Classic

FvSpee
11.12.2020 - 20:23 Uhr
27
Top Rezension
4
Sillage
3
Haltbarkeit
7
Duft

Neukölln 17: Cologne, very british, Rose im Knopfloch

Als Teenager waren wir mit dem Rucksack durch Schottland unterwegs und trafen auf einen wundervoll gepflegten Garten, mit Rosen natürlich, in dem ein älterer distinguierter Herr zugegen und zugange war. Wir übten unser Schulenglisch, eine Konversation kam in Gang und es ergab sich, dass der Hausherr und Gärtner so war wie der Garten (englisch nämlich) und sich im Ruhestand aufs (Schott-) Land zurückgezogen hatte. An zwei Dinge erinnere ich mich noch genau aus unserer Konversation. Dass er uns erzählte, irgendwelche Tiere (Maulwürfe nehme ich an) machten ihm zu schaffen und seine Frau dränge ihn, ihnen der Garaus zu machen. Das bringe er aber nicht fertig, er fange sie immer ein und fahre sie mit dem Auto so weit weg in den Wald, dass sie hoffentlich nicht zurückkämen. Und dass wir ihn fragten, ob er denn schon einmal in Deutschland gewesen sei. Worauf er trocken antwortete, nicht direkt, aber doch ziemlich oft über Deutschland, und er fügte hinzu: Cologne. Wir verstanden glücklicherweise schnell genug, um das für eine heitere Reiseplauderei wenig geeignete Thema nicht durch weitere Fragen zu vertiefen, und nahmen kurz darauf höflich Abschied.

Die (nicht erfundene) Geschichte kam mir a) in den Sinn, weil sie mit Rosen, Cologne und britischen Absonderlichkeiten wesentliche Elemente dieses Duftes enthält und b) gerade recht, weil mir zu dem Duft selbst nicht sonderlich viel einfällt.

Classic (auf keinen Fall zu verwechseln mit vor kurzem rezensierten Traditional) eröffnet gar nicht sooo klassisch. Klassisch (an Zitrik) wäre auf der Insel ja Bitter Orange Marmalade (mit oder ohne Whisky) oder Lemon Curd (ersteres schätze ich, letzteres halte ich für eine dieser britischen Aberrationen). Hier wird aber Zitronensorbet dekoriert mit geeister Bergamottenmarmelade serviert. Sehr frisch, sehr süß, recht unorthodox, ziemlich hell und null orangig. Die Süße verzieht sich bald, es wird dann etwas herber.

Und dann tritt zur Zitrik eine leichte grüne, etwas feuchte, wenig spritzige Kräuternote und eine dezente und, was bei Rosen ja nicht selten ist, opake Rose hinzu. Rose ist - gerade in Colognes - nicht meine bevorzugte Note. Aber auch wenn ich versuche, von dieser Besonderheit zu abstrahieren: Gerade die Rose schafft es hier mal wieder, trotz ihres sehr dezenten Einsatzes, dieses ohnehin wenig sommerhelle Wässerchen in eines jener dichtgewebten, tweedigen Regencolognes in Reitstiefeln mit nasser Erde dran zu verwandeln, die mir stets ein wenig als Verrat an der nun mal mediterranen Gattung erscheinen.

Fazit: Harris Classic ist, vom Farina-Standard aus betrachtet, ein gar nicht so klassisches Kölnischwasser (weniger jedenfalls als Traditional aus demselben Hause), sondern ein einigermaßen originelles hellzitrisches Cologne, bei dem die anfängliche, durchaus spannende Süße und die spätere insulare Rosendichtigkeit sich die Türklinke in die Hand geben. Die Performanz ist (nach einer fulminanten ersten Minute) bescheiden.

Die Zielgruppe scheint mir aus konservativen, grundsoliden älteren Gentlemen in der Londoner City mit Sehnsucht nach viktorianischen Zeiten und wenig Neigung zu unbritischen, ergo unseriösen italienischen Colonias oder teutonischer Kölnerei zu bestehen. Da es diese Zielgruppe wahrscheinlich (ich war lange nicht mehr auf der Insel) bereits gar nicht mehr gibt, prognostiziere ich Classic ein baldiges "discontinued".

Für mich ein gutes Stichwort.
19 Antworten