Love In White 2005

Centifolias
08.12.2019 - 11:35 Uhr
9
Sehr hilfreiche Rezension

Erwachsen(er) geworden

Ich lernte den Duft kennen, als er noch nicht lange auf dem Markt war.
Die Verkäuferin schwärmte über alle Maßen und nannte ihn ein Meisterwerk der Parfumkunst. Sie sprühte ihn mir auf. Ich fand ihn nicht schlecht, aber für den Preis (und damals begann ich gerade, mich für Nischendüfte zu interessieren und somit war mir Creed noch unbekannt) war er mir nicht besonders genug. Er roch für mich undefinierbar, nett, aber mehr auch nicht.
Da mein Besuch in der Parfümerie in der Mittagspause war, ging ich danach wieder arbeiten.
Meine Kollegin fand ihn penetrant.
Ich bekam nach 1 Stunde schlimmes Kopfweh, damals hatte ich den Duft in Verdacht und wusch ihn ab, aber er haftete wie Klebstoff.
Damit war Creed für mich durch: Assoziation Penetranz, Kopfweh und viel zu stark. Manifestiert bei mir im Kopf.
Wann immer also in der Zukunft eine Verkäuferin mir einen Creed Duft zeigen wollte, winkte ich ab. Nein danke!
Heute weiß ich, ich war tatsächlich noch zu jung und unreif für dieses Parfum.
Obwohl er für die Hochzeit konzipiert wurde und man bei Frauen, die sich für einen Bund fürs Leben entscheiden, eine gewisse Reife voraussetzt, glaube ich, dass dieser Duft unter 40 nicht so wahrgenommen wird, wie er ist.
Ich war damals Mitte 30 und auch wenn ich da schon länger verheiratet war, Kinder hatte und mich sehr erwachsen fühlte, ich war es nicht. Noch immer unfertig und keine Reife für Love in White.
Wann ist man erwachsen? Dazu lernen wir jeden Tag aufs Neue.

Gestern lief mir der Duft wieder über den Weg. Ich war in der kleinen Nischenparfümerie und die Verkäuferin trug ihn. Ohne zu wissen, was es ist, sagte ich ihr, sie würde wunderbar duften und fragte, was es sei.
Sie sagte creed love in white und ich wollte es nicht glauben. Und es war sofort wieder meine Abwehr da. Mein Gehirn meldete: Achtung, Kopfweh...penetrant...
Aber mein Bauch meldete: wunderbar, zartblütig, unschuldig, luftig, pudrig, sehr fein mit einem Hauch frisch geriebener Orangenschale. Sehr natürlich und absolut treffend. Ich empfand ihn gar nicht chemisch oder künstlich.
Ich wagte es, mir diesen Duft aufsprühen zu lassen und ging in die Kälte hinaus.
Er wurde immer besser, so zart die Blüten, so spritzig die Orange und so kuschelig die für mich milchige Basis. So ausgewogen und mit keinem Duft, den ich kenne, vergleichbar.
Ich erinnerte mich an knapp 15 Jahre zurück. An die Worte der Verkäuferin, die damals etwa Mitte 50 war: Ein Meisterwerk”
Ja, jetzt roch ich dieses Meisterwerk auch. Und mir wurde klar, wieviel Zeit seitdem vergangen ist. Und was sich alles verändert hat.
In meinem jetzigen Leben ist kaum mehr etwas so, wie es damals war.
Schicksalsschläge, Veränderungen.
Aber ich bin reifer und erwachsener geworden, erwachsener auch für Creed love in white.
Zuhause angekommen, hatte er sich traumhaft schön und körpernah entwickelt, aber noch immer sehr present mit einer leichten, völlig ausreichenden Sillage.
So wie wenn man dem Brautpaar die Blüten streut....

Ich kehrte um in die Stadt und kaufte ihn.
Ich konnte nicht anders, trotz des Preises, der sich mit 30 Prozent halbwegs ertragen ließ.

Und den ganzen Tag schon genieße ich ihn. Ich bin wohl erwachsen(er) geworden als damals.
Ganz werden wir es wohl nie...
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