angenehmen Duft zusätzlich verleidet. Diese Moschusnote wird bei mir unangenehm unsauber und schmuddelig, irgendwie fettig. Da retten auch zuckrige Süße und Blümchen nichts mehr.
An sich habe ich nichts gegen Moschus in moderaten Dosen, aber hier hat man es wirklich übertrieben.
Daher hat Black Opium einen Punkt mehr erhalten als dieser Duft.

Haltbarkeitstechnisch ist El Nabil YSL aber überlegen. Während Black Opium schon nach wenigen Stunden verpufft ist, bleibt Musc Sicile locker 9-10 Stunden hängen. Die ölige Basis sorgt die längere Haltbarkeit. Musc Sicile bleibt insgesamt hautnäher, was bei manchen Düften ein großer Vorteil ist.

Ich halte nichts von Parfümölen, mich stören die Konsistenz und der Film auf der Haut. Und ich halte nichts von dieser Duftrichtung. Aber da betrachte ich mich auch nicht als Zielgruppe, auch wenn ich sonst nicht vor der Damenabteilung zurückschrecke.
Von den Ölen wird keines den Weg zu mir finden, günstiger Preis hin oder her und auch wenn manche wirklich gut sind.
Zum Testen finde ich das alles aber sehr interessant.
Und über das Thema Kopieren lasse ich mich nicht weiter aus, dazu wurde schon vieles gesagt.

Ich bedanke mich bei Frau und Herrn A. aus B. für die Testmöglichkeiten!

Und nun mache ich mir noch einen Kaffee, einen echten, handgefiltert, ohne zuckrige Süße.
39 Antworten
SchatzSucher vor 3 Jahren 57 43
8
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Warmwürzige feste Größe ohne Tralala
Es gibt Duftrichtungen, die für manche von uns anstrengend sein können, fordernd und mitunter auch überfordernd. Zu laut, zu wirr, kaum tragbar im Alltag.
Es gibt aber auch Duftrichtungen, die das genaue Gegenteil vom dem sind und einfach nur wohltuend wirken, weil sie angenehm und harmonisch zusammengesetzt sind und niemals unangenehm auffallen.
Es gab mal Zeiten, in denen man schnörkellose Düfte nach klassischem Strickmuster geschaffen hat.
Dazu gehören auch so manche Düfte aus dem Traditionshaus Hermès.

Hermès wurde 1837 als Geschäft für Sättel, Zaumzeug und sonstiges Geschirr für Pferde gegründet. Später kamen noch andere Lederwaren wie Koffer und Handtaschen hinzu. Im Laufe der Jahre entwickelte sich Hermès zu einem Luxusgüterunternehmen mit Prèt-à-porter, Uhren, Schmuck, Porzellan und seit 1951 auch Parfums.
An den Ursprung erinnert das seit Anfang der 50er Jahre verwendete Firmenlogo mit der Firmenkutsche.
Nach einigen wechselvollen Jahren mit Höhen und Tiefen ging man 1993 an die Börse. 2014 konnte man einen Umsatz von 4,11 Mrd Euro erzielen.

Einen bitteren Beigeschmack erzeugt bei mir die Information, daß der große Luxusgüterkonzern LVMH (unter dessen Fuchtel u.a. Dior und Guerlain stehen) sozusagen hintenrum durch große Aktienkäufe eine feindliche Übernahme versuchte, die aber durch einige Schachzüge von der Familie Hermès verhindert werden konnte. Der Konkurrenzkampf und der Erfolgsdruck auf dem Markt müssen immens sein.
Aber das ist für mich Anlaß, einmal ein wenig über die riesigen Konzerne nachzudenken. Und Gier und der ständige Drang nach immer mehr sind keine guten Eigenschaften.

