Moonlight in Chiangmai 2020

Nasella
21.11.2023 - 10:06 Uhr
13
Top Rezension
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft

Eine Umavijani-Hymne

„The twilight hour comes…
Even my grief
Is swept away
By the anonymity of life“
- Montri Umavijani -

Soviel Wehmut in so wenigen Worten …

DUSITA.
Als ich die - für mich absolut außergewöhnliche - Marke kennenlernte, war ich geradezu
verzaubert und musste mehr über die Hintergründe erfahren.
Darüber war ich selbst überrascht, denn ich finde einen Duft gut oder auch nicht, aber er berührt mich ganz selten so sehr, dass ich mehr über ihn erfahren möchte.
Das liegt vielleicht auch daran, dass mich das oft unglaubwürdige „Marketing-Geschwafel“ eher abschreckt, als dass es mir einen Duft näherbringt.
Bei Dusita habe ich dieses Empfinden nicht. Im Gegenteil, ich glaube, die Düfte besser zu verstehen.

Nachdem ich ‚Issara’, den wohl bekanntesten Duft dieser Marke, getestet hatte, war meine Neugier geweckt und ich wollte die anderen kennenlernen. Ich bestellte bei Dusita Proben sämtlicher Düfte mehrfach zum gründlichen Testen.
Natürlich gefallen mir auch hier nicht alle, aber ich empfinde jeden als besonders.

Pissara Umavijanis Vater Montri Umavijani (1941–2006) war ein bekannter zeitgenössischer Dichter. Den ich selbstverständlich zuvor nicht kannte.
Gute Lyrik klingt wie eine Melodie und vermittelt Gefühle. Glück, sogar Euphorie, aber auch Schmerz und Trauer. Das schafft Pissara bei mir mit ihren Düften. Vielleicht nicht gerade Trauer oder Schmerz, aber eine leichte Wehmut. Man spürt, dass sie wohl in einem Haus aufwuchs, in dem Kunst und Kultur eine große Rolle spielt.

Ich wollte, was für mich eher ungewöhnlich ist, diese Düfte so unbefangen, wie möglich, testen. Deshalb habe zwar versucht, zuvor etwas über die Kunst der Umavijanis zu erfahren, aber keine Rezensionen und Statements gelesen.
Alle Tester wurden komplett verklebt, ich wusste nicht, welchen Duft ich teste.

Vier Dusitas haben mich so überzeugt, dass sie umgehend bei mir einziehen durften.

Wer bis jetzt durchgehalten hat, erfährt nun auch endlich, wie ich ‚Moonlight in Chiangmai‘ empfinde…
Ich möchte hier mehr darauf eingehen, welche Gefühle dieser Duft in mir auslöst und nicht jede einzelne Duftnote analysieren. Denn dieser Duft schafft es, mich träumen und genießen zu lassen, wie kaum ein anderer.

Ich mag keine Düfte, bei denen ich erst eine gefühlte Ewigkeit warten muss, bis er mir gefällt.
‚Moonlight in Chiangmai‘ liebe ich von Beginn an.
Er startet zitrisch. Die Yuzu vermittelt jedoch in keinem Moment den unbeliebten Putzmittel-Vibe. Sie ist recht herb, nicht säuerlich und man riecht hier eher die Schale, als den Saft.
Jasmin ist präsent, jedoch keinesfalls indolisch. Eine fast schon sittsame Jasmin.
Die Siam-Benzoe ist für mich als Benzoe-Fan besonders schön, ganz, ganz zart nach Kakaobohne duftend und unsüß. Gewürze machen den Duft exotisch, keinesfalls orientalisch.
Für meine Nase drängelt sich keine Duftnote vor, sie verstehen sich prächtig miteinander und respektieren sich.
Meine geliebte Myrrhe ist sicher mit ein Grund, dass ich diesen Duft so zauberhaft finde.
Patchouli empfinde ich oft als schwierig, hier ist er „unmuffig“ und eher sauber-erdig, ohne besonders aufzufallen.
Obwohl der Duft hier als holzig geführt wird, empfinde ich ihn nicht so.
Teakholz mag unterstützend sein, ich rieche aber nichts von dem jetzt leider in vielen Düften vorkommenden, schrecklich synthetischen „Holz“.
Jetzt habe ich doch ein wenig analysiert…

Der Duft ist als Herrenduft gelistet, was wohl vor allem der Yuzu und dem Vetiver geschuldet ist.
Für mich ist er absolut unisex.

BR-Vibes habe ich nicht, diese beiden Düfte verkörpern für mich auch grundlegend unterschiedliche „Ideale“.
Hatte ich bei ‚Moonlight in Chiangmai‘ die von Pissara beschriebene Assoziation
„nächtlichen Duftes des Geheimnisses, der mit der Dualität zwischen Licht und Schatten spielt und dabei eine wunderbare Szene einer Nacht in der Stadt malt, die von Mondlicht und Glühwürmchen durchflutet wird“?
Wohl eher nicht, dennoch musste ich sofort an das zuvor zitierte Gedicht ihres Vaters Montri denken. Dieser Duft macht mich auf eine schöne Weise melancholisch und verzaubert mich.

Natürlich bin ich mit dem Wissen um die Herkunft der Parfumeurin nicht unvoreingenommen.
Ich habe Assoziationen zu einer surreal-schönen Landschaft, vielleicht sogar einem thailändischen Shangri-La. Ein kurzer Moment des Rückzugs aus dieser teilweise so schrecklichen Welt, ein kurzer Moment olfaktorischen Glücks.

Und ja, jetzt sehe ich auch das Mondlicht und die Glühwürmchen…
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