Original Vetiver von Creed

Original Vetiver 2004

Naaase
18.05.2014 - 04:17 Uhr
Top Rezension
8Duft

Was war zuerst da: Das Gras oder das Ei des Kolumbus ?

Was war zuerst da: Das Gras oder das Ei des Kolumbus ?

"Original Vetiver ist eine Hommage an die sagenumwobenen Reisen der spanischen Conquistadores.
Die Santa Maria erreicht nach langer Fahrt in den Gewässern der Karibik die Insel Haiti. Wir schreiben den 06. Dezember 1492, als Christoph Kolumbus dieses paradiesische Stück Erde zum ersten Mal betritt. In seinem Tagebuch schreibt er: 'Entdecken die Insel von Hispaniola (Haiti). Das schönste Land, das Menschen jemals gesehen haben.'
Für Kolumbus war die 'westindische Insel', die er Hispaniola nannte, wohl das Schönste, was menschliche Augen je gesehen hätten – ein Paradies. Columbus’ Faszination für die endlosen Traumstrände unter Palmen, den weißen Sand und das kristallklareWasser erweckt Creed mit Original Vetiver zu neuem Leben. Reines Vetiver – feinste Essenz gewonnen aus original Vetivergras aus Haiti bildet die Hauptkomponente dieser einzigartigen Duftkreation."

Wir sind erst einmal enttäuscht: Nach der Werbung im Internet geht es bei diesem im Jahre 2004 von Oliver und Erwin Creed kreierten Duft diesmal nicht um ein gekröntes Haupt. Sondern "nur" um den berühmten Seefahrer Christoph Kolumbus. Immerhin. Und es geht um Vetiver. Immerhin. Und -dem Namen dieser Kreation entsprechend- um Vetiver in seiner "originalen" Form.

Vetiver ist ein tropisches Süßgras, das ursprünglich aus dem tropischen Asien kommt. Die Grashorste haben einen Durchmesser von etwa 30 cm, die Höhe der Pflanze beträgt 50 bis 150 cm. Die Wurzeln dringen bis zu 3 Meter tief mit einem dichten und massereichen Geflecht in den Boden ein. Dadurch halten sie diesen feucht und können ihn bis zu einem gewissen Grad entgiften. Deshalb wird Vetiver in Südostasien insbesondere zur Verbesserung der Bodenqualität angepflanzt. Das Öl des Vetiver-Grases wird aus den gereinigten Wurzeln des Grases durch Destilation des Wasserdampfes gewonnen. Hierbei gibt es erhebliche Qualitätsunterschiede: Insbesondere spielt dabei eine Rolle, ob frisches oder getrocknetes Gras verarbeitet wird. Das durch die Verarbeitung gewonnene Öl ist leicht viskos, hat eine bräunliche, manchmal leicht rötlich-braune Färbung und einen intensiven balsamischen, haftenden erdig-holzigen Geruch. Für die Herstellung von Parfum ist der Riechstoff Vetiverylacetat von großer Bedeutung: Die bitteren, rauchigen und deutlich erdigen Nuancen des Öls der Vetiver-Pflanze treten in den Hintergrund, während sich die holzig-balsamischen Duftbestandteile viel eleganter entfalten. Vetiverylacetat ist ein Ester, das durch Acetylisierung von Vetiveröl mit Acetanhydrid gewonnen wird.