Der Duft Equipage kam 1970 auf den Markt und ist für mich der Inbegriff eines Herrenduftes nach klassischem Vorbild.
Zitrusnoten zur Eröffnung, florale und würzige Noten begleiten, holzige und moosige Akkorde bilden die stützende Basis
Hier zeigt sich einmal mehr, wie sehr ich Düften mit Chyprecharakter zugeneigt bin. Das eher ernsthafte Wesen der Chypres ist auch bei Equipage vorhanden, doch allzu heiter müssen Chypres auch nicht sein.
Und Equipage hat durch seine Würznoten ein sehr warmes Herz.
Wenn ich mir noch den Parfümeur dazu vor Augen führe, dann bin ich nicht sonderlich überrascht, daß der Duft für große Begeisterung bei mir sorgt. Guy Robert, dessen Duftportfolio zwar nicht sonderlich umfangreich, dafür aber bemerkenswert ist. Schuf er nicht nur Calèche für Hermès, ein weiterer großartiger Chypre, sondern auch Dioressence, den für mich vollkommensten und schönsten Chypre überhaupt.

So ist auch der Auftakt bei Equipage bereits klassisch, mit leichten Zitrusnoten, einem gewissem Hauch Seifigkeit und einer Portion Würze. Im Laufe machen sich florale Noten bemerkbar, die aber nicht wirklich herausstechen, sondern lediglich für eine gewisse Leichtigkeit sorgen. Allenfalls ist die Nelke etwas deutlicher wahrzunehmen.
Später wird es noch ein wenig holzig-moosig, die Grundstruktur eines Chypreduftes ist klar erkennbar. Über alles wurde eine gute Prise Zimt drübergestäubt, der den warmen Charakter noch unterstreicht.
Zwar wirkt der Duft auf mich einerseits eher ernsthaft, aber das ist gepaart mit einer Leichtigkeit, die kaum zu beschreiben ist.
Equipage ist kein Duft, der laut herumbrüllt und mit überbordendem Duftschleier vordergründig Aufmerksamkeit erhaschen will. Das sind für mich auch keine echten Qualitätsmerkmale. Die leisen Töne, die hier angeschlagen werden, die unaufdringliche Präsenz und die Zurückhaltung passen viel besser zum Duft und auch zu mir.
Und der Duft ist nicht anstrengend, wird zu keiner Zeit aufdringlich oder schwer, ist nie zu viel und strahlt eine wunderbare gereifte Eleganz aus. Ein schöner Ruhepol, der gerade in so unangenehmen und wirren Zeiten wie den jetzigen so gut tut.

Nachdem ich vor einiger Zeit eine Probe des schönen Duftes in die Hände bekam und ich nach langer Zeit diesen Duft mal wieder schnuppern konnte, erwog ich, mir Equipage als Vintage anzuschaffen. Denn in der unreformulierten Version ist der Duft eben doch die entscheidende Note schöner, vollmundiger und runder. Die Überarbeitung ist gut, aber es fehlen nun mal entscheidende Eigenschaften und Bestandteile, die Vintageversionen so besonders machen. Echtes Eichenmoos und andere Essenzen, die heut entweder verpönt oder nicht mehr lieferbar sind.

Wer sich gern mal abseits der lauten und manchmal anstrengenden modernen Kreationen ein wenig Ruhe und Beständigkeit gönnen will, dem sei Equipage wärmstens empfohlen. Dieser Duft kommt ohne viel Gedöns aus und muß niemandem mehr etwas beweisen und benötigt keine Hypes. Weil er es nicht nötig hat.

Ich danke im Nachhinein Pollita sehr für die Probe und dafür, daß ich eine alte Bekanntschaft wieder auffrischen und vertiefen konnte.
43 Antworten
SchatzSucher vor 4 Jahren 56 48
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Wer nörgelt muß auch loben können
Vor kurzem kam ein kleines Wanderpaket zu mir, u.a. befanden sich auch 9 Düfte des noch recht jungen Duftlabels Miguel Matos darin.
Miguel Matos stammt aus Portugal, ist seit 2013 Parfumkritiker auf Fragrantica und seit einigen Jahren auch als Parfümeur tätig. Erstaunlich ist die Tatsache, daß er sich die Fähigkeiten autodidaktisch angeeignet und nicht wie viele andere namhafte Parfümeure eine lange Schule hinter sich gebracht hat. Ich habe großen Respekt vor jedem, der sich vor Herausforderungen nicht scheut.
Und die Herstellung von Düften ist in meinen Augen eine große Herausforderung.
Das Testen von so manchen Düften kann aber auch mitunter zur Herausforderung werden...

Er hat u.a. Düfte für Sarah Baker, Nishane und Bruno Acampora kreiert und seit 2018 sind auch Düfte unter seinem eigenen Namen erhältlich.

Nach eifrigem Test der 9 Düfte von Senhor Matos dachte ich erst einmal puha, die Düfte sind eine ziemliche Ansage. Leichte Kost kann man die Werke wirklich nicht nennen.
In Statements dazu habe ich teils ziemlich an den Düften herumgemosert.
Ich komme mit Düften, die mir wild zusammenkomponiert erscheinen, selten gut zurecht. Die Werke von Miguel Matos sind schon sehr avantgardistisch und experimentell. Und ich kann nicht verleugnen, daß sie mir den gewissen Tick zu anstrengend sind.

Es werden gern mineralische, ledrige und animalische Komponenten verwendet und mit Würze, Süße und blumigen Noten vermengt. Und auf mich wirken die Düfte recht sperrig und eher unzugänglich.
Die wenigsten Düfte haben meinen Geschmack getroffen und entsprechend streng habe ich bewertet.
Aber ich möchte auch angenehme Überraschungen nicht unerwähnt lassen.
Und der Duft Silver Stone ist eine solche.

Aus der getesteten Reihe gefällt mir dieser Duft tatsächlich am besten, obwohl er eigentlich auch nicht 100% meinem sonstigen Geschmack entspricht.

Silver Stone ist ein gekonnter Mix aus blumigen Noten, grünen Aspekten und einer mineralisch anmutenden Frische sowie einer deutlichen Ledernote.
Leder, mein alter Feind. Ich habe schon schlimmstes befürchtet... Aber die Befürchtungen waren umsonst.
Der Duft legt gleich blumig grün los und der mineralisch anmutende Ton ist auch fast sofort präsent.
Der Vergleich von Ergoproxy mit der aufgeheizten Steinmauer mit Kräutern trifft es perfekt.
Hier und da kommen immer wieder mal die blumigen Noten hervor, aber keine sticht besonders hervor.
Eine Portion Eichenmoos sorgt für eine chyprige Färbung und nach einer Weile tritt die Ledernote auf den Plan. Schlägt mich Leder normalerweise in die Flucht, muß ich anerkennen, daß es hier perfekt zum Duft paßt. Es heißt immer, daß ein Duft einen Gegenpol zu den sonstigen Noten braucht, eine gewisse Kante, eine Portion Dreck, damit er interessant bleibt. Das macht das Leder hier, ohne aber jemals stechend auf mich zu wirken.
Es sorgt dafür, daß der Duft nicht beliebig wird. Und das Gesamtbild gefällt mir wirklich sehr gut.
Das Gesamtbild möchte ich eigentlich auch gar nicht als würzig-ledrig umschreiben, denn in meiner Nase spielt Leder nicht die allererste Geige. Die Beschreibung würzig-grün mit ledriger Begleitung würde es eher treffen.

Daß über allem ein gewisser synthetischer Hauch schwebt, läßt sich ebenfalls nicht verleugnen, doch zum experimentellen Konzept paßt es hervorragend.
Und wenn Synthetik gut verarbeitet ist, komme ich gut damit zurecht.

Das Ganze weist zudem eine sehr gute Haltbarkeit auf und der Duft ist in den ersten 2 Stunden recht präsent. Da sollte mit der Dosierung nicht übertrieben werden.

Ein Kaufkandidat wird Silver Stone für mich eher nicht werden, da er letztlich für mich nicht alltagstauglich genug erscheint, dennoch wollte ich zwischen der Nörgelei auch die angenehme Überraschung nicht unerwähnt lassen.
Aber als Testerfahrung sind die Düfte allemal eine große Bereicherung und eine spannende Entdeckung.

Ich danke Kovex herzlich für die Bereitstellung des Wanderpakets und für die Möglichkeit des Kennenlernens dieser beachtenswerten Marke!
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