Doch wie duftet nun unser Kandidat "Original Vetiver" ? Bereits in der Kopfnote macht er uns klar, dass er sich eher als sommerlicher Begleiter sieht: Ein gewohnt zitrischer Auftakt mit Bergamotte. Daneben findet sich jedoch auch noch eine weitere Komponente, die ich mir zunächst nicht sogleich erklären kann: Eine leichte Bitterkeit macht sich bei diesem Duft -nicht jedoch bei mir- breit. Sie ist sehr angenehm, sommerlich frisch, und schenkt dieser Kreation neben der natürlich-frischen Bergamotte noch eine weitere -durchaus interessante- Komponente. Ich hätte da zunächst auf eine Grapefruit getippt, die für "Original Vetiver" vermeintlich ihr Leben lassen habe müssen. Ein kurzer Blick in die Duftpyramide zeigt mir indes, dass die von mir zunächst verdächtigte Grapefruit wohl begnadigt wurde und statt ihrer doch eher es eine Bitterorange ist, die für diese interessante anfängliche Erfrischung verantwortlich ist. Daneben kommt jetzt noch eine fruchtige Note hinzu: Eine sehr natürliche reife Mandarine begrüßt uns freundlich an diesem warmen Sommertag. Und was noch ? Bereits in der Kopfnote: Vetiver ! Nur leichte Anklänge davon. Aber immerhin ! Sehr schön: Bereits in diesem frühen Stadium der Duftentwicklung kommt es nämlich zu einem sommerlich-zarten Spannungsverhältnis zwischen der natürlich-fruchtigen Mandarine, der säuerlich-erfrischenden Bergamotte, der säuerlich-herben Bitterorange und dem (leicht angedeuteten) würzig-erdigen Vetiver. Ich mag das ! Alle Komponenten fein aufeinander abgestimmt in einem interessanten Wechselspiel. Alles sommerlich und freundlich.
Doch es wird würziger: Der Vetiver bleibt uns (natürlich !) erhalten. Er verändert sich nunmehr. Es ist nicht mehr der sommerlich-leicht beschwingte Freund, der uns zu Beginn so freundlich begrüßt hat. Nein, er wird würziger und damit tiefgründiger: Ich vernehme eine leichte Schärfe - als zusätzliche Komponente. Es ist jedoch ein milder Pfeffer, der seine Aufgabe nur darin sieht, unserem Hauptdarsteller, dem Vetiver, eine weitere Facette zu liefern, um diesen dadurch in einem neuen Gewand erscheinen zu lassen. Und er bekommt Verstärkung: Koriander. Sehr interessant: Diese weitere Komponente sorgt einerseits für eine weitere angenehm-sommerliche Würze. Andererseits bildet er auch mit dem Vetiver ein gutes Team. Wie, als wenn sie Brüder wären gehen sie nunmehr Hand in Hand. Ist es in der Kopfnote noch der leicht-beschwingte Vetiver, so finden wir jetzt in der Herznote einen erdigeren Vetiver wieder. Er hat sich also gewandelt und zeigt uns diese schier grenzenlose Vielfältigkeit dieses edlen Grases in einer weiteren Facette. Jedoch, ohne den sommerlichen Grundcharakter dieses Duftes zu verändern. Alles sehr natürlich und liebevoll gemacht.
Das setzt sich dann nach mehreren Stunden in der Basis fort: Wie zu erwarten wird dieser Duft dann noch etwas tiefer. Moschus und Sandelholz werden nunmehr dem Vetiver zur Seite gestellt. Er wandelt sich dadurch noch einmal: Die säuerlichen Nuancen aus der Kopfnote sind nun völlig verschwunden; lediglich die angenehme Fruchtigkeit der Mandarine bleibt uns erhalten. Diese wird auch gebraucht. Denn: Unser Vetiver wird jetzt trockener und herber und zeigt dadurch eine weitere Duft-Facette auf. Jedoch alles nach wie vor sehr körpernah und sommerlich-erfrischend.

Mein Fazit:
Wisst Ihr, ich mag ja diese "Themen-Düfte": Kreationen, die sich zum Ziel gesetzt haben, eine Geschichte zu erzählen und dies auch konsequent im Rahmen ihres gesamten Duftverlaufes durchziehen. Eine Untergruppe dieser "Themen-Düfte" stellen Kandidaten dar, die uns auf der Grundlage eines bestimmten (vornehmlich: edlen) Rohstoffes den Facettenreichtum dieses Grundprodukts aufzeigen und damit spielen. Und Creed's "Original Vetiver" ist ja schon nach seinem Namen ein solcher und muss sich demgemäß daran messen lassen. Das machen Oliver und Erwin Creed sehr gut: Dieses edle Gras, das hier als Namensgeber fungiert, begrüßt uns in der Kopfnote dezent und sommerlich-hell. In der Herznote wechselt der Vetiver sein Gewand und präsentiert uns eine interessante würzige Seite, um dann in der Basis trocken-erdig zu werden. Er droht jedoch zu keinem Zeitpunkt dieser Duftentwicklung seinen sommerlichen und natürlichen Charakter als angenehmer Begleiter an einem sonnigen Tag zu verlieren.
Wer mithin als "Vetiver-Fetischist" einen geballt erdig-schweren Vertreter der Vetiver-Zunft sucht ist hier sicherlich fehl am Platze. Für Vetiver-Liebhaber, die auch an heißen Sommertagen nicht auf die von ihnen so geschätzte Duftkomponente verzichten wollen oder Kollegen, die unter lachender Sonne eine interessante Alternative zu den vielen erfrischenden Zitrus-Kreationen suchen, heißt es hier: Zugreifen ! Dem Namen des Duftes vertrauend handelt es sich hier nicht um eine Vetiver-Kreation im "originellsten" Sinne; es ist jedoch zweifellos ein sehr natürlicher und facettenreicher, mithin "originaler", Vetiver, der hält, was der Name dieses Creed'schen Erlebnisaufsatzes zum Thema "Vetiver" verspricht.

Es geht im Hause Creed also auch ohne "gekrönte Häupter" ...
5 Antworten
TurbobeanTurbobean vor 11 Jahren
Deine Kommentare ... meisterhaft. Genau so, wie dieser Duft.
JoTJoT vor 11 Jahren
Trage ihn gerade. Bisher der schönste Vetiver, der mir untergekommen ist, eben vllt. weil er gar nicht so sehr vordergründig ist.
MeggiMeggi vor 11 Jahren
Einen feine Reportage!
PlutoPluto vor 11 Jahren
Hört sich nach einem feinen Sommerduft an.
YataganYatagan vor 11 Jahren
Perfekt getroffen